Host-Info
Ulrich Körtner
Institut für Systematische Theologie der Evangelisch-Theologischen Fakultät und Institut für Ethik und Recht in der Medizin, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Ulrich Körtner :  Gesellschaft .  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 
Klone: Menschen oder Monster?, Teil 2  
  Besteht zwischen Embryonen, die durch natürliche Zeugung entstehen, und solchen, die das Ergebnis des Klonens sind, ein Unterschied? Das wird von vielen Bioethikern verneint. Anders der renommierte Molekularbiologe Jens Reich. Aus seiner Sicht wären Klone keine Menschen, sondern Monster.  
Therapeutisches Klonen: Kein Verstoß gegen die Menschenwürde?
Folgt man Reichs Argumentation, sind viele ethische Einwände, die gegen das therapeutische Klonen erhoben werden, gegenstandslos.

Man mag dann zwar aus pragmatischen Erwägungen die Forschung auf diesem Gebiet kritisieren. Auch die Praxis bei der Beschaffung der für die Experimente notwendigen menschlichen Eizellen kann weiterhin für ethisch problematisch gehalten werden.

Klonversuche zu therapeutischen Zwecken sind nach Reichs Lesart aber kein Verstoß gegen die Menschenwürde von Embryonen, weil es sich eben gar nicht um Embryonen handelt.
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Ohne Zeugung kein Menschsein?
Wie ist Reichs Argumentation zu beurteilen? Zustimmung verdient seine These, die Totipotenz entwicklungsfähiger Zellen sei kein hinreichendes Kriterium für die Existenz eines Menschen und also für Menschenwürde. Darin stimmen viele Ethiker mit Reich überein. Im Unterschied zu Jens Reich bin ich allerdings nicht der Ansicht, dass das fehlende Merkmal der Zeugung ein hinreichender Grund wäre, menschlichen Klonen den Status eines Menschen abzusprechen.
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Das Recht auf doppelte Abstammung
Das Klonen ist freilich ein Anschlag auf die Menschenwürde, weil es das elementare Recht jedes Menschen auf zweifache biologische Kindschaft verletzt. Dieses Recht ist in der grundlegenden Bestimmung, dass der Mensch geboren wird, impliziert. Zudem wird der neue Mensch im Akt seiner Erzeugung durch Zellkerntransfer eines Rechtes beraubt, das alle übrigen Menschen haben, nämlich des Rechtes auf ein gegenüber demjenigen seiner Eltern neues Genom.

Das unterscheidet den Klon vom eineiigen Zwilling. Dieser besitzt zwar dasselbe Genom, wie sein Geschwister. Beide aber haben ein Genom, das sich von demjenigen ihrer gemeinsamen Eltern unterscheidet. Die Rekombination der Gene im Prozess der Fertilisation ist nicht nur von Gesamtnutzen für den Genpool der Menschheit, sondern muss auch als potenzieller Nutzen für das Individuum gesehen werden, auch wenn die Möglichkeit von Gen- und Chromosomendefekten nicht auszuschließen ist.

Da beim Klonen keine Rekombination genetischen Materials stattfindet, lässt sich argumentieren, dass damit ein elementares Recht des neuen Menschen verletzt wird.
Verletzung der körperlichen Unversehrtheit
Man wird darin eine Verletzung seiner körperlichen Unversehrtheit sehen müssen, wodurch nicht nur sein Recht auf Leben, sondern auch seine Menschenwürde verletzt wird.

Darüber hinaus ist zu bedenken, dass das Grundrecht auf Fortpflanzung, welches die Befürworter des Klonens im Sinne einer libertären "reproduktiven Autonomie" für sich in Anspruch nehmen, auch dem Klon zusteht. Dessen Fortpflanzungsfähigkeit könnte aber beeinträchtigt sein.

Schädigungen seines Genoms - immerhin stammt dieses von einer adulten Körperzelle, deren genetische Qualität gegenüber Keimbahnzellen tendenziell schlechter ist - werden in der nächsten Generation weitervererbt.
Biologische und soziale Elternschaft
Zu bedenken ist jedoch auch, dass es schon immer möglich war, zwischen biologischer und sozialer Elternschaft zu unterscheiden. Durch die moderne Reproduktionsmedizin kommt noch hinzu, dass die Frau, von welcher die verwendete Eizelle stammt, nicht mit jener, die das Kind zur Welt bringt, identisch sein muss. Im Fall der Leihmutterschaft kann also ein Kind bis zu fünf Eltern haben.

Wird aber ein Mensch geklont, so wird zusätzlich die Generationenfolge übersprungen. Die biologischen Eltern des Klons sind, sieht man von dem genetischen Material im Körper der mütterlichen Eizelle ab, seine Großeltern väterlicher- oder mütterlicherseits. Der "Vater" oder die "Mutter" eines Klons ist biologisch gesehen sein Bruder oder seine Schwester.

Gleichwohl lässt sich argumentieren, dass auch beim Klonen durch Zellkerntransfer das grundsätzliche Faktum der Zeugung menschlichen Lebens nicht gänzlich außer Kraft gesetzt wird. Insofern ist zwar mit aller Entschiedenheit jeder Versuch des reproduktiven Klonens als Verletzung der Menschenwürde zu ächten, doch gäbe uns diese dem Leib des Klons eingeschriebene Verletzung der Menschenwürde kein Recht, ihm das Menschsein abzusprechen.
Kein kategorisches Verbot des therapeutischen Klonens
Argumente gegen das reproduktive Klonen ergeben sich aus dem Umstand, dass jeder Versuch ein unethisches Menschenexperiment wäre, bei dem nicht nur Missbildungen des Ungeborenen und gesundheitliche Risiken zu erwarten wären, sondern bei dem auch elementare Menschenrechte des Klons verletzt würden. Diese Einwände sollten genügen, auch wenn sie weniger kategorisch sind als das Verbot, welches Reich formuliert.

Was aber das therapeutische Klonen betrifft, so kann der Blastozyste, die durch Zellkerntransfer entsteht, der Status eines menschlichen Embryos nicht grundsätzlich abgesprochen werden. Wie bei Embryonen, die durch Verschmelzung von Ei- und Samenzelle entstehen, ist Totipotenz kein hinreichendes ethisches Kriterium, um den ontologischen und moralischen Status geklonter Blatozysten zu beurteilen.
Je geringer allerdings die Wahrscheinlichkeit dafür ist, dass Totipotenz überhaupt gegeben ist, desto unbedenklicher ist die Verwendung von Embryonen zu Forschungszwecken. Insofern weist die Stellungnahme der Zentralen Ethikkommision der deutschen Bundesärztekammer für die weitere Diskussion zum therapeutischen Klonen in die richtige Richtung.
->   Klone: Menschen oder Monster?, Teil 1
->   Ulrich Körtner: Menschen klonen: ein Angriff auf die Menschenwürde
 
 
 
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