Host-Info
Ulrich Körtner
Institut für Systematische Theologie der Evangelisch-Theologischen Fakultät und Institut für Ethik und Recht in der Medizin, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Ulrich Körtner :  Medizin und Gesundheit .  Gesellschaft .  Leben 
 
"Laßt uns Menschen klonen, ein Bild, das uns gleich sei!"
Der Plan, Menschen zu klonen, ist ein Angriff auf die Menschenwürde.
 
  Die Forschergruppe um den italienischen Mediziner Antinori setzt sich nicht nur über geltendes Recht und ethische Prinzipien hinweg. Sie bringt auch die gesamte Biomedizin in Mißkredit.  
Schöne neue Welt
Beinahe täglich wartet die Biomedizin mit neuen Sensationen auf. Kaum hat das britische Parlament das therapeutische Klonen zugelassen, und andere europäische Lände wie Frankreich und Dänemark wollen dem Beispiel folgen, da kündigt eine Forschergruppe um den italienischen Arzt Severino Antinori an, im kommenden Jahr den ersten Menschen zu klonen. Es scheint, als sollten sich die schlimmsten Befürchtungen jener Kritiker bewahrheiten, die der Reproduktionsmedizin und der Biomedizin generell ablehnend gegenüberstehen.
"In krimineller Weise verantwortungslos"
Selbst Pioniere auf dem Gebiet des Klonens wie Ian Wilmut, der "Vater" des Klonschafs" Dolly, lehnen den Vorstoß von Antinori und seinen Kollegen Panayotis Zavos (USA) und Avi Ben-Abraham (Israel) ab. Das Vorhaben, einen Menschen zu klonen sei, so Wilmut "in krimineller Weise verantwortungslos". Das Vorhaben widerspricht in der Tat nicht nur dem in vielen Ländern geltenden Recht. Es ist auch ein Anschlag auf die Menschenwürde und die Menschenrechte.
Reproduktionsmedizin und Menschenwürde
Gegen das Klonen von Menschen bestehen keineswegs bloß religiöse, genauer gesagt christliche Vorbehalte, wie der israelische Forscher Ben-Abraham in einem SPIEGEL-Interview den Eindruck erweckt. Es gibt vielmehr internationale Menschenrechtsabkommen, die das reproduktive Klonen von Menschen ausdrücklich verbieten.
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Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und die Menschenrechte
1998 verabschiedete die Vollversammung der Vereinten Nationen aus Anlaß des 50jährigen Jubliäums der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte die 1997 von der UNESCO erarbeitete "Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und die Menschenrechte". In Artikel 11 wird das sogenannte reproduktive Klonen, d.h. das Klonen von Menschen, ausdrücklich untersagt, weil es mit dem Prinzip der Menschenwürde unvereinbar sei.

Artikel 11 lautet:

"Praktiken, die im Widerspruch zur Menschenwürde stehen, z.B. das reproduktive Klonen von Menschen, sollen nicht erlaubt sein. Staaten und kompetente internationale Organisationen werden aufgefordert, bei der Identifizierung solcher Praktiken und sowohl auf nationaler wie internationaler Ebene mitzuwirken, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, daß die in dieser Deklaration festgelegten Prinzipien respektiert werden."
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Menschenwürde und Biomedizin in Europa
Auch für Europa existiert eine einschlägige Menschenrechtskonvention, die das reproduktive Klonen verbietet. Es handelt sich um die sogenannte Bioethik-Konvention des Europarates aus dem Jahre 1997.
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Die Menschenrechtskonvention zur Biomedizin des Europarates
Bei der Bioethik-Konvention handelt es sich, wie der genaue Titel sagt, um ein internationales Übereinkomen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin. Ein 1998 verabschiedetes Zusatzprotokoll untersagt ausdrücklich das reproduktive Klonen.

Präambel und Artikel 1 lauten (in Auszügen):

"Eingedenk der Tatsache, daß das Klonen von Menschen technisch machbar werden könnte; in Anbetracht der Beobachtung, daß das Splitten von Embryos natürlicherweise auftreten kann und manchmal zur Geburt genetisch identischer Zwillinge führt; eingedenk jedoch der Tatsache, daß die Instrumentalisierung von Menschen durch die vorsätzliche Erschaffung von genetisch identischen Menschen im Widerspruch zur Menschenwürde steht und somit einen Mißbrauch von Biologie und Medizin darstellt; eingedenk auch der ernsthaften Schwierigkeiten medizinischer, psychologischer und sozialer Art, die eine derartige vorsätzliche biomedizinische Handlungsweise für alle beteiligten Individuen zur Folge haben mag [...], stimmen die Unterzeichnerstaaten überein:

(Artikel 1): Jede Maßnahme, welche die Erschaffung eines Menschen zum Ziel hat, der mit einem anderen lebenden oder verstorbenen Menschen genetisch identisch ist, ist verboten."
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Österreich und die Bioethik-Konvention
Österreich hat ebenso wie das Nachbarland Deutschland die Boethik-Konvention bislang nicht unterzeichnet - und zwar deshalb, weil man das Abkommen gerade auf dem Gebiet des Embryonenschutzes für nicht streng genug hält. Anders als z.B. in England ist nämlich in Österreich jede fremdnützige Forschung an Embryonen und auch das jetzt in Großbritannien erlaubte therapeutische Klonen verboten.
Bislang war die Bioethik-Konvention in Österreich jedoch kein öffentliches Thema, sondern wurde nur von Insidern diskutiert. Auch die politischen Parteien haben sich der Frage bislang nicht sonderlich angenommen. Das sollte sich m.E. unbedingt ändern. Eine breite politische Debatte über die Vor- und Nachteile eines Beitritts Österreichs zur Bioethik-Konvention ist überfällig. Da der strikte Embryonenschutz hierzulande verfassungsrechtliche Lücken aufweist, gibt es durchaus Argumente für eine baldige Unterzeichnung der Konvention.
Gewissenlose Medizin
Das erwähnte Zusatzprotokoll zur Bioethik-Konvention nennt die entscheidenden rechtlichen und ethischen Gründe, die gegen das reproduktive Klonen sprechen. Jeder Versuch, einen Menschen mittels Klonen eines anderen Menschen zu erzeugen, stellt nichts anderes als ein unethisches Experiment am Menschen dar.
Niemand weiß, ob ein deratiges Experiment überhaupt gelingen kann. Allein um das Klonschaf Dolly zu züchten, wurden hunderte von fehlgeschlagenen Versuchen unternommen. 95-97% aller Tierexperimente endeten bislang desaströs.
Sollte ein derartiges Experiment am Menschen überhaupt über das Stadium in der Petrischale hinausgelangen, wäre noch völlig offen, ob die anschließende Schwangerschaft bis zur Geburt erfolgreich verliefe. Um dies zu kontrollieren, wären wohl der Einsatz der umstrittenen und in Österreich nach wie vor verboteten Präimplantationsdiagnostik und während der Schwangerschaft dann auch wiederholte pränatale Untersuchungen erforderlich. Sobald irgendwelche Störungen diagnostiziert würden, würde das "Experiment" selbstverständlich abgebrochen. D.h. man würde sich zu einer Abtreibung entschließen.

Wieviele derartiger Menschenversuche und möglichen Abtreibungen wären wohl erforderlich, bis das geplante "Experiment" einmal gelingt? Hier sind gewissenlose Mediziner am Werke, die die gesamte moderne Reproduktionsmedizin in Mißkredit bringen.
Fehlende Argumente
Die Forschergruppe um Severino Antinori hat bislang keine ethisch akzeptablen Argumente für ihren geplanten Versuch nennen können. Das von Panayotis Zavos in verschiedenen Interviews vorgebrachte Argument, wenn der Westen die Technik des reproduktiven Klonens nicht entwickele, würden sich Diktatoren wie Saddam Hussein ihrer bemächtigen, ist ethisch so ziemlich die dümmste Begründung, auf die man verfallen kann. Sie läuft auf die Plattitüde hinaus: Wenn wir es nicht machen, macht es halt jemand anderes. Mit Ethik und seriöser Medizin hat das nichts zu tun.
Geradezu wirklichkeitsfremd bzw. lächerlich wirkt auch die Erklärung Antinoris am Rande des vom ihm veranstalteten Kongresses, die Technik des reproduktiven Klonens könne das Überleben der Menschheit sichern. Angesichts der weltweiten Bevölkerungsexplosion ist wohl eher über zielführende Gegenmaßnahmen als über neue Methoden der Reproduktion nachzudenken. Die Behauptung, man wolle die Sterilität von Männern therapieren, ist ein durchsichtiger Versuch, nach einem Einfallstor für weitere "Indikationen" zu suchen.
Reproduktives und therapeutisches Klonen
Antinori und seine Kollegen erweisen der gesamten Biomedizin einen schlechten Dienst. Denn sie geben all jenen recht, die schon das therapeutische Klonen mit dem Argument ablehnen, hierbei handele es sich um die fremdnützige Erzeugung von Embryonen bzw. von werdenden Menschen.

Befürworter des therapeutischen Klonens, bei welchem Embryonen zu dem Zweck hergestellt werden, um aus ihnen therapeutisch nutzbare Stammzellinien, möglicherweise sogar neue Gewebeteile und ganze Organe zu züchten, argumentieren zum Teil, die bei dieser Klonierungstechnik entstehenden vermehrungsfähigen Zellen seien gar keine wirklichen Embryonen. Schließlich entstünden sie nicht durch Zeugung, d.h. durch die Verschmelzung einer Ei- und einer Samenzelle, sondern durch Implantation eines Zellkerns eines bereits geborenen Menschen in eine Eizelle.

Wer sich nun für das reproduktive Klonen starkmacht, straft diese Argumentation, mit deren Hilfe ethische Bedenken gegen das therapeutische Klonen ausgeräumt werden sollen, Lügen. Der Diskussion über die Forschung mit embryonalen Stammzellen wird jedenfalls ein schlechter Dienst erwiesen.
Biomedizin im Zwielicht
Wer nicht will, daß die Debatte über mögliche Indikationen für den Einsatz der Präimplantationsdiagnostik oder auch die Forschung an embryonalen Stammzellen zu therapeutischen Zwecken, auf eine schiefe Ebene gerät, sollte sich von Forschern wie Antinori, Zavos oder Ben-Abraham klar und deutlich distanzieren. Das gilt auch für Österreich, wo die Diskussion über die genannten Methoden gerade erst angelaufen ist. Es ist zu hoffen und zu erwarten, daß sich z.B. die Österreichische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin von Antinori und seinen Plänen öffentlich distanziert. Hier gilt klar und deutlich: Wehret den Anfängen!
 
 
 
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