Werner Lenz
Leiter der Abteilung Weiterbildung am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaften der Universität Graz
 
ORF ON Science :  Werner Lenz :  Wissen und Bildung 
 
Ungleichheit für alle  
  Das nächste Semester kommt bestimmt. Mit ihm die Studiengebühr in der Höhe von 363,36 Euro. Unabhängig vom Ausmaß der Nutzung universitären Angebots ist die Höhe der Gebühr gesetzlich festgelegt. Der Verbesserung der Lehre kommt dieses Geld offensichtlich nur zu einem sehr geringen Teil zugute. Ein blinder Fleck der Universitätsreform?  
Einsparungen
Bei der Lehre wird eingespart. Dies geschieht durch reduzierte Finanzierung für Lehrbeauftragte oder durch reduzierte Zuweisungen an Institute. Gleichzeitig ist daran zu erinnern, dass die Zahl der Studienanfänger in diesem Studienjahr zugenommen hat.

Der Trend zur Universität folgt einer nachvollziehbaren Logik: Die Chancen am Arbeitsmarkt unterzukommen, hängen mit der Höhe des Bildungsabschlusses zusammen.
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Offene Universität
Die Universität ist eine der letzten Bildungseinrichtungen im tertiären Sektor, die alle Bildungswilligen aufnehmen muss. Sie ist an das Konzept des offenen Hochschulzuganges gebunden. Manche Fachbereiche beginnen mittels neuer Anforderungen - Knock-out-Prüfungen - Selektionsprozesse zu installieren.

Der Eindruck einsamer Entscheidungen drängt sich auf. Es fehlt ein verbindliches Planungskonzept, das Personal-, Forschungs- und Lehrkapazität sowie die Zahl der Studienplätze in ein berechenbares und steuerbares Verhältnis bringt. Die Fachhochschule hat dies offensichtlich! Pro Lehrgang steht dort nur eine bestimmte Anzahl von Studienplätzen zur Verfügung.
->   Universitäten und Hochschulen in Österreich
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Pauschale
Studiengebühr wird als Pauschale kassiert: eine Eintrittsgebühr für eine Dienstleistung - wie der Besuch eines Restaurants, eine Fahrt mit der Bahn, der Einkauf in einem Kaufhaus - und es ist dann egal, wie viel konsumiert oder wie gut bedient wird? Wenn Studiengebühren, dann leistungsbezogen! Z.B. nach der Zahl der besuchten Lehrveranstaltungen, oder dem Umfang der Betreuung.

Die Universität braucht eine Grundlage für den Wert ihrer Angebote. Die Investitionen in eine Vorlesung sind eben andere als die in die Betreuung einer Dissertation. Die Kunden, die Studierenden sollen wissen, was sie für ihr Geld geboten bekommen.
Selbstreform?
Eine Großorganisation wie die Universität, die sich selbst reformieren will, ist mit Skepsis zu betrachten. Kein Betrieb wagt dies heute ohne ständige professionelle Beratung. Evaluation ist zu wenig, weil sie keine begleitende Stütze gibt.

Demotivation und Grabenkämpfe sind zur Zeit die Folge. Eine Änderung mit Schmerzen steht bevor. Die Universität verliert an Attraktivität. Der wissenschaftliche Nachwuchs sucht sich neue Arbeitsorte. Optimismus bleibt nur dort, wo wissenschaftliches Bestreben neue Wege geht.
Geht Bildung verloren?
Universitäten, die dieser Entwicklung nicht entschieden entgegensteuern, setzen ihren Bildungsanspruch aufs Spiel. Sie reduzieren den Zugang für Studierende, sie reduzieren den Raum für Diskurs und Vielfalt. Sie verengen die Bezüge zu gesellschaftlichen Problemlagen.

Die Chancen der Universität liegen in einer Schwerpunktsetzung, die die bildenden Aufgaben nicht vergisst.
Zukunft von Führungskräften
Die Universität ist eine gesellschaftliche Instanz für die intellektuelle Entwicklung junger Erwachsener.

Bei diesen handelt es sich um künftige Führungskräfte in Wissenschaft und Gesellschaft. Auch die beschworene Weltklasse oder die Vision "Nobelpreisträger hervorzubringen" funktioniert nicht durch Aussieben.

Solche Ziele brauchen Motivation, Anregung und Zeit für Entwicklungschancen. Dann entsteht nicht zerstörende Konkurrenz sondern kreativer, motivierender Wettbewerb.
Neue Wege
Ob die Universitäten solche Wege gehen wollen? Ein Universitätsmanagement, das solche Ziele anstrebt, braucht Entscheidungsfreiheit. Rektoren und Dekane scheinen zur Zeit mit dem Kampf ums finanzielle Überleben ausgelastet.

Doch Universitäten leben nicht vom Geld allein. Sie brauchen, abgesehen von wissenschaftlicher Leistung, Bildungsziele und Engagement für junge Menschen. Und Zeit, über diese Ziele nachzudenken. Vielleicht im Sommer?
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