Werner Lenz
Leiter der Abteilung Weiterbildung am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaften der Universität Graz
 
ORF ON Science :  Werner Lenz :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 
Bildung gegen Gewalt  
  Welche Antworten gibt es auf den tödlichen Hass? Gewalt bringt Gegengewalt hervor. Besinnung tut not und umdenken. Bildung kann helfen, interkulturelle Konflikte zu analysieren. Bildung soll beitragen, andere Menschen zu akzeptieren und die eigene Würde zu bewahren.  
Schock
Entsetzlich! Unfaßbar! Der Wunsch zurückzuschlagen, sich zu rächen...Mitleid, Sorge, Angst, Wut, Trauer...unterschiedliche Gefühle, Empfindungen und Ansichten äußern sich in Medien und Gesprächen. Die Welt duckt sich und erwartet den angedrohten Vergeltungsschlag.Sich besinnen und innehalten ist auch eine Antwort.
Im Fadenkreuz
Begleitet vom Ruf nach mehr Sicherheit, nach Zusammenhalt in Militärbündnissen, nach genauem Auskundschaften der Feinde soll die westliche, die demokratische Zivilgesellschaft zusammenstehen gegen ihre erklärten Gegner.
Gegner und Feinde, die im mörderischen und selbstmörderischen Haß auf dieses "Amerika" leben und sterben.
Amerika sind auch wir
Wir haben viel von den USA in uns. Wir profitieren von der Wirtschaft, wir fahren zu Universitäten und Kongressen, wir genießen dort Urlaub, Unterhaltung und Ausbildung.
Wir haben Freunde über dem Atlantik. Wir haben angerufen, wie es ihnen geht. Unsere Kinder fahren auf Schüleraustausch oder studieren, unsere Kollegen besuchen Kongresse, halten Vorträge, schwärmen von den Bibliotheken. Wir sprechen mehr oder weniger die gleiche Sprache, sehen die gleichen Filme. Wir delektieren uns am Intimleben der Stars und Präsidenten...
Mitgetroffen - mitverwundet
Können wir etwas tun, um unsere Gegner zu verstehen?
Wir wurden mit blutiger Gewalt darauf gestoßen, daß unsere Lebensform in anderen Menschen höchsten Haß und äußerste Destruktivität hervorruft. Wir haben oft gelesen, gehört und diskutiert, daß unsere fröhliche Konsumwelt auch Ungerechtigkeit, Unzufriedenheit, Erniedrigung und Leid bei anderen Menschen in scheinbar fernen Ländern hervorbringt. Wir erleben geschockt, welche Gewalt entsteht. Wir merken, wie verwundbar wir in unserer "freien Welt" sind.
Frage
Wird es ausreichen, möglich und sinnvoll sein, unsere Länder zu Festungen auszubauen, unsere technische Zivilisation - die USA, Europa, Japan - zu Sperrbezirken aufzurüsten, unsere Bewohner zu überwachen - Big Brother als Schutzpatron zu akzeptieren?
Eine Antwort heißt Bildung
Wo die Zerstörung im Computerspiel, die blutige Rache in Videos, das kalte Töten von Menschen im Fernsehen in Wohn- und Kinderzimmer zu Hause ist, braucht es Besinnung. Wo es akzeptiert ist, den Gegner im wirtschaftlichen Konkurrenzkampf zu ruinieren, wo es selbstverständlich ist, nur die Sieger zu ehren, wo es zum gesellschaftlichen Selbstverständnis gehört, die eigenen Interessen um jeden Preis durchzusetzen, dort ist Besinnung angebracht. Zur Bildungsarbeit gehört: zu lernen und zu lehren die Werte, Ansichten, Erfahrungen - die Kultur anderer Menschen zu respektieren.
Bildungsziele
Worauf Bildungstätigkeit Wert legen soll: sich selbst schützen, durch Respekt vor anderen! Die Sichtweise anderer Menschen anerkennen, ihre Probleme ernst nehmen. Konflikten nicht aus dem Weg gehen, sondern sie bearbeiten.

Achtsamkeit, Geduld und Einsicht üben, sich zurücknehmen - aber auch: sich selbst achten, sich nicht herabsetzen lassen, die eigene Würde verteidigen. Den Widerspruch von Achtsamkeit und Selbstbewußtsein leben lernen! Wie das geht? Es gibt kein Rezept. Es braucht ein lebenslanges Einüben.
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Weniger kann mehr sein
Demokratie muß ständig erworben werden, sie ist kein Zustand, der bleibt, sie ist ein stets zu steuernder Prozeß. Wir gestalten uns selbst - wir bilden uns unentwegt.

Wie steht`s mit dem Profit? Wie steht`s mit dem Konsum? Brauchen wir von dem, was wir haben, wirklich noch mehr?
Selbstbeschränkung ohne Kränkung!
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Interkulturelles Lernen
Wecken und beantworten wir die Neugier darüber, was in der Welt vor sich geht. Ökonomisch sind die Märkte weltweit besetzt. Von den fremden Kulturen wissen, fühlen und spüren wir zuwenig. Kurze Urlaubsreisen, seltsame Souvenirs und geschmackvolle Speisen sind nicht genug.

Ich plädiere für interkulturelles Lernen und für interkulturelle Bildung - für interkulturelles Verständnis. Was in unseren Schulen diesbezüglich schon gelehrt wird, sollte intensiviert und in Fachhochschule, Universität und Erwachsenenbildung fortgesetzt werden. Es ist wichtig, ein gesellschaftliches Klima herzustellen, das interkulturelle Probleme positiv und produktiv aufnimmt.
Bildung schützt!
Wir pflegen den Anspruch, Europa zu gestalten - ein Europa des Friedens und des Wohlstands. Ein Europa, das in der Welt eine wichtige Rolle spielen will - nicht mit der Macht der Waffen, sondern mit dem Reiz seiner Kulturen. Fördern wir bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen die Neugier auf Wissen, die Geduld des Lernens, die Selbstverantwortung für ein Leben in Sicherheit, die Kraft sich selbst zu bilden.

Fördern wir den Mut, sich mit dem und den Fremden zu beschäftigen. Vielleicht entsteht Vertrauen. Friedliches Miteinander zu gestalten, ist eine dringende Aufgabe: auch für Erziehung und Bildung.
 
 
 
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