Werner Lenz
Leiter der Abteilung Weiterbildung am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaften der Universität Graz
 
ORF ON Science :  Werner Lenz :  Wissen und Bildung 
 
Lernen, lernen, immer weiterlernen  
  Endloses Lernen? Wir sollen nicht aufhören zu lernen, empfehlen Wirtschaft und Politik. Denn: Weiterlernen hilft im ökonomischen Wettbewerb zu bestehen und die Persönlichkeit zu entfalten. Zwei neue Bücher beinhalten Genaueres darüber. Lebenslanges Lernen hat allerdings zwei Seiten: Freude und Zwang!  
Eine "open-end-Veranstaltung"
Begrifflich wird lebenslanges Lernen oft mit Erwachsenenbildung gleichgesetzt. Katrin Kraus nennt das in ihrem Buch "Lebenslanges Lernen - Karriere einer Leitidee" eine Verkürzung.

Die Autorin versteht unter lebenslangem Lernen einen Oberbegriff für alle Konzepte, die keinen Endpunkt für individuelles menschliches Lernen angeben. Sie hält Lernen im menschlichen Lebenslauf für eine open-end Veranstaltung.
"Bringschuld" der Individuen
Kraus sieht lebenslanges Lernen als "Bringschuld" der Individuen. Ökonomische Veränderungen, die Entgrenzung zwischen Arbeit und Lernen sowie das moderne Lebensgefühl begründen diese Auffassung.

Noch nie, meint die Autorin, waren die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen so förderlich für das Lernen wie in den letzten Jahrzehnten.
Zwang und Freiheit des Lernens
Für uns bleibt allerdings die Frage offen, ob die gesellschaftlichen Bedingungen nicht auch zwingender geworden sind, ständiges Weiterlernen auf sich zu nehmen? Wie sonst soll man in der modernen Gesellschaft beruflich erfolgreich und sozial akzeptiert werden?
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Katrin Kraus
"Lebenslanges Lernen - Karriere einer Leitidee."
Erschienen bei W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld 2001
184,- ATS
ISBN: 3763918272
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Weiterbildung in Europa
Die europäischen Länder rücken näher zusammen. Ökonomische, politische und kulturelle Kontakte intensivieren sich. Dazu bedarf es besserer Kommunikation.

Paolo Federighi (Universität Florenz) und Ekkehard Nuissl (Universität Marburg) haben ein Buch herausgegeben, das die fachspezifische Verständigung in der europäischen Weiterbildung unterstützen will.
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Internationales Werk
Vierzig Experten und Expertinnen aus zwanzig europäischen Ländern haben zu 150 Stichwörtern Artikel verfasst. Sie betreffen: Theorien und allgemeine Konzepte; Strategien und Politik; System und Bereiche; Organisation und Anbieter; Programme, Aktivitäten, Methoden; Öffentlichkeit; Berufsfeld Erwachsenenbildung.

Prägnante Beiträge thematisieren gesellschaftliche Problemstellungen sowie nationale und europäische Aspekte.
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Rolle der Erwachsenenbildung im gesellschaftlichen Wandel
Das Buch diskutiert die Rolle der Erwachsenenbildung im gesellschaftlichen Wandel. Es regt an, das Bildungsgeschehen mit sozialen Entwicklungen in Beziehung zu setzen und sich international zu vernetzen.

Die östereichische Situation wird in mehreren Artikeln angesprochen. Übrigens: Das Buch ist - solange der Vorrat reicht - auf Anforderung kostenlos beim Deutschen Institut für Erwachsenenbildung zu erhalten.
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Weiterbildung in Europa
Paolo Federighi; Ekkehard Nuissl (Hrsg.)
"Weiterbildung in Europa. Begriffe und Konzepte."
Frankfurt/Main 2001, 198 Seiten.
->   Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
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Der Januskopf des lebenslangen Lernens
Lebenslanges Lernen hat zwei Gesichter: ein fröhliches und ein bedrücktes. Das fröhliche verweist auf die Freude über neues Wissen, das bedrückte auf den Zwang fortgesetzt lernen zu müssen, um den Anschluss nicht zu verlieren.

Lebenslanges Lernen eröffnet Chancen für alle, die gerne und leicht lernen, gibt Gelegenheit sich stets neu zu bewähren.

Zugleich bestehen Zwang und Druck sich stets weiter zu qualifizieren, dauernd optimale Leistungen zu erbringen, Erreichtes nicht lange zu genießen, sondern weiterzueilen und sich fortgesetzt anzustrengen.
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Wer rastet, der rostet
Dieses Sprichwort symbolisiert den Pflug in der Agrargesellschaft. In der modernen Gesellschaft sind Pausen im Produktionsprozess minutiös festgelegt, die Intensität der Arbeit nimmt zu, Stress und Überforderung sind normal. Wettbewerb und Konkurrenz gelten als Garantie für den Wohlstand. Bei erreichten Erfolgen soll sich niemand lange aufhalten. Symptomatisch lautet ein Werbespruch: "Sobald Sie etwas gut können, sollen Sie wieder Neues lernen."
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Entwertendes Lernen
Lebenslanges Lernen erfreut die Erfolgreichen, solange sie kräftig, gesund und stark sind immer von neuem aufzubrechen. Es deprimiert und entmutigt alle, die Lernen bisher als anstrengend und schwierig erfahren haben.

Die Spaltung der Gesellschaft erhöht sich. Immer weiterlernen, weil sich Wissen, Berufsanforderungen und Qualifikationen verändern bedeutet stetem Anpassungsdruck folgen zu müssen. Gelerntes wird zu einem sich rasch entwertenden Gebrauchsgut.
Bildung statt Lernen
Was tun? Lernen, das nur auf Gebrauchswissen und Qualifikationen zielt, benutzt den Menschen als Werkzeug. Lernen, das dem Menschen hilft, die Welt um ihn zu begreifen und zu beurteilen sowie das eigene Handeln zu begründen, erhöht die Chance sich selbst zu bestimmen.

Das erste Lernen ist manipulierend, das zweite orientierend. Es liegt auch an uns mitzubestimmen und mitzuentscheiden: Lebenslanges Lernen soll den Menschen nicht unterwerfen, sondern stärken. Dann wird es zu lebensbegleitender Bildung - dann hilft es dem Menschen sich lebenslang zu bilden!
->   Weitere Artikel von Werner Lenz in science.orf.at
 
 
 
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