Werner Lenz
Leiter der Abteilung Weiterbildung am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaften der Universität Graz
 
ORF ON Science :  Werner Lenz :  Wissen und Bildung 
 
Wettbewerb der Besten ?  
  Nicht einmal Mittelmaß! Eine kalte Dusche für Deutschlands Schulwesen. Im internationalen Vergleich nehmen die erfolgsverwöhnten Deutschen, wie die vor kurzem veröffentlichte PISA-Studie belegt, keine Spitzenpositionen ein. Österreichs Schüler befinden sich dagegen im oberen Drittel dieser Schulleistungs-Studie, die nun auch publilziert wurde.  
Internationale Tests
Die PISA-Studie (Programme for International Student Assessment) wird von der OECD in Auftrag gegeben. Etwa 30 Länder beteiligen sich. Getestet werden die Leistungen 15-Jähriger in Lesefähigkeit und Verständnis von Texten, mathematischen und naturwissenschaftlichen Grundkenntnissen. Prozess- und situationsorientierte Aufgaben werden mit international entwickelten und standardisierten Tests abgefragt.
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Schwache Leistung
Ab Mitte Dezember liegen die neuesten Ergebnisse der PISA-Studie - aus deutscher Sicht zusammengefasst - publiziert vor. Die Ergebnisse lassen einen internationalen Vergleich zu. Der fällt für Deutschland nicht erfreulich aus. Die Leistungen müssen dem letzten Drittel der OECD-Staaten zugezählt werden. "Die Schule brännt" und "Ein lehrreiches Desaster" alarmiert deshalb "DIE ZEIT". So will sie auf das schlechte Abschneiden hinweisen.
Detailliert nachzulesen in : Jürgen Baumert u.a. (Hrsg.): Pisa 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Leske +Buderich, Opladen 2001, 49,80 DM.
->   DIE ZEIT
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Glückliches Österreich
Österreich befindet sich im ersten Drittel auf den Plätzen acht bis zehn. Genugtuung!? Nehmen wir zur Kenntnis, dass Bildungspolitik immer sehr langfristig wirksam wird.

Bildungspolitische Maßnahmen wirken sich meist erst im Laufe eines Dezenniums aus. Studiengebühren können als Ausnahme und als Beleg gelten: Sie haben kurzfristig Reaktionen ausgelöst, die Trends und nachhaltigen Wirkungen zeigen sich aber erst in einigen Jahren.
Hoher Preis für Spitzenwerte
In mathematischen und naturwissenschaftlichen Testleistungen belegen Japan und Südkorea wie bisher die ersten Plätze. Gratulation! Wir wissen inzwischen um den hohen Preis für diese Erfolge.

In Ergänzung zur Schule besuchen die Kinder in diesen Ländern Nachhilfeschulen, wodurch sie von morgens bis in die Nacht - genauso wie die Lehrkräfte - in schulische Aktivitäten verwoben bleiben. Schulverweigerer und -abbrecher, in Tokio inzwischen etwa 10 Prozent, sind ein soziales Problem geworden. Doch nichts soll die positiven Leistungen und den Erfolg schmälern.
Leistung und Wohlbefinden
Es mag erlaubt sein, nachdenklich zu werden. Schulische Leistungen, noch dazu in international einheitlichen Tests abgefragte, sollen nicht überbewertet werden.

Ich warte auf weitere Studien, die noch andere Kriterien miteinbeziehen: die Gesundheit, am Beispiel von Übergewicht, Essstörungen, Rückgratverkrümmung, Nervosität, Aggression; das soziale Verhalten wie Selbstsicherheit, Selbstwertgefühl, Bereitschaft zum und Freude am Miteinander, Kreativität, Verständnis und Verantwortung für andere...
Verantwortung der Besten
Beim Wettbewerb der Besten dabei zu sein, ist eine Herausforderung. Bildung, als öffentliches Gut, braucht innerhalb unserer Gesellschaft optimale Förderung - das können und sollen wir uns leisten. International bei den Besten dabei zu sein gelingt, wenn viele etwas gut können und gerne tun.

Ist Schifahren in unserem Land nicht ein gutes Beispiel? Der breite Zugang zum Kindergarten, zu weiterführenden Schulen, zu Fachhochschulen und Universitäten ist Voraussetzung, dass "Beste" gefunden und gefördert werden können. Die frühe Auslese verhindert Entwicklungen zu unterstützen und Talente wahrzunehmen.
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Wohlstand bringt Bildung
Der OECD gehören 30 Länder an, Länder mit Wohlstand und demokratischer Verfassung. Das sollten wir nicht übersehen. Hiermit wird erneut belegt: Wohlstand und Lernerfolg gehören zusammen.
Im Ländervergleich aber auch innerhalb der Länder! Kinder wohlhabender Eltern erbringen eher bessere Leistungen. Soziale Unterschiede zeigen sich im Bildungsgefälle. Bildungsangebote und Bildungspolitik allein können die sozialen Ungleichheiten nicht verändern.
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Globale Verhältnisse
In den OECD-Ländern leben weniger als ein Sechstel der Weltbevölkerung, also weniger als eine Milliarde Menschen. Wie würden wohl die anderen Kinder dieser Welt bei den Tests abschneiden?

Etwa 40.000 von ihnen sterben täglich an Hunger. Krankheit, Krieg, Analphabetismus bestimmen in vielen Teilen der Welt den normalen Alltag. Vergessen wir nicht auf den "Rest" der Welt. Wir wissen, Bomben sind auf Dauer keine Antwort. Mitleid ist gefragt und - je nach Möglichkeit - der Versuch diese Welt für alle Kinder lebenswert zu gestalten. Das ist unsere Lernaufgabe - nicht nur zu Weihnachten.
Lesen Sie mehr über die PISA-Studie in science.orf.at:
->   Gute Noten für Österreichs Schüler
 
 
 
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