Erich H. Loewy
Department of Internal Medicine, Bioethics Program, University of California Davis
 
ORF ON Science :  Erich Loewy :  Medizin und Gesundheit .  Gesellschaft 
 
Patientenverfügungen zur Diskussion  
  In vielen Ländern sind Patientenverfügungen, in denen Kranke Entscheidungen über ihr Leben treffen, gesetzlich zugelassen. Für den Arzt sind sie damit so zwingend, wie der freie Patientenwillen.  
Zwei Varianten in den USA
In den USA gibt es zwei Varianten: Einen "living will" (Patiententestament) und einen "enduring power of attorney for health-care", eine Patientenverfügung die einer anderen Person das Recht einräumt, für einen zu sprechen, wenn man entscheidungsunfähig geworden ist.
Das Für und Wider der Varianten
Die erste Variante ist mit vielen Unsicherheiten behaftet. Genau voraus zu sehen, was auf einen und unter welchen Umständen zukommen kann, ist fast unmöglich. Deshalb sind die im voraus getroffenen Anordnungen häufig problematisch.

Die zweite Variante hat viel für sich - falls man eine Person aussucht, die den Patienten und seine Werte und Ziele gut kennt, die emotional fähig ist, solche Entscheidungen zu treffen und die mit dem Patienten in engem Kontakt ist und bleibt.
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In Kalifornien gibt es noch eine andere Variante: Man kann nicht nur sagen, wer das Recht für einen zu entscheiden hat, sondern auch wem das Recht keinesfalls eingeräumt werden sollte, über einen entscheiden zu können.
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Diskussion im deutschen Sprachraum
Auch im deutschen Sprachraum werden diese Patientenverfügungen immer wichtiger. Vor allem geht es bei den anstehenden Überlegungen darum, wie es gelingen kann, den mutmaßlichen Willen des Patienten zu erkennen. Es wird wahrscheinlich nicht zu lange dauern, bis eine Variante in der Tat gesetzmäßig wirksam und damit zwingend sein könnte.
Ein Gespräch ist wichtig
Der wichtigste Punkt dabei ist, dass noch vor den zu treffenden Entscheidungen ein Gespräch stattfinden sollte. Ein Gespräch zwischen Arzt, Patient und der Person, die berechtigt sein sollte, für den Patienten zu sprechen.
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Dieses Gespräch sollte sich in erster Linie nicht mit Mitteln, sondern mit Zielen und Zwecken beschäftigen. Es steht nur dem Patienten oder der Patientin zu, eigene Ziele zu setzen, eigene Werte abzuwägen und zu überlegen, in welcher Form man weiterleben möchte.
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Definition der Werte
Diese Werte können höchst verschieden sein. Für manche menschen ist eine Existenz in einem Altersheim mit geschwächten, aber noch anwesenden Sinnen lebenswert. Für andere, für die das Leben des Intellekts oder die eigene Bewegungsfreiheit entscheidend sind, mag das ganz anders ausehen.
Die Rolle des Arztes
Das ist etwas, das Ärzte nicht bestimmen können. Der Arzt muss zwei Dinge tun:
1) Den Patienten davon informieren, ob unter gegebenen Zuständen seine Ziele möglich sind und
2) die Mittel, die dazu notwendig wären, zu erklären ¿ und zwar so, dass Patienten es verstehen können.
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Die Aussage "Ich würde nie eine künstliche Beatmung wollen" ist belanglos, wenn man nicht weiß, dass Beatmungsgeräte für kurze Zeit, aber auch lebenslänglich verwendet werden können, oder dass sie unter gewissen Bedingungen der Atemnot abhelfen können.
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Abwägung der Mittel
Es ist die Aufgabe des Arztes oder der Ärztin, die Mittel auszusuchen, zu erklären und dabei auszuloten, wie es um die Bereitschaft des Patienten steht, diese Mittel anzuwenden.
Ziele und Werte ändern sich
Bei Patientenverfügungen sollte also der Schwerpunkt auf Zielen und Werten, aber nicht auf Mitteln liegen. Man muss hier aber ebenfalls aufpassen, denn Werte und Ziele ändern sich unter dem Druck der Zeit und der Umstände einer schweren Krankheit.

Etwas, das vor fünf Jahren nicht annehmbar zu sein schien, mag, wenn der Fall einmal eingetreten ist, annehmbar werden. Daher sind solche Gespräche etwas, das sich über das Leben des Patienten erstreckt.
Bessere Kommunikation
Um dies zu verwirklichen, ist eine gute Kommunikation zwischen Spitalsärzten, Altersheimärzten und niedergelassenen praktischen Ärzten unabdingbar. Daran mangelt es aber leider oft.
->   University of California, Davis Department of Internal Medicine
 
 
 
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