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Disput um den Öko-Landbau  
  Britische Wissenschaftler überraschten mit ihrer massivem Kritik am ökologischen Landbau, auch viele User von science.orf.at. Bernhard Freyer, Leiter des Instituts für Ökologischen Landbau der Wiener Universität für Bodenkultur nimmt Stellung.  
Was bisher geschah
Der Britische Wissenschaftler Anthony Tewavas übte in einem Kommentar in "Nature" vom 22. März unter dem Titel "Urban myths of organic farming" harsche Kritik am ökologischen Landbau.

Tewavas bemängelte unter anderem fehlende wissenschaftliche Beweise für die Vorzüge des Öko-Landbaus. So seien alternative Pflanzenschutzmittel ebenso gesundheitsschädigend wie synthetisch hergestellte.

Der englische Wissenschaftsjournalist Matt Ridley ging noch weiter und machte sogar den Biolandbau für den Ausbruch der Maul- und Klauenseuche verantwortlich.
->   Der komplette Kommentar von Tewavas in Nature (kostenpflichtig)
Weitere Informationen zu diesem Disput finden sie in science.orf.at unter
->   Zweifel an der Effektivität des Biolandbaus
->   Die Vorzüge des Biolandbaus sind belegt
Bernhard Freyer, Leiter des Instituts für ökologischen Landbau an der Universität für Bodenkultur in Wien kommentiert die Ausführungen Anthony Tewavas:
Zur angeblichen Ideologielastigkeit des Ökolandbaus
"Organic farming as an ideology...." Auch der konventionelle Landbau ist eine Ideologie, wurde doch über Jahre hinweg der Boden weit über den Bedarf mit Nährstoffen aufgedüngt, mit entsprechenden negativen Folgen für Boden, Wasser, Luft und Arten, obwohl in Lehrbüchern längst deren Sinnhaftigkeit in Frage gestellt wurde.
Ist der Ansatz des Biolandbaus unwissenschaftlich ?
Wenn in einem Gebiet wie dem biologischen Landbau wenig Forschungsergebnisse vorliegen, bedeutet dies nicht, dass deshalb "illogicality and confusion" besteht. Vielmehr sind einige Phänomene bisher nicht mithilfe wissenschaftlicher Methoden erklärt worden. Dies hat mit Konfusion nichts zu tun.

"...only two prinicples really distinguish organic farming...". Auch das ist falsch - hierzu sind die EU-Richtlinien zum biologischen Landbau zu studieren.
Ist der Biolandbau unrentabel ?
Ob der Ökologische Landbau volkswirtschaftlich höhere Kosten verursacht, kann bisher nicht beantwortet werden, da dazu die erforderlichen Untersuchungen fehlen. Premiumprodukte kosten für den Verbraucher eben mehr, das ist nicht nur bei Lebensmitteln so.

 

Kostspielig sind allerdings seit Jahren die Aufwendungen zur Aufrechterhaltung der umweltbelastenden und Überschüsse produzierenden konventionellen Landwirtschaft. In den letzten Wochen sind dazu nochmals erhebliche Summen hinzugekommen.

Und die Kosten werden weiter ansteigen, wenn Kontrollinstanzen am Ende der Produktionskette etabliert werden, anstatt dass von vornherein eine vernünftige Produktion etabliert wird.
Wie verträglich sind Alternative Pflanzenschutzmittel?
Es liegen eine Vielzahl von Untersuchungen vor, welche die Umweltverträglichkeit der Ökologischen Wirtschaftsweise bestätigen. Wäre dem nicht so, gäbe es keine höheren Direktzahlungen seitens der EU, noch in der Schweiz.

Wenn auf Biobetrieben erhöhte Pestizidkonzentrationen gefunden werden, kann es sich in der Regel nur um Abtrift aus der konventionellen Landwirtschaft handeln, was also Ausdruck einer nicht ordnungsgemäßen konventionellen Landwirtschaft zu bezeichnen ist.Trotz mechanischer Unkrautkontrolle ist die Artenvielfalt im ökologischen Landbau höher - dazu liegen ebenso eine Vielzahl von Untersuchungen vor.
Wie aufwendig ist der Ökolandbau?
Dass der ökologische Landbau durch die mechanische
Unkrautregulierung bedeutend mehr fossile Energie verbraucht, kann durch die vorliegenden Untersuchungen nicht bestätigt werden. Vielmehr ist der Energieverbrauch unter der Einbeziehung
des Energieeinsatzes bei der Stickstoffproduktion im
konventionellen Landbau höher.
Zur Schädlichkeit organischer Düngemittel
Der Einsatz organischer Dünger ist im ökologischen
Landbau nach oben hin begrenzt. Weshalb es durch organische Düngung im biologischen Landbau Probleme geben soll, bleibt unklar. Vielmehr ist bei überhöhten Mengen, welche aus der konventionellen Massentierhaltung entstammen können, mit Umweltproblemen auf manchen konventionellen Betrieben zu rechnen.
Die Übersättigung der Böden durch Düngemittel
Derzeit sind eine Vielzahl von landwirtschaftlichen Böden mit Phosphor und Kalium überversorgt. Die Nährstoff-Versorgungsklassen (Boden) nach denen sich die Düngung unter anderem orientiert, wurden in den zurückliegenden Jahren herabgestuft, da die älteren Düngerempfehlungen zu überhöhten Nährstoffgehalten im Boden geführt haben.

Die Richtlinien zum Ökologischen Landbau lassen
ausgewählte Phosphor- und Kaliumdünger zu. Allerdings erst nach sorgfältiger Prüfung der aktuellen Bodenversorgung. Die einsetzbaren Düngermengen sind per Richtlinie stark limitiert.
Schädigen alternative Düngemittel Boden und Grundwasser ?
Einen Überschuss an Stroh und organischem Dünger kann es nicht geben - hier zeigt sich einmal mehr, dass Herr Trewavas offensichtlich nicht vom Fach ist.

Noch eine weitere Mär ist die von den Leguminosen und der Grundwasserbelastung durch Stickstoff. Auch hier irrt der Autor, da er offensichtlich über keinen Einblick in das Management von Fruchtfolgen und Bodenbearbeitung verfügt.
Über den Einsatz von Kupfer
Kupfersulfat wird im Rebanbau mit Limitierungen eingesetzt. Die EU diskutiert derzeit ein gänzliches Verbot. Im Kartoffelanbau kommt Kupfer in Einzelfällen, ebenso limitiert zum Einsatz. Auch
hier wird über ein Verbot diskutiert.
Tierhaltung und Treibhausgase
Da der Tierbesatz im ökologischen Landbau niedriger ist als in der konventionellen Landwirtschaft , kann nicht geschlussfolgert werden, dass im ökologischen Landbau treibhausrelevante Gase aus der Tierhaltung in höherem Ausmaß auftreten.
...
Ein Resumee
Insgesamt sind die Behauptungen von Herrn Trewavas auf einem so niedrigen fachlichen Niveau angesiedelt, dass Zeitschriften, welche solche veröffentlichen, ihrer Reputation einen erheblichen Schaden zufügen.
...
Haben bäuerliche Kleinbetriebe schuld am Ausbruch der Maul- und Klauenseuche ?
Zu Matt Ridley ließe sich noch hinzufügen, dass auch in bäuerlichen Familienbetrieben problematische
Produktionsmethoden gängig sind - siehe dazu Äußerungen von maßgeblichen Funktionären der konventionellen Landwirtschaft in Österreich.

Die ausschließliche Abstellung der Fütterung auf industriell gefertigte Futtermittel passt weder in das Konzept von bäuerlichen Familienbetrieben, noch kann angenommen werden, dass darüber die Seuchengefahr verringert wird.
Zur Qualitätssicherung von Lebensmitteln
Abschließend ist festzuhalten, dass die Frage der
Ernährungssicherung nicht allein entlang der Produktionsmethode diskutiert werden kann.

Fragen der Ernährung, der Lebensmittelverteilung, der Erhaltung der Böden als Produktionsgrundlage und Gesundheitskosten durch falsche Ernährungsweisen sind in zukünftige Konzeptionen der Landnutzung und Ernährungssicherung mit einzubeziehen.

Bernhard Freyer, Leiter des Instituts für ökologischen Landbau an der Universität für Bodenkultur in Wien.
->   Institut für Ökologischen Landbau der BOKU Wien
 
 
 
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01.01.2010