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Komplex: Wie Singvögel singen und zugleich tanzen  
  Singvögel können vor allem eines gut: Singen. Manche von ihnen sind darüber hinaus auch noch sehr begabte "Tänzer". Um potenzielle Sexualpartnerinnen anzulocken, vermag etwa eine bestimmte Stärling-Art wahre Wunder an Flügelschlag und Federnspreizung. Der komplizierten Biomechanik, die diesem scheinbar einfachen Balzverhalten zugrunde liegt, sind nun Forscher mit österreichischen Wurzeln nachgegangen.  
Franz Goller studierte Zoologie und Botanik an der Universität Innsbruck und ist nun Associate Professor an der University of Utah. Sein Schwerpunktthema ist die Gesangsproduktion bei Singvögeln und die Integration motorischer Kontrollsysteme.

Gemeinsam mit einem Kollegen hat er nun den Braunkopf-Kuhstärling (Molothrus ater) genauer unter die Lupe genommen. Das Ergebnis seiner in "Science" vorgestellten Studien: Die kompliziertesten Flügelbewegungen führen sie während untypisch langer "Gesangspausen" durch - offensichtlich, um nachteilige biomechanische Effekte auf das Liedgut zu vermeiden.
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Der Artikel "Multimodal Signals: Enhancement and Constraint of Song Motor Patterns by Visual Display" ist in "Science" (Bd. 303, S. 544, Ausgabe vom 23. Jänner 2004) erschienen.
->   "Science"
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Repertoire: Zwei bis acht Lieder
Ihr Repertoire ist zwar nicht umwerfend, mit zwei bis acht verschiedenen Liedtypen brauchen sich die männlichen Exemplare der Braunkopf-Kuhstärlinge aber auch nicht zu verstecken. Evolutionärer Sinn der Sache: Balzverhalten bzw. das Markieren des eigenen Territoriums.
Atem wird bei höchster Anstrengung angehalten
Wie die Forscher nun herausgefunden haben, halten die schwarz-grünen Vögel zwischen dem Ein- und Ausatmen genau in jenem Moment den Atem an, in dem sie die schwierigsten Körperübungen ausführen - was die gesanglose Zeitspanne verlängert.

Nach Ansicht von Franz Goller und seinem Kollege Brenton Cooper vermeiden sie damit die biomechanischen Konflikte zwischen den Anforderungen des Singens und des Tanzens.
Flügelschläge, Atmungsverhalten, Muskelaktivität
 
Bild: Brent Cooper and Franz Goller

Video-Standbilder der Vögel während ihres "Tanzes"

Für ihre Forschungsarbeit analysierten sie die Flügelschläge, das Atmungsverhalten und die Muskelaktivität der in Nordamerika beheimateten Stärlinge. Die Kombination von Körperbewegung und Gesang betrachten sie dabei als einen zusammenhängenden Kommunikationsakt.
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Gesangsverhalten: Modellsystem für Neuroethologen
Für die Neuroethologen ist die motorische Steuerung des Gesangsverhaltens von Singvögeln ein Modellsystem mit Parallelen zur menschlichen Sprache. Die genaue Kenntnis der physiologischen Grundlagen ist Voraussetzung für das Verständnis der zentralnervösen Kontrolle. Die Luftdurchflussraten durch die Syrinx - jenem Organ an der Gabelung der Luftröhre in die beiden Bronchien, das bei Singvögeln die Töne erzeugt, werden gemessen, dazu die Aktivität in Syrinx- und Atmungsmuskulatur aufgezeichnet. Dadurch sind Rückschlüsse auf spezifische Steuerungsmuster des Gesangskontrollnetzwerkes im Gehirn möglich, wie zum Beispiel die Integration der motorischen Systeme, die zur Gesangsproduktion beitragen.
->   International Society for Neuroethology (ISN)
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Sensomotorische Koordination zweier Mühen
Und zwar nicht zu unrecht: Singvögel, die sich aufs Singen konzentrieren und nicht gleichzeitig mit ihren Flügeln Eindruck schinden, flechten in ihren Gesang keine Pausen ein. Die beobachteten Gesangsunterbrechungen scheinen den Stärlingen im wahrsten Sinne des Wortes zu mehr Atem zu verhelfen - den sie für ihren Flügeltanz brauchen.

Auf die selbstgestellte Frage "Was hat sich zuerst entwickelt, der Gesang oder der Flügeltanz?" können die Forscher keine eindeutige Antwort geben. Die sensomotorische Koordination der beiden Anstrengungen legt nach ihren Angaben nur einen Schluss zu: dass die Evolution sie gleichzeitig aus dem Hut gezaubert hat.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
->   Franz Goller, University of Utah in Salt Lake City
->   Mehr über den Stärling (michigan.gov)
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Wie Vogelgesang die Fortpflanzung beeinflusst (18.11.03)
->   Vogelgesang angepasst an die Umgebung (28.12.01)
 
 
 
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01.01.2010