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Klimaerwärmung durch kosmische Strahlung?  
  Die weltweite Klimaerwärmung ist mittlerweile eine von seriösen Wissenschaftlern nicht mehr bezweifelte Tatsache. Sehr wohl aber gibt es Diskussionen um ihre Ursache(n). Vergangenes Jahr etwa sorgte eine Studie für einiges Aufsehen, die Schwankungen des Weltklimas zu einem großen Teil auf die so genannte kosmische Strahlung zurückführt. Doch nun meldet sich eine Gruppe namhafter Wissenschaftler zu Wort: Jene Studie sei in großen Teilen wissenschaftlich nicht haltbar, die Schlüsse nicht nachzuvollziehen, lautet ihre Kritik.  
Elf Forscher aus Deutschland, der Schweiz, Frankreich, Kanada und den USA haben die im Juli 2003 erschienene Studie einem kritischen Blick unterzogen.

Unter Federführung des Klimatologen Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) veröffentlichten sie ihre Ergebnisse nun im Fachmagazin "EOS", herausgegeben von der American Geophysical Union.
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Der Artikel von Rahmstorf, S. et al. ist unter dem Titel "Cosmic Rays, Carbon Dioxide, and Climate" in "EOS", Bd. 85 erschienen.
->   Der Artikel im Volltext (www.pik-potsdam.de)
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Kosmische Strahlung ''bombardiert'' die Erde
Unter dem Begriff der kosmischen Strahlung fassen Wissenschaftler eine Reihe von hochenergetischen Teilchenströmen zusammen, die überwiegend aus dem Weltall stammen.

Bestehend vor allem aus elektrisch geladenen Atomkernen, "bombardiert" diese Strahlung die Erdatmosphäre aus allen Richtungen. Entdeckt wurde sie vor etwa 90 Jahren von dem Österreichischen Physiker Victor Hess, der dafür 1936 den Nobelpreis erhielt.
->   Informationen zu Victor Hess (www.nobel.se)
Potenziell gesundheitsschädlich - Auswirkungen auf Klima?
Heute weiß man, dass die energiereichen Teilchen auch schädliche DNA-Mutationen bewirken können - eine Tatsache, die vor allem für Astronauten von Bedeutung ist. Denn auf der Erde ist der Mensch derzeit durch das Magnetfeld des Planeten recht gut vor der Strahlung geschützt.

Doch die Geschichte des Planeten reicht Milliarden von Jahre zurück. Und im Laufe dieser Zeit habe die kosmische Strahlung einen starken Einfluss auf das Klima der Erde ausgeübt, berichteten im Juli 2003 die beiden Forscher Nir Shaviv und Jan Veizer in ihrem Artikel.

Sie wollen diesen Zusammenhang immerhin bis rund 520 Millionen Jahre in die Vergangenheit nachgewiesen haben.
Derzeitige Erderwärmung nicht durch CO2?
Darüber hinaus erklärten die beiden Forscher in einer Presseaussendung, dass der Einfluss des Treibhausgases Kohlendioxid auf das Klima weit geringer sei, als derzeit angenommen wird. Auch die gegenwärtig zu beobachtende Erderwärmung ist demnach nicht auf einen Anstieg an Kohlendioxid in der Atmosphäre zurück zu führen.

Dieser wiederum gilt als "hausgemacht", verantwortlich für die hohen CO2-Werte - und damit wenigstens teilweise auch für den Temperaturanstieg - wäre demnach der Mensch.
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Der Artikel von Shaviv (Hebrew University of Jerusalem) und Jan Veizer (Ruhr Universität Bochum sowie University of Ottawa) ist unter dem Titel "Celestial driver of Phanerozoic climate?" in "GSA Today" (Bd. 13, Seiten 4-10, Ausgabe vom Juli 2003) erschienen, einer Zeitschrift der Geological Society of America.
->   Der Artikel im Volltext
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Klimaerwärmung unbestritten, Ursachen umstritten
Diese Behauptung sorgt naturgemäß für Diskussionen: Kaum ein Wissenschaftler bestreitet mittlerweile noch, dass sich das Weltklima langsam erwärmt. Hier endet allerdings der Konsens - denn ob dies eine Folge anthropogener, also menschlicher Einflüsse ist, wird debattiert.

Und das gerne als Treibhausgas bezeichnete Kohlendioxid ist dabei in aller Munde. Mit dem Verbrauch fossiler Brennstoffe soll der Mensch einen CO2-Anstieg in Gang gesetzt haben, der sich nun auch am wärmeren Klima ablesen lasse, argumentiert ein großer Teil der Klimaforscher.
Kritik: Analysen wissenschaftlich nicht begründet
Hätten Shaviv und Veizer also mit ihren Behauptungen recht, so wäre die Menschheit nur zum Teil am gegenwärtigen Trend zu höheren Temperaturen schuld. Doch die Ergebnisse der beiden Forscher sind mehr als zweifelhaft, folgt man der Argumentation des neuen Artikels in EOS.

Laut Rahmstorf und Kollegen sind die Analysen - und vor allem ihre Schlussfolgerungen - wissenschaftlich nicht begründet. Die so weit in die Vergangenheit zurückreichenden Daten zu kosmischer Strahlung in Verbindung mit klimatischen Veränderungen seien extrem unsicher.

Zudem bezogen die Wissenschaftler ihre Informationen zur Rekonstruktion der längst vergangenen Strahlenschwankungen aus 50 eisenhaltigen Meteoriten, deren Analyse allerdings von den meisten Forschern völlig anders gedeutet werde.
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Meteoriten als Indikatoren für Strahlungsschwankungen?
"Die Meteoriten haben eine gewisse Tendenz, gehäuft mit bestimmtem Alter aufzutreten. Diese Altersgruppierung wurde so interpretiert, dass es sich nicht um das wirkliche Alter der Meteoriten handelt, sondern um ein 'scheinbares Alter'. Die Altersbestimmung geht über den Effekt der kosmischen Strahlung auf die Meteoriten, sodass man im Prinzip auch Variationen im anscheinenden Alter von Meteoriten erhalten kann, wenn die Stärke der kosmischen Strahlung schwankt", erläutert Rahmstorf die Methode von Shaviv und Veizer gegenüber science.ORF.at.

"Fast alle Meteoritenforscher (zwei der führenden sind Koautoren unserer Publikation, u.a. der Meteoritenkurator des Museum of Natural History in New York) gehen aber davon aus, dass diese Altershäufungen der Meteoriten gar nichts mit der kosmischen Strahlung zu tun hat, sondern damit, dass es sich um mehrere Bruchstücke einer Kollision handelt, die daher alle ein ähnliches Alter haben. Daher ist der ganze Ansatz schon grundsätzlich fragwürdig. Zudem ist die Zahl der Meteoriten sehr gering, jede 'Häufung' besteht nur aus vier oder fünf Meteoriten, sodass die Aussagekraft dieser Daten nur gering ist."
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Zudem "nonchalanter" Umgang mit Daten
Darüber hinaus zeigen einige in der ersten Studie enthaltenen Kurvendiagramme zwar tatsächlich eine statistische Korrelation zwischen Klima und Strahlung - doch dies nur, weil Shaviv und Veizer offenbar recht nonchalant mit den verfügbaren Daten umgingen.

Laut Stefan Rahmstorf und Kollegen haben die beiden Forscher ihre Daten schlicht angepasst - in einem Fall um ganze 40 Millionen Jahre. Ein Zeitraum, der selbst erdgeschichtlich betrachtet nicht eben kurz ist.
Strahlung und Klima: Kein Zusammenhang nachgewiesen
Kurz gesagt haben Shaviv und Veizer nach Ansicht der Autoren des EOS-Artikels mitnichten einen Zusammenhang zwischen kosmischer Strahlung und Erdklima nachweisen können.
Und schließlich der Einfluss von CO2 ...
Was schließlich den Einfluss von CO2 auf die Temperaturen des Planeten angeht, so sehen auch hier die Forscher um Rahmstorf die Sachlage etwas anders - selbst wenn die Analyse methodisch korrekt durchgeführt worden wäre, wie sie schreiben. Das Problem ist demnach vor allem auch der Zeitrahmen.

Denn Shaviv und Veizer arbeiten mit Maßstäben von Millionen Jahren, die gegenwärtige Erwärmung ereignete sich allerdings in lediglich etwa 100 Jahren. Hier aber greifen ganz andere Mechanismen, sagt Stefan Rahmstorf. Über Millionen von Jahre würde etwa die Verschiebung von Kontinenten das Klima beeinflussen, der Erdorbit könne über Hunderttausende Jahre eine Rolle spielen.

Doch diese Prozesse seinen für Perioden von Jahren, Dekaden oder Jahrhunderten irrelevant. Hier geht es demnach um Auslöser wie Vulkanausbrüche, Veränderungen in der Sonnenaktivität und eben auch Konzentrationen von Treibhausgasen.
Einfluss des Menschen durch CO2-Emissionen
Die Komplexität und Nicht-Linearität des Klimasystems erlaube eine so simple statistische Ableitung der Klimasensitivität nicht, heißt es abschließend in dem EOS-Artikel. Die Forscher sehen vielmehr keinen Grund, die derzeitig vorherrschende Meinung zu revidieren.

Der Einfluss des Menschen - vor allem via CO2-Emissionen - auf das Erdklima wäre demnach dominant.

Sabine Aßmann, science.ORF.at
->   Potsdam Institute for Climate Impact Research (PIK)
->   Homepage von Stefan Rahmstorf (PIK)
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Winzige Schwarze Löcher in der Erdatmosphäre? (4.12.03)
->   Kosmische Strahlen als Detektor für Nuklearmaterial (20.3.03)
->   Wie Strahlung aus dem All die Erde beeinflusst (20.11.02)
 
 
 
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01.01.2010