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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Korallenschleim hilft beim Nährstoff-Recycling im Riff  
  Einen bisher unbekannten Mechanismus, mit dem das Ökosystem der Korallenriffe lebensnotwendige Nährstoffe "recycelt", haben Forscher entdeckt. Von den Korallen selbst produzierter Schleim dient demnach als Nährstoffträger und "Partikelfalle" - was letztlich wieder den Korallen zugute kommt.  
Korallenriffe gehören dank ihrer großen Artenvielfalt und enormen biologischen Produktivität zu den spektakulärsten Lebensräumen der Ozeane. Doch Meeresverschmutzung und Klimaänderungen bedrohen diese Ökosysteme zunehmend.

Daher sei ein Verständnis der Mechanismen, die Wachstum und Stoffkreislauf im Riff steuern, heute wichtiger denn je, berichtet ein Forscherteam um Markus Hüttel vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie im Fachmagazin "Nature".
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Der Artikel "Coral mucus functions as an energy carrier and particle trap in the reef ecosystem" ist erschienen in "Nature", Bd. 428, Seiten 66 - 70, Ausgabe vom 4. März 2004 (doi:10.1038/nature02344 ).
->   Abstract des Artikels in "Nature"
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Korallen sondern große Mengen Schleim ab
Korallen sondern regelmäßig große Mengen Schleim ab, um sich vor Austrocknung, Sedimentation und Bewuchs zu schützen - und zwar in solchen Mengen, dass die Schleimflocken häufig der hauptsächliche Bestandteil des organischen Materials im Wasser über den Riffen sind.

Obwohl man bei dieser auffälligen Schleimabsonderung vermuten könnte, dass Korallenschleime eine wichtige Funktion im Stoffhaushalt des Riffs haben, wurde die Rolle dieses organischen Materials in den Stoffkreisläufen des Ökosystems Korallenriff bislang kaum erforscht.
Studien am Heron Island Riff
Bild: Space Image
Die Wissenschaftler des Bremer Max-Planck-Institutes haben nun gemeinsam mit ihren Kollegen aus Australien und Jordanien die Bedeutung des Schleims auf Heron Island im australischen Great Barrier Reef untersucht, wie in einer Aussendung des Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie berichtet wird.

Das Satellitenbild rechts zeigt das Heron Island Riff mit dem grau erscheinenden Riffgürtel und der hellen Lagune. Bei Flut treibt der Korallenschleim in die Lagune und wird dort abgebaut.
Gesamter Weg des Schleims analysiert
Dazu analysierten die Wissenschaftler den gesamten Weg des Schleims: angefangen in dem Moment, wenn er sich von der Koralle löst, über seine Schwebephase im Wasser bis hin zu seinem Abbau im Karbonatsand der Rifflagune.
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Bis zu 4,8 Liter Schleim pro Quadratmeter
Die Schleimproduktion ist beeindruckend: Pro Quadratmeter Riff sondern allein die Korallen der Gattung Acropora 1,7 Liter pro Tag ab. Handelt es sich um einen Tag mit einer so genannten Trockenfallperiode, steigt diese Menge sogar bis auf 4,8 Liter.
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Zentimeterdicke Schleimteppiche auf dem Wasser
Zwischen 56 und 80 Prozent des abgegebenen Schleimes lösen sich demnach auf und dienen als Nahrungsquelle für im Wasser lebende Mikroorganismen. Der Rest bildet schließlich zentimeterdicke Schleimteppichen an der Wasseroberfläche.

In diesen Teppichen, die bis zu 50 Quadratmeter groß sein können, fanden die Wissenschaftler unter anderem Planktonalgen, Fadenalgen, Kleinkrebse, Kammerlinge und Fischeier.

Nach wenigen Stunden hat ein solcher Teppich so viele Partikel gefangen, dass er zu zerfallen beginnt und einzelne Aggregate schnell zum Meeresboden der Rifflagune sinken.
Schleimfilme als Nahrungsquelle
 
Bild: Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie

Durch Partikelanreicherung und Konzentration werden Schleimfilme in kurzer Zeit zu dicken gelblichen Matten.

Die Tiere und Mikroorganismen der Rifflagune fressen und verarbeiten die auf diese Weise angereicherten Schleimaggregate und setzen bei ihrem Stoffwechsel dann wichtige Nährstoffe wie Ammonium und Phosphat frei.

Durch diesen Mechanismus fördern Korallen also das vielfältige Leben im Riffökosystem und gewinnen dabei sogar einen Teil ihrer durch den Schleim abgegebenen Nährstoffe wieder zurück.
Schleim gelangt auch in Riff-Sediment
Doch es geht noch weiter: Sinkt bei Ebbe der Wasserspiegel, verhindert der Riffgürtel um die Lagune, dass das Wasser schnell wieder ablaufen kann.

Ein Teil des eingeschlossenen Wassers wird dabei durch den durchlässigen Sand der Lagune sowie den porösen Sockel des Riffgürtels aus der Lagune gepresst. Dadurch gelangt gelöster und gallertartiger Schleim in das Sediment.

Laut den Forschern verwertet die "Lebensgemeinschaft" des Lagunensediments den Schleim mit hoher Effizienz: Nach Eintreten der Flut werden die aus dem Abbau des Schleims entstandenen Nährstoffe aus dem Sediment gespült und stehen den Zooxanthellen der Korallen sowie anderen pflanzlichen Organismen wieder zur Verfügung. Damit schließt sich der Kreis.
Kreislauf des Korallenschleimes im Heron Island Riff
 
Bild: Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie

Bei Flut wird Schleim in die Lagune getragen, fängt auf diesem Weg nährstoffreiche Partikel aus der Wassersäule und führt so der Lebensgemeinschaft in der Lagune Nahrung zu. Als Abbauprodukte setzt die Lebensgemeinschaft wiederum Nährstoffe frei, die dann das Wachstum der schleimabsondernden symbiontischer Algen in den Korallen fördern.
Erweiterung des Nahrungsangebots
Die Bremer Wissenschaftler haben damit einen Prozess in der Natur aufgedeckt, durch den nicht nur lebensnotwendige Nährstoffe im Riffökosystem zurückgehalten werden, heißt es weiter in der Aussendung.

Mehr noch: Da der Schleim auch viele Schwebstoffe, die durch das Riff treiben, einfängt, werde das Nahrungsangebot im Ökosystem sogar noch erweitert.
->   Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie
Mehr über Korallen im science.ORF.at-Archiv:
->   Wissenschaftler warnen: Korallenriffen droht das Ende (14.8.03)
->   Dramatischer Rückgang der Korallen in der Karibik (17.7.03)
->   Wetter-Geschichte: Korallen als Klima-Archive (14.2.03)
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01.01.2010