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Süßer Erfolg mit bitterer Medizin  
  Einem Team der New Yorker Columbia University unter der Leitung von Gilbert Stork ist es erstmals gelungen, Chinin künstlich zu erzeugen. Damit eröffnen sich im Kampf gegen die Malaria neue Möglichkeiten.  
Der von Storks Team erzielte Durchbruch besitze einen "ungeheuren historischen Wert", betont Amos Smith von der University of Pennsylvania: Denn schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts versuche man, Chinin synthetisch herzustellen. Damals war es das einzige bekannte Mittel gegen Malaria, die Extraktion aus der Chinarinde aber aufwendig und teuer.
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Verwendung durch Ureinwohner
Bereits die Ureinwohner Perus haben die Chinarinde zur Linderung von Schüttelkrämpfen verwendet. Später wurde sie von den spanischen Eroberern als Mittel gegen Malaria entdeckt. Die Getränkeindustrie braucht Chinin ebenfalls: Es gibt dem "Tonic" den charakteristisch bitteren Geschmack.
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150 Jahre Misserfolg
Die Versuche, Chinin künstlich herzustellen, verliefen bisher allerdings mehr oder weniger erfolglos. 1856 haben die Experimente des damals erst 18-jährigen Chemiestudenten William Perkin jedoch ein unerwartetes Ergebnis gebracht: Chinin hat er zwar nicht erzeugt, dafür aber die Farbe Lila "erfunden".

Die Schwierigkeit bei der Synthetisierung liegt darin, dass der molekulare Aufbau des Chinins aus "links- als auch rechtsorientierten" Atomen besteht. Das heißt: Die Atome sind spiegelbildlich zueinander angeordnet. Es existieren daher zwei Molekülformen, die sich nur dadurch unterscheiden, dass sie spiegelbildliche Formen voneinander darstellen.
Richtige Atom-Positionen entscheidend
Die Atome an den richtigen Stellen zu platzieren hat den Forschern daher von Anfang an große Probleme bereitet. 1944 hätten es die beiden Amerikaner Robert Woodward und William Doering aber beinahe geschafft: Doch an Stelle reinen Chinins konnten sie nur verwandte Varianten herstellen.

Aufbauend auf den Ergebnissen der Vergangenheit, vor allem jenen des Hoffmann-La-Roche-Konzerns in den 70er Jahren, ist es Storks Team dann doch gelungen, ein Chinin-Molekül in reiner Form herzustellen.
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Vermehrung unterdrückt
Mit Chinin kann die Malaria aber nicht geheilt werden. Es unterdrückt lediglich die Vermehrung des Erregers - des ¿plasmodium falciparum¿ genannten Parasiten. Aus diesem Grund wurde in den 40er Jahren ein wesentlich wirkungsvolleres Medikament entwickelt: Chlorochin. Knapp 20 Jahre später waren die Erreger allerdings dagegen weitgehend immun. Aber auch gegen neuere Mittel sind mittlerweile Resistenzen bekannt, vor allem in Afrika und Asien. Aus diesem Grund ist man in diesen Regionen wieder zu Chinin zurückgekehrt.
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Neue Möglichkeiten
"Die Verfügbarkeit ist nicht mehr der limitierende Faktor", erklärt Gary Posner, Chemiker der Johns Hopkins University in Maryland. Chinin dürfte nun in Hülle und Fülle zur Verfügung stehen. Aber die Möglichkeit, die Moleküle Stück für Stück nachzubauen, könnte sich auch bei der Suche nach neuen, besseren und weniger giftigen Varianten des Wirkstoffs als hilfreich erweisen, meint Posner.

Durch Feintuning bei der Synthese könnten darüber hinaus neue chininartige Substanzen erzeugt werden, die einerseits ausgezeichneten Schutz vor der Krankheit bieten, andererseits verhindern, dass die Erreger dagegen resistent werden.

Johannes Stuhlpfarrer
->   Columbia University
 
 
 
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01.01.2010