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Männermordendes Bakterium: Erbgut entziffert  
  Männchen haben es auch nicht leicht: Zumindest Millionen von Spinnen und Insekten sind von einem Bakterium befallen, das sie entweder umbringt oder zu Weibchen macht. Für das Bakterium ist das Ganze eine evolutionäre Strategie, männliche Wirtstiere sind für die eigene Fortpflanzung irrelevant. Das Erbgut des Erregers wurde nun entziffert.  
Genom des Männchen-Killers veröffentlicht
Fast sieht es so aus, als ob das Bakterium Wolbachia, etwas "gegen das männliche Geschlecht hat".

Jedenfalls sind die Verlierer seiner Manipulation im Gastorganismus immer die Männchen. Je nachdem um welche Kombination von Bakterium und Wirt es sich handelt, werden sie entweder getötet, in Weibchen verwandelt oder davon abgehalten, die Eier von nicht-infizierten Weibchen erfolgreich zu befruchten.

Einen genaueren Einblick in diese Vorgänge erhoffen sich Biologen nun von der Erbgut-Entschlüsselung eines der Bakterienstämme - des so genannten Wolbachia pipientis wMel, das die Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) infiziert. Das Genom wurde in der aktuellen Ausgabe des Open Access-Journals "PloS Biology" vorgestellt.
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Die Studie ist unter dem Titel "Phylogenomics of the Reproductive Parasite Wolbachia pipientis wMel: A Streamlined Genome Overrun by Mobile Genetic Elements" in "PloS Biology" (Bd. 2, 16. März 2004, doi:10.1371/journal.pbio.0020069) erschienen.
->   Die Studie in "PloS Biology"
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Eine "genetische Mülldeponie"
Der Evolutionsbiologe Jonathan Eisen vom Institute for Genomic Research (TIGR) und sein Team fanden heraus, dass sich das Genom des Wolbachia-Stamms stark von anderen intrazellulären Bakterien unterscheidet - es verfügt über weit mehr so genannte Junk-DNA.

Eisen bezeichnet es deshalb auch als "genetische Mülldeponie", vergleichbar mit dem menschlichen Y-Chromosom und den knotenartigen Centromeren in der Mitte eukaryotischer Chromosomen.
Evolutionärer Münzwurf statt effizienter Selektion
Wolbachia pipientis wMel scheint sich anders als andere Bakterien entwickelt zu haben, die natürliche Selektion aufgrund sehr geringer Population nur sehr ineffizient gewesen zu sein.

Aus der Selektion werde bei derartigen evolutionären "Engstellen" aus dem "survival of the fittest" schnell ein "Münzwurf der Natur", formuliert Eisen es blumig in einer Aussendung.
15 Prozent aller Insekten befallen
Die verschiedenen Wolbachia-Bakterien leben in vielen Wirbellosen, z.B. in Krebsen, Milben, Fadenwürmern und Insekten als Endosymbionten oder als Parasiten. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 15 Prozent aller Insekten von ihnen befallen sind.

Sie halten sich vorwiegend in den Fortpflanzungsorganen ihrer Wirte auf und nehmen Einfluss auf deren Reproduktion.
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Vier unangenehme Alternativen
Die Möglichkeiten dieses Einflusses sind vielfältig: So kann der Befall mit Wolbachia dazu führen, dass 1) die männlichen Embryonen absterben, dass es 2) zu einer Verschiebung des Geschlechterverhältnisses kommt (männliche Embryonen verweiblichen), dass 3) Parthenogenese induziert wird (d.h. infizierte Weibchen reproduzieren ohne Männchen infizierten weiblichen Nachwuchs) oder dass es 4) zu zytoplasmatischer Inkompatibilität kommt (die Anzahl nicht-infizierter Weibchen, die sich mit infizierten Männchen paaren, wird limitiert).
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Neue Hoffnung bei ...
Wolbachia beeinflusst die Fortpflanzung seiner Wirte dahingehend, dass die eigene Ausbreitung begünstigt wird - was das Forschungsinteresse auf der einen Seite erklärt, da es sich um eine besondere evolutionäre Strategie handelt.

Auf der anderen Seite kann die Genom-Entschlüsselung auch zu neuen Erkenntnissen bei verschiedenen Krankheiten führen, die durch kleine Würmer verursacht werden (wie. Z.B. lymphatische Filiarose). Denn diese Würmer können sich nicht ohne die Hilfe von Wolbachia fortpflanzen.
... von Würmern übertragenen Krankheiten
Antibiotika, die etwa direkt die Wolbachia-Bakterien in den Keimzellen der Würmer angreifen, könnten die Kranhkeitsüberträger töten. Die Genom-Analyse hat eine Reihe entscheidender Gene in diesem Zusammenhang identifizieren können.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
->   TIGR
->   Links zu Wolbachia (Virtual Museum of Bacteria)
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Flussblindheit durch "infizierte" Würmer (8.3.2002)
->   Das Stichwort Parasit im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010