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Aids: Schlimmer als vorhergesagt  
  Die Entwicklung von Aids hat alle Befürchtungen sogar noch übertroffen, lautet die Bilanz des UNO-Aids-Programms.  
Anfang der 90er Jahre war man noch davon ausgegangen, dass bis Ende 2000 mit insgesamt bis zu 40 Millionen HIV-Infektionen zu rechnen sei. Tatsächlich hätten sich aber bis zu diesem Zeitpunkt bereits 56 Millionen Menschen mit der Immunschwächekrankheit angesteckt, 20 Millionen seien bereits gestorben, schreibt Peter Piot vom UNO-Aids-Programm, in der neuesten Ausgabe der britischen Wissenschaftszeitung ''Nature''.
5,3 Millionen Neuinfektionen
Allein im vergangenen Jahr habe es weltweit 5,3 Millionen Neuinfektionen gegeben. Zwar steige auch in den westlichen Industriestaaten die Zahl der HIV-Positiven weiter an, doch die meisten Betroffenen ¿ insgesamt 23,5 Millionen Menschen - lebten in Afrika südlich der Sahara, hält Piot fest.
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Katastrophale Situation in Afrika
Ein 15-jähriger Bub in Botswana hat derzeit ein 90-prozentiges Risiko, eines Tages an Aids zu sterben. Wird die Ansteckungsrate in diesem Land in den kommenden 15 Jahren halbiert, sinkt die Wahrscheinlichkeit auf 70 Prozent. Bei einem gleichaltrigen Südafrikaner liegt das Risiko derzeit bei etwa 65 Prozent. Im Falle einer Halbierung der Infektionsrate könnte es auf knapp unter 50 Prozent zurückgehen.
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Schon lange kein Problem der ''Risikogruppen''
Während in den 80er Jahren vor allem Heroinabhängige und männliche Homosexuelle von der Immunschwächekrankheit betroffen waren, hat Aids schon längst den Sprung in die "Normalbevölkerung¿ geschafft.

In Frankreich zum Beispiel ist heterosexueller Geschlechtsverkehr bereits der häufigste Ansteckungsfaktor. In einer ganzen Reihe von europäischen Staaten sind heterosexuelle Kontakte mit Menschen aus Hoch-Risikogebieten die häufigste Infektionsursache. Vermehrt ist dabei auch die Abkehr vom "Safer Sex¿ festzustellen.
->   Beratung bei der Aids-Hilfe Wien
Medikamente als Grund für die Sorglosigkeit?
"Die hoch aktive medikamentöse Behandlung (HAART) könnte ein Element für die zunehmende Müdigkeit sein, sich sicherer Sexpraktiken zu bedienen", meint Piot. In den westlichen Industriestaaten kommt Aids dank der mittlerweile recht wirksamen Medikamente zwar nicht mehr automatisch einem Todesurteil gleich. Sich darauf zu verlassen wäre aber töricht.
Nebenwirkungen von HAART
"Diese Behandlung unterdrückt die Virus-Vermehrung nicht bei allen Patienten¿, warnt der amerikanische Aids-Forscher Douglas D. Richman von der Universität von Kalifornien in "Nature". "Das Entstehen von resistenten Viren behindert die weitere Therapie. Die chronische Behandlung führt auch zu toxischen Nebenwirkungen."
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Trügerische Hoffnung
Die als HAART (Highly Active Anti-Retroviral Therapy) bezeichnete Behandlung senkt zwar die Sterberate und kann bei HIV-Positiven auch den Krankheitsausbruch verzögern, doch eine Heilung ermöglicht sie nicht. Der Patient muss dabei täglich bis zu 20 Tabletten zu sich nehmen, die teilweise schwere Nebenwirkungen haben. Mit Übelkeit, Magen-Darm-Beschwerden, Störungen des Fettstoffwechsels oder Diabetes muss gerechnet werden.
->   Aids: HAART verhindert Lungenentzündung
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Neue Strategien gesucht
Mit der Zeit dürfte das HI-Virus gegen die bekannten Arzneimittel resistent werden, befürchtet Richman. Er hofft auf einen Wirkstoff, der die Produktion jener Proteine unterbindet, aus denen Teile des Virus-Kerns bestehen. Aber etwa auch das Andocken an beziehungsweise Verschmelzen mit der Wirtszelle solle unmöglich gemacht werden.

Die neuen Medikamente müssten auf alle Fälle besser wirken, weniger Nebenwirkungen haben und auch bereits resistent gewordene Viren bekämpfen, meint Richman. Zusätzlich sollten sie HIV auch aus jenen Organen und Gewebetypen "vertreiben", in denen sie sich bisher verbergen können ¿ wie Gehirn, Geschlechtstrakt und Abwehrzellen.
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Zwei Strategien
Die derzeit verwendeten Wirkstoffe lassen sich im Großen und Ganzen in zwei Gruppen einteilen: jene, die das Enzym Protease unschädlich machen, und solche, welche die Reverse Transkriptase verhindern.

Nachdem das HI-Virus in seine Wirtszelle eingedrungen ist, spaltet die Protease das menschliche Erbgut auf. Bei der anschließenden Reversen Transkriptase schmuggelt das Virus seine Erbinformation in die menschliche und programmiert die Wirtszelle damit um. Anstelle neuer menschlicher Zellen erzeugt sie dann HI-Viren.
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Kein Impfstoff in Sicht
In naher Zukunft wird es keinen Impfstoff gegen Aids geben, befürchtet Gary J. Nabel von den amerikanischen National Institutes of Health. Das Immunsystem von HIV-Infizierten entwickle auch ohne Vakzin Antikörper gegen die Krankheit. Diese allein seien aber offensichtlich zu schwach im Kampf gegen Aids.

Aus diesem Grund müsse eine durch einen Impfstoff verursachte Immunantwort auch zu einer Aktivierung von Abwehrzellen führen, die dann die bereits infizierten Zellen zerstören. Das sei aber nur schwer zu erreichen, schreibt Nabel in "Nature¿.
Lebendimpfstoffe gefährlich
Versuche mit Affen, denen ein Serum mit abgeschwächten SI-Viren - der "Affenvariante¿ von HIV ¿ injiziert wurde, waren ursprünglich viel versprechend. Trotz mehrfacher künstlicher Infektionsversuche waren die meisten Tiere sowohl gegen das Impf- als auch das normale SI-Virus geschützt. Einige sind allerdings durch den Impfstoff krank geworden.

Ganz pessimistisch ist Nabel angesichts der schwierigen Situation trotzdem nicht: "Obwohl eine Lösung des Problems noch nicht bei der Hand ist, werden derzeit laufend ermutigende Fortschritte gemacht." Und am Ende könnte doch noch ein Aids-Impfstoff stehen, meint Nabel.

(APA/Johannes Stuhlpfarrer)
Rechtsstreit um preiswerte Aids-Medikamente
Südafrika hat einen Rechtsstreit mit 39 Pharmakonzern ausgetragen. Bei dem Streit ging es um die Frage, ob Südafrika internationales Patentrecht brechen darf, um seine 4,7 Millionen Aids-Kranken mit preiswerten Medikamenten zu versorgen.

Die Pharmaindustrie sah in einem noch unter Präsident Nelson Mandela verabschiedeten Arzneimittel-Gesetz einen Verstoß gegen das Patentgesetz und fürchtete einen Präzedenzfall für andere Staaten.

Der Streit wurde heute beigelegt.
Der Originalartikel in Nature (kostenpflichtig)
->   The global impact of HIV/AIDS
->   Mehr über HIV und Aids
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Pharmakonzerne: Keine Aids-Klage gegen Südafrika
Mehr zum Streit um billige Aids- Medikamente in Südafrika lesen Sie auf science.orf.at
->   Pharmakonzerne: Keine Aids-Klage gegen Südafrika
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01.01.2010