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Wie Emotionen ökonomische Entscheidungen beeinflussen  
  Wirtschaft, so meint man gerne, hat absolut nichts mit Emotionen zu tun. Doch wer glaubt, ökonomische Entscheidungen völlig frei von Gefühlen treffen zu können, der irrt offenbar: Trauer oder auch Ekel haben laut einer aktuellen Studie sehr wohl einen deutlich messbaren Effekt - im Fall der Untersuchung auf das Kaufverhalten von Probanden. Demnach ist es etwa nicht anzuraten, in trauriger Stimmung wichtige finanzielle Entscheidungen zu treffen.  
Den Zusammenhang von Gefühl und Ökonomie haben Forscher um George Loewenstein vom Department of Social and Decision Sciences der Carnegie Mellon University in Pittsburgh untersucht.
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Die Ergebnisse der Wissenschaftler erscheinen in der Mai-Ausgabe des Fachjournals "Psychological Science". Das Journal wird von der American Psychological Society herausgegeben und erscheint monatlich.
->   "Psychological Science"
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Beispiel gute Laune und "Kaufrausch"
Das Szenario wird so manchem bekannt vorkommen: Man ist blendender Laune, vielleicht zusätzlich noch ein paar Tage im Urlaub - und wird unversehens von einem wahren Kaufrausch befallen. Da werden plötzlich Güter erworben, die man im heimatlichen Alltag häufig nicht einmal erwägen würde.

Ist die eigenen Grundstimmung dagegen eher gedämpft, sollte sich auch die Kauflust in Grenzen hält, werden die meisten wohl meinen. Das stimmt allerdings nicht ganz, wie nun die Forscher um George Loewenstein herausgefunden haben.
Behavioural Economics sucht nach Antworten
Tatsächlich beschäftigt sich eine eigene Disziplin - Behavioural Economics - mit solchen Fragen.

Man kennt heute etwa den so genannten Besitztumseffekt (endowment effect): Der Terminus beschreibt das Phänomen des Auseinanderklaffens von Kauf- und Verkaufspreis, sobald man selbst der Besitzer eines Objekts geworden ist.

Das heißt, plötzlich zählt nicht mehr nur der eigentliche Wert (Einkaufspreis) eines erworbenen Gutes. So würden etwa die meisten Menschen weitaus mehr Geld für ein Bild verlangen, das sie besitzen, als sie wiederum bereit wären, für ein Bild ähnlicher Machart oder Qualität zu bezahlen.
Trauer im Käufer- und Verkäufertest
Die Forscher von der Carnegie Mellon University (CMU) untersuchten nun, welche Auswirkungen Trauer auf das menschliche Käufer- und Verkäuferverhalten hat.

Sie ließen eine Gruppe von Testpersonen eine Filmszene mit eher traurigem Inhalt ansehen, wie in einer Aussendung der CMU erläutert wird. Um ihren emotionalen Zustand noch zu verstärken, mussten die Probanden anschließend kurz darüber schreiben, wie sie sich in einer ähnlichen Situation wie im Film dargestellt fühlen würden.

Schließlich hatten die Testpersonen anschließend die Möglichkeit, ein Set an Textmarkern entweder zu verkaufen oder aber einen Preis festzulegen, den sie selbst dafür bezahlen würden. Die Kauf- bzw. Verkaufaktionen wurden dann tatsächlich durchgeführt.
Verkäufer gibt sich auch mit Weniger zufrieden
Das interessante Ergebnis: In ihrer traurigen Stimmung waren die Probanden dazu bereit, weniger Geld für das zu verkaufende Gut anzunehmen, als sie selbst zu zahlen bereit waren.

Die Forscher deuten dieses Verhalten als Hinweis darauf, dass Trauer ein implizites Bedürfnis verursacht, die jeweiligen Umstände zu ändern. Die einzelnen Personen verfügten also über eine größere Bereitschaft, Güter zu kaufen oder zu verkaufen - unabhängig vom Preis bzw. Wert des Objekts.

Wurden die Studienteilnehmer anschließend befragt, ob ihre Gefühle beim gerade stattgefundenen Entscheidungsprozess eine Rollte gespielt hatten, verneinten sie dies durchwegs.
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Teil II: Ekel drückt in jedem Fall den Preis
In einem zweiten Versuchsteil ließen die Forscher ihre Testpersonen einen Filmausschnitt ansehen, der Ekel hervorrufen sollte. Wieder mussten die Teilnehmer ihre Gefühle in einer ähnlichen Situation niederschreiben, wieder kam es anschließend zum Kauf bzw. Verkauf von Textmarkern.

Hier beobachteten die Wissenschaftler ein deutliches Abfallen des Preises - sowohl beim Kauf als auch beim Verkauf. Ihre Erklärung: Ekel bringt die Menschen dazu, das Objekt möglichst schnell loszuwerden - und wirkt sich gleichzeitig negativ auf ihre Kauflust aus. Der Preis fällt also in jedem Fall.
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"Kausaler Effekt auf das ökonomische Verhalten"
"Wir zeigen erstmals, dass zufällige Emotionen aus einer Situation einen kausalen Effekt auf das ökonomische Verhalten in einer anderen, scheinbar unverwandten Situation ausüben können", kommentiert Jennifer Lerner als Mitglied des CMU-Forscherteams die Ergebnisse.
Folgen auch für das wirkliche Leben
Solche Ergebnisse könnten zahlreiche Implikationen nach sich ziehen, wie die Wissenschaftler meinen. "Wir können nun dokumentieren, dass zufällige Emotionen selbst dann eine Rolle spielen, wenn es wirklich um Geld geht", so Lerner.

Damit ließen sich die ökonomischen Folgen von hochemotionellen Ereignissen - wie etwa der 11. September 2001, auf den die Forscher verweisen - in einem ganz anderen Licht betrachten. Je nachdem, welche Gefühle ausgelöst werden, könnte das Kaufverhalten dadurch - aus Sicht der Unternehmen - tatsächlich positiv beeinflusst werden.

Ökonomen müssten möglicherweise ihre Prognosen und Einschätzungen zur Entwicklung der Finanzmärkte anpassen, meinen die Forscher. Und nicht zuletzt könne man auf dieser Grundlage auch die Konsumenten besser "rüsten" - damit diese nicht abhängig von der Stimmung die falsche finanzielle Entscheidung treffen.
->   Department of Social and Decision Sciences der CMU
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01.01.2010