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Molekül steuert Isolierung von Nervenfasern  
  Um Signale schnell und verlässlich weiterleiten zu können, benötigen die Nervenfasern in unserem Körper eine Isolierschicht, die so genannte Myelinscheide. Die Stärke dieser Schicht ist allerdings immer direkt vom Durchmesser der Neuronen abhängig. Doch wie "wissen" die verantwortlichen Zellen, dass sie gerade eine dicke oder dünne Nervenfaser isolieren? Deutsche Forscher fanden nun ein Molekül, das genau diese Information vermittelt.  
Wie ein Wissenschaftlerteam des Max-Planck-Instituts für experimentelle Medizin um Klaus-Armin Nave berichtet, handelt es sich dabei um den so genannten Neuregulin-1-Faktor.

Je nachdem, wie viel von diesem Signal auf der Oberfläche von Nervenzellen hergestellt wird, desto stärker oder schwächer wachsen jene Zellen, welche die Myelin-Schutzschicht um die Nervenfasern bilden.
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Die Studie "Axonal neuregulin-1 regulates myelin sheath thickness" von Klaus-Armin Nave et al. erschien am 25.3.04 als Online-Publikation auf der Website des Fachmagazins "Science" (doi: 10.1126/science.1095862).
->   Zum Original-Artikel (kostenpflichtig)
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Isolierschicht wird von speziellen Zellen aufgebaut
Die Myelinschicht dient in unserem Nervensystem als ein elektrischer Isolator für die Ionenströme im Nervenzellfortsätzen, die auch Axone genannt werden. Diese Schicht ist unmittelbar für die hohe Geschwindigkeit der Reizweiterleitung verantwortlich.

Myelinscheiden entstehen durch die Tätigkeit so genannter Gliazellen sowohl entlang dünner als auch dicker Axone. Im peripheren Nervensystem sind es so genannte Schwannzellen, die sich spiralförmig um das Axon wickeln.

Die Dicke der dabei entstehenden Myelinscheide ist erstaunlicherweise immer proportional zur Dicke des umwickelten Axons selbst. Seit fast einhundert Jahren stellt man sich deshalb bereits die Frage, auf welche Weise die Schwannzellen "wissen" können, ob sie gerade ein dickes oder ein dünnes Axon umwickeln, um dann entsprechend unterschiedlich stark wachsen.
->   Mehr zur Myelinschicht bei www.gesundheit.de
Molekül zeigt an, wie dick eine Nervenfaser ist
Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin ist es nun gelungen, mit der Hilfe von transgenen Mäusen und Mausmutanten einen wichtigen Mechanismus dieser Axon-Glia-Kommunikation aufzudecken.

Danach stellen Nervenzellen einen Wachstumsfaktor, Neuregulin-1, her und präsentieren diesen auf der Oberfläche ihrer Nervenenden (Axone) den Myelin-bildenden Schwannzellen, den diese dann durch Rezeptorproteine erkennen.

Die Forscher stellten fest, dass es die Menge des Neuregulin-1-Faktors ist, die den Schwannzellen auf biochemischem Weg sagt, welchen Durchmesser das zu umwickelnde Axon hat. Denn dicke Axone haben eine größere Oberfläche mit mehr Neuregulin-1 als dünnere Nervenenden.
->   Mehr zu Neuregulin-1 bei der Human Protein Reference Database
Signal im Experiment verändert
 
Bild: Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin

In transgenen Mäusen wurde die Menge des Neuregulin-1-Signals durch eine Überexpression dieses Gens in Neuronen künstlich erhöht. Diese Fehlinformation führt zu einem übermäßigen Wachstum der Schwannzellen und einer krankhaft überhöhten Myelinbildung, wie sie in dieser elektronenmikroskopischen Aufnahme des Ischias-Nervs zu sehen ist.
Faktor beeinflusst Dicke der Isolierschicht
Verringert man nun in einer Mausmutante das Neuregulin-1-Signal experimentell auf die Hälfte, so erhalten die Myelin-bildenden Schwanzellen falsche Informationen über den Durchmesser des Axons.

Tatsächlich bilden sie in den Experimenten dann weniger Myelin, eben nur für ein kleinkalibrigeres Axon. Dadurch aber ist das dicke Axon schlechter isoliert und die Nervenleitgeschwindigkeit in dieser Mausmutante geht zurück.
Ähnliche Mechansimen im Gehirn vermutet
Die Forscher vermuten, dass sich auch im zentralen Nervensystem ein ähnliches Signalsystem zwischen Axonen und Gliazellen entwickelt hat und die Myelinbildung steuert. Das zu untersuchen ist Gegenstand ihrer nächsten Projekte.
Anwendung bei Multipler Sklerose möglich
Michael Sereda, Neurologe am Klinikum der Universität Göttingen und einer der Autoren der Studie, sagt: "Die Entdeckung dieses Wachstumsfaktors, der den Umfang der Myelinbildung im Nervensystem steuert, ist von grundlegender Bedeutung und weckt auch neue Hoffnungen."

Weitere Experimente sollen zeigen, ob man mit Neuregulin gezielt Reparaturprozesse im kranken Nervensystem unterstützen und für Therapien, zum Beispiel bei Multipler Sklerose, einsetzen kann. Doch bis dahin sei es noch ein langer Weg.
->   Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin
Mehr dazu im science.ORF.at-Archiv
->   Hirnforscher: Auch Sehen will gelernt sein (17.2.04)
->   Mit "flexiblen Proteinen" dem Gedächtnis auf der Spur (22.12.03)
->   Nervenzellen werden im Alter "langsamer" (19.8.03)
->   Das Stichwort Nervenzelle im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010