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ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Ursprung des Lebens: Doch die DNA?  
  Wie das Leben entstanden ist, wird man vermutlich niemals mit letzter Sicherheit sagen können. Allerdings kann man bestimmen, welche Molekülsorte als Kandidat für dieses Schlüsselereignis in Frage kommt. Die bisherige Meinung: DNA war es sicher nicht, denn sie ist chemisch zu träge. Neue Forschungen widerlegen nun diese Ansicht. Sie zeigen, dass unser Erbmolekül seine eigene Herstellung steuern kann - und zwar im Alleingang.  
Wie Ronald Breaker und seine Mitarbeiter von der Yale University berichten, kann die DNA gewisse katalytische Fähigkeiten entwickeln. Eine Eigenschaft, die man unter den Biomolekülen bisher nur der RNA und den Proteinen zugesprochen hat.
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Der Artikel "Ligating DNA with DNA" von Ronald R. Breaker et al. erschien im "Journal of the American Chemical Society" (Band 126, S. 3454-60, DOI: 10.1021/ja039713i).
->   Zum Originalartikel (kostenpflichtig)
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Präbiotik: Grundlegendes Dilemma
Bei der Suche nach dem aussichtsreichsten molekularen Kandidaten für den Ursprung des Lebens stößt die Forschung auf ein Dilemma.

Da gibt es zunächst die Proteine, die mittels ihrer Fähigkeit zur Katalyse alle erdenklichen chemischen Reaktionen in Gang setzen können. Nur lassen sich mit Proteinen keine Erbinformationen speichern.

Proteine existieren in der lebenden Zelle nur deswegen, weil das Erbmolekül DNA eine genetisch codierte Anweisung für die Herstellung der Eiweißkörper in sich trägt.
DNA braucht Proteine, Proteine brauchen DNA
Umgekehrt braucht die DNA auch die Proteine für ihre eigene Vervielfältigung, weil letztere als Enzyme die dafür entscheidenden chemischen Reaktionen auslösen.

Wie man es auch dreht und wendet: Beide Molekültypen sind aufeinander angewiesen und es ist sehr schwer vorstellbar, wie Leben einst nur aus Proteinen oder DNA allein entstanden sein konnte.
Lösung für das Henne-Ei-Problem
Einen Ausweg aus diesem klassischen Henne-Ei-Problem präsentierte der amerikanische Biochemiker Thomas Cech im Jahr 1981. Er konnte zeigen, dass die "kleine Schwester der DNA", die RNA, zwei Eigenschaften in sich vereint, die als essenziell für die Lebensentstehung angesehen werden.
RNA wirkt auch als Enzym
Die RNA kann nämlich nicht nur - wie auch die DNA - mittels ihres vier Buchstaben unfassenden genetischen Alphabets Informationen speichern.

Sie kann auch, wie Cech zeigte, biochemische Reaktionen antreiben. Das heißt, RNA-Moleküle entwickeln mitunter enzymatische Aktivität, man spricht dann von "Ribozymen".
->   Ribozyme bei Wikipedia
->   Nobelpreis 1989: "Für die Entdeckung der katalytischen Eigenschaften der RNA"
Das Konzept der RNA-Welt
Aus dieser Erkenntnis entstand das Bild der so genannten RNA-Welt: Gemäß dieser Auffassung sollten die ersten Moleküle, die zur Vermehrung und Mutation fähig waren, aus einer Ursuppe entstanden sein, in der sich primär RNA-Moleküle tummelten.

Damit war die DNA aus dem Rennen um die geeignete Molekülsorte für den Übergang von der Chemie zur Biologie. Ist sie doch, so die bisherige Meinung, ein langweiliges und nachgerade hilfloses Molekül, wenn sie nicht von Enzymen unterstützt wird.
->   Renee Schröder: Die RNA-Welt (5.2.01)
Die DNA ist gar nicht so fade
Ronald Breaker und seine Mitarbeiter von der Yale University revidierten nun dieses langweilige Image der DNA.

Bereits vor einigen Jahren konnten sie zeigen, dass sich durch Evolution im Reagenzglas auch so genannte Deoxy-Ribozyme herstellen lassen: Einsträngige DNAs, die enzymatisch aktiv sind. Solche Moleküle können z.B. DNA schneiden oder an diese Phosphatgruppen anhängen.
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Zu diesem Thema erschienen etwa die Artikel "Phosphorylating DNA with DNA" und "Cleaving DNA with DNA" von R. Breaker et al. in der Zeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS).
->   Weitere Artikel von Breaker zu diesem Thema
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DNA-Enzyme produzieren DNA-Stränge
Das ist zwar gut und schön, aber für die Entstehung des Lebens waren diese Erkenntnisse nur am Rande relevant. Denn: Wenn die DNA in diesem Szenario eine Rolle gespielt hat, dann muss zunächst erklärt werden, wie sie überhaupt unter den öden und unwirtlichen Bedingungen der Urzeit entstehen konnte.

Ein Schritt in diese Richtung gelang nun Breaker und Kollegen in ihrer aktuellen Publikation: Sie stellten durch künstliche Zyklen von Mutation und Selektion DNA-Stücke her, die enzymatisch aktiv sind. Kombinierten sie zwei davon miteinander, dann hefteten die Deoxy-Ribozyme tatsächlich DNA-Bausteine aneinander.
Gemütliche Ursuppe
Diese wichtige Rolle übernimmt in der lebenden Zelle das Enzym DNA-Polymerase. Allerdings um einiges effektiver: Das Eiweißmolekül schafft in der selben Zeitspanne 100.000 mal mehr solcher Umsetzungen. Rein chemisch betrachtet muss es in der Ursuppe also recht gemütlich zugegangen sein.

Auch wenn damit bei weitem nicht alle Probleme in diesem Themenbereich gelöst sind, sieht Ronald Breaker die DNA zumindest rehabilitiert. Für ihn ist die DNA wieder ein ernstzunehmender Kandidat für die Suche nach den Urmolekülen des Lebens.

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Website von Ronald Breaker (Yale University)
->   Origins of Life Links (NASA)
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Lehm: Der Ursprung des Lebens? (24.10.03)
->   Binäre RNA - Urform des Lebens? (18.12.02)
->   Kontroverse Theorie zur Entstehung von Leben (4.12.02)
->   Ein biochemisches Fossil aus der "RNA-Welt" (22.10.02)
 
 
 
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01.01.2010