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Kühe als Bioreaktoren für Krebs-Medikamente  
  Antikörper spielen mittlerweile auch in der Krebstherapie eine Rolle. Als besonders vielversprechend gelten hier so genannte bispezifische Antikörper: Die Eiweißstoffe binden nicht nur an Tumorzellen, sondern gleichzeitig auch an Immunzellen des Körpers, die anschließend die Krebszellen abtöten können. Doch die Produktion dieser maßgeschneiderten Proteine ist nicht ganz einfach. Wiener Forscher schlagen nun eine elegante Lösung vor: geklonte Kühe, die als "Bioreaktoren" fungieren - und die erwünschten bispezifischen Antikörper in ausreichender Menge in ihrem Blut bilden.  
Die Wissenschaftler von der Veterinärmedizinischen Universität Wien haben gemeinsam mit deutschen Kollegen bereits neun speziell für diesen Zweck geklonte Kühe geschaffen.

Aus dem Blut der Tiere wurden die erwünschten Antikörper isoliert und ihre Wirkung in Versuchen an Zellkulturen nachgewiesen, wie die Forscher in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" berichten.
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Die Studie erscheint unter dem Titel "Cloned transgenic farm animals produce a bispecific antibody for T cell-mediated tumor cell killing" zwischen 19. und 23. April 2004 als "PNAS Online Early Edition" (doi:10.1073/pnas.0308487101).
->   PNAS Online Early Edition
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Antikörper als Signalgeber des Immunsystems
Die von bestimmten weißen Blutkörperchen gebildeten Antikörper sind an sich eine feine Sache. Die Eiweißmoleküle erkennen körperfremde Strukturen - etwa auf der Oberfläche von Bakterien - und heften sich an diese so genannten Antigene.

Damit geht ein Signal an das Immunsystem: Zellen der körpereigenen Abwehrmaschinerie werden aktiviert, greifen die unerwünschten Eindringlinge an und machen sie im Idealfall unschädlich.
Krebszellen: Mutierte Körperzellen
Krebszellen sind allerdings keine Eindringlinge im herkömmlichen Sinn, sondern vielmehr mutierte Körperzellen.

Unterscheiden sich die Tumorzellen nicht ausreichend von gesunden Körperzellen, werden sie in der Regel nicht als "Feinde" erkannt. Das Immunsystem "übersieht" die bösartigen Zellen einfach.

Und selbst wenn es gelingt, via speziell im Labor konstruierter (so genannter monoklonaler) Antikörper die Tumorzellen zu erreichen, ist die Wirkung - aus verschiedenen Gründen - meist eingeschränkt.

Monoklonale Antikörper (www.krebsinformation.de)
Bispezifische Antikörper als Weiterentwicklung
Eine Möglichkeit, die Wirkung der Eiweißstoffe zu verstärken, sind allerdings so genannte bispezifische Antikörper. Die künstlich erzeugten Proteine besitzen im Gegensatz zu ihren natürlichen Pendants zwei unterschiedliche Bindungsstellen.

Die elegante Methode der Krebsbekämpfung sieht dann folgendermaßen aus: Ein "Arm" des Antikörpers bindet an die Tumorzellen, der zweite aber heftet sich an Strukturen auf der Oberfläche von Immunzellen. Dank der räumlichen Nähe machen die körpereigenen "Waffen" den Krebszellen den Garaus.
Problem: Teure und schwierige Produktion
Bei der Produktion solcher bispezifischer Eiweißstoffe kommt es allerdings immer wieder zu Problemen.

Sowohl Quantität als auch Stabiltität etwa der in Säugetier-Zellkulturen gewonnenen Proteine ließen häufig zu wünschen übrig, schreiben die Wiener Forscher in den PNAS. Hinzu kommen demnach die teils immensen Kosten.
"Gen-Zucht" in Nutztieren als Lösung?
Der Prozess der "Gen-Zucht" (gene farming) könnte nun Abhilfe schaffen, wie die Wiener Forscher unter der Leitung von Gottfried Brem vom Institut für Tierzucht und Genetik der Vetmed meinen.

Ihr Ansatz: Kühe dienen als "Bioreaktoren" für die Produktion von bispezifischen Krebs-Antikörpern im großen Maßstab.
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Neun Klon-Kühe als lebende "Bioreaktoren"
Die Forscher kombinierten zunächst zwei Gene, die jeweils für unterschiedliche Antikörper kodierten. Eiweißstoff Nummer eins richtet sich gegen menschlichen Hautkrebszellen, Antikörper Nummer zwei besitzt wiederum eine Bindungsstelle für das CD28-Oberflächenmolekül von T-Lymphozyten. Die solchermaßen entstandene genetische Sequenz wurde in das Genom von embryonalen Kuhzellen eingebracht.
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Maßgeschneiderter Antikörper "r28M"
Insgesamt neun Klon-Kühe entstanden schließlich auf diese Weise. Und die Tiere taten genau das, was sich die Forscher erhofft hatten: Sie produzierten die maßgeschneiderten bispezifischen Antikörper ("r28M" genannt) in großer Zahl.
Im Laborversuch höchst effektiv
Die begehrten Eiweißstoffe wurden aus dem Tierblut isoliert und gereinigt - und erwiesen sich anschließend im Laborversuch als höchst effektiv, wie die Forscher in den PNAS berichten.

In-vitro-Versuche an menschlichen Zellkulturen zeigten demnach, dass die Antikörper ihr Ziel - die Melanomzellen - erkannten und erfolgreich dessen Zerstörung durch Immunzellen einleiteten. Zudem sind die Proteine nach Angaben der Forscher höchst stabil.

"Der hier beschriebene Gen-Zucht-Ansatz unterstreicht die Tatsache, dass Blutzellen dazu angeleitet werden können, hohe Konzentrationen voll aktiver therapeutischer Moleküle zu produzieren, die sonst schwierig zu exprimieren sind", schließen die Forscher ihren Bericht in den "PNAS". Die Gesundheit der Tiere wird im Übrigen nach Angaben der Forscher nicht beeinträchtigt.
->   Institut für Tierzucht und Genetik der Vetmed Wien
->   Mehr über Antikörper im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010