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Physiologen untersuchen "Explosionen" in Lunge  
  Innsbrucker Physiologen sind den Rätseln der Funktionsweise unseres Atmungsorgans auf der Spur und untersuchen derzeit "Explosionen" in der Lunge - mit Hilfe einer neu entwickelten Versuchsanordnung.  
Mit dem Modell der Forscher vom Institut für Physiologie und Balneologie der Universität Innsbruck sollen unter anderem die Auswirkungen von Medikamenten oder Schadstoffen überprüft und damit eine theoretische Grundlage für therapeutische Maßnahmen erhalten werden.
Schutzfilm der Lunge unter der Lupe
Die Oberfläche der Lungenbläschen (Alveolen), in denen der Gasaustausch stattfindet, hat insgesamt die Fläche eines Tennisplatzes (etwa 100 Quadratmeter). Trotzdem enthalten sie nur wenige Liter Luft.

Ein sehr feines Geflecht also, das physikalisch gesehen im Grenzbereich des Möglichen arbeitet. Die Lunge würde kollabieren, oder sich mit Wasser füllen, gäbe es kein surface active agent (Surfactant), das an der Grenze zwischen Luft und Wasser einen Schutzfilm bildet und eben dies verhindert.

Obwohl dieses "Material", eine kompakte Mischung aus Fett und Protein, an Ort und Stelle seiner Wirkung entsteht, hat sich die Entschlüsselung der Mechanismen, wie es zu dieser Wirkungsweise kommt, hartnäckig jeder direkten Beobachtung entzogen.
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Die menschliche Lunge
Der Vorgang ist lebensnotwendig - und läuft doch in aller Regel völlig unbewusst ab: die Atmung. Zentrales Organ hierfür ist die Lunge mit ihren beiden Flügeln, die neben dem Herzen liegen und nach unten hin vom Zwerchfell begrenzt werden. Im Detail betrachtet stellt sich die Struktur weitaus komplexer dar: Die große Luftröhre, die den Sauerstoff zur Lunge transportiert, gabelt sich auf in die beiden Hauptbronchien, die sich wiederum immer weiter verzweigen in die Bronchiolen. Ganz am Ende des Systems stehen schließlich kleine von Blutgefäßen umgebene Bläschen - hier findet der eigentliche Gasaustausch statt, der den Körper über die Blutbahn mit Sauerstoff versorgt.
->   Mehr zur Anatomie der Lunge (www.medicine-worldwide.de)
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Einfache Versuchsanordnung zur Untersuchung
Von den Innsbrucker Physiologen Thomas Haller und Paul Dietl wurde nach Angaben vom Mittwoch nun ein Verfahren entwickelt, wie diese Mechanismen mit einer einfachen Versuchsanordnung untersucht werden können.

Laut Haller sei es schwierig, wenn nicht unmöglich gewesen, eine Alveole mit ihrer Wasser-Luft-Grenzfläche überhaupt zu untersuchen.
Der Zufall brachte die Lösung
Durch Zufall sei er dann auf eine machbare Lösung gestoßen: er habe mit einer Lochblende hantiert, die mit Wasser benetzt war. Ähnlich einem Wassertropfen, der auf Grund der Oberflächenspannung am Wasserhahn hängen bleibe, habe sich an der Unterseite dieser Blende eine plane und stabile Wasseroberfläche gebildet.

Ein eigentlich banales Ereignis, das die Wissenschaftler aber auf die entscheidende Idee gebracht habe, diesen Effekt für ein Modell einer Alveole zu benutzen. Entstanden sei dann eine speziell angefertigte Kammer, die mit so genannten Typ II-Zellen überschichtet werden könne, den Zellen also die für die Produktion und Freisetzung von Surfactant verantwortlich sind.

Surfactant wurde gleichzeitig durch ein eigens entwickeltes Verfahren markiert, damit er mit dem Mikroskop sichtbar wird.
Verhalten von Surfactant an der Grenze
Die Innsbrucker Wissenschaftler wollten nun klären, wie sich Surfactant an der Wasser-Luft-Grenze verhält. Bisher wusste man einiges über seine chemische Zusammensetzung, wenig jedoch über die Vorgänge selber, die zu seiner Aktivierung führen.

Dank ihres künstlichen Alveolus konnten die Physiologen nun nachweisen, dass es sich dabei um einen rein physikalischen Vorgang handelt. Die Partikeln wandern durch die Poren der Typ II-Zellen, wobei sie geradezu durchgeknetet werden und gelangen in den wässrigen Raum, der die Lunge innen überzieht.
Oberflächenveränderung führt zur "Explosion"
Hier werden sie angereichert und verharren sozusagen in einer Warteposition. Verändert sich die Oberfläche, beispielsweise durch die Ausdehnung während der Einatmung, erreicht Surfactant die Wasser-Luft-Grenze und explodiert regelrecht, wenn er sie durchbricht.

Dabei bildet sich der lebenswichtige Film, der, wie ein Damm, die Wasserfläche wieder stabilisiert. Somit war klar, dass kein langwieriger enzymatischer Aufschluss diesen Vorgang steuert, sondern eben die Physik herangezogen werden muss um diese Prozesse zu verstehen.
Fehlfunktionen der Lunge können simuliert werden
Besonders interessant sei, dass nun eine Versuchsanordnung zur Verfügung stehe, mit der verschiedenste Fehlfunktionen in der Lunge simuliert und mit der auch entsprechende Gegenmaßnahmen ausprobiert werden könnten.
->   Institut für Physiologie und Balneologie der Universität Innsbruck
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01.01.2010