News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 
Weltweit erste Banküberweisung mit Quantenkryptographie  
  Noch ist die so genannte Quantenkryptographie - die sichere Verschlüsselung von Datenübertragungen durch Zuhilfenahme von Quantenphänomenen - fest in Händen hochspezialisierter Wissenschaftler. Am Mittwoch allerdings hat Anton Zeilinger vom Institut für Experimentalphysik der Uni Wien in Zusammenarbeit mit ARC Seibersdorf research einen Vorgeschmack auf praktische Anwendbarkeit seiner Forschungen demonstriert: Die Physiker führten die weltweit erste quantenkryptographisch verschlüsselte Banküberweisung durch.  
So genannte verschränkte Photonen (Lichtteilchen) für die Quantenkryptographie einzusetzen hat mehrere Vorteile.
Zufällige Schlüssel, Empfindlichkeit der Systeme
Zum einen garantiert die Natur der einzelnen Quanten absolut zufällige Schlüssel - etwa Abfolgen von Nullen und Einsen.

Die Technologie kann auch so eingesetzt werden, dass die Abfolgen zur Entschlüsselung einer bestimmten Nachricht gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten entstehen und dann nicht mehr übertragen werden.

Ein weiterer großer Vorteil ist die Empfindlichkeit der Quantensysteme, so würde ein Lauscher die Sache unweigerlich stören und könnte sofort ertappt werden.
...
Überweisung im Auftrag der Stadt Wien
Die Physiker führten die weltweit erste quantenkryptographisch verschlüsselte Banküberweisung im Auftrag der Stadt Wien vom Wiener Rathaus in eine Filiale der Bank Austria Creditanstalt (BA-CA) durch. An der Ausführung beteiligt war auch die WKA-Wien Kanal.
...
Zunächst Verschlüsselung in der Schottengasse
Für die Verschlüsselung - nicht die Überweisung - am Mittwoch fungierte die BA-CA-Filiale in der Schottengasse in Wien - Innere Stadt als Sendestation. Dort erzeugte ein Laser die beiden verschränkten Lichtteilchen in einem Kristall.
Mit Hilfe des "one time pad"-Verfahren
Bild: APA
Anton Zeilinger (links) demonstriert gemeinsam mit dem Wiener Bürgermeister Michael Häupl die Banküberweisung.
Eines der Photonen wurde in ein Glasfaser-Datenkabel eingespeist und in Richtung Rathaus geschickt, das andere verblieb in der Bank. Sowohl beim Empfänger wie auch beim Sender wurden dann die Zustände der Teilchen gemessen und in eine Folge von Nullen und Einsen als Code umgewandelt.

Die Verschlüsselung der Nachricht erfolgt bei dieser Methode über das so genannte "one time pad"-Verfahren.

Dabei ist der Schlüssel genau so lange wie die Nachricht (also die Banküberweisung) selbst. Die Nachricht wird Bit für Bit mit dem Schlüssel verknüpft und anschließend durch die Glasfaser übertragen. Auch die Entschlüsselung erfolgt Bit für Bit, ohne den Schlüssel kann die Nachricht nicht gelesen werden.
Code entstand innerhalb von einer Minute
In der Praxis sieht die Sache nicht viel anders aus, als eine herkömmliche Computerüberweisung an eine Bank. Neu am elektronischen Erlagschein ist lediglich ein Feld, das lautet: "Code generieren".

Die Forscher waren sich ihrer Sache am Mittwoch so sicher, dass sie für ihre Demonstration eine echte Überweisung durchführten. Nach Aktivierung setzte sich das Codierungssystem in der BA-CA in Betrieb, gleichzeitig in der Filiale wie im Rathaus - also am Ort der Online-Überweisung - entstand innerhalb von rund 30 Sekunden der Verschlüsselungscode.
Überweisung erfolgreich, 3.000 Euro für die Uni
Grafik: APA, Quelle: APA/Institut für Experimentalpyhsik
Wenige Sekunden nach der erfolgreichen Verschlüsselung konnten die Forscher die erfolgreiche Überweisung verkünden, die Bank Austria Creditanstalt (BA-CA) hatte dazu der Universität Wien eine Spende von 3.000 Euro zukommen lassen.

Zufrieden gab sich Anton Zeilinger auch mit der noch relativ hohen Fehlerrate bei der Verschlüsselung von sechs Prozent, die durch die Technik bedingt sind.

Entscheidend war lediglich, dass die Fehlerquote unter 11,4 Prozent lag. Die Physiker hatten nämlich errechnet, dass sich mit einem höheren Wert ein Lauscher verraten hätte.

Das Quantensystem zur Verschlüsselung ist tatächlich so empfindlich, dass es durch einen Spion auf jeden Fall gestört wird. In der Praxis werden daher Teile der auf beiden Seiten entstehenden Codes sofort durch eine Software kontrolliert und notfalls die Übertragung sofort gestoppt.

Grafik rechts: Schematische Dartellung der Erzeugung von "verschränkten" Photonen, Anwendung zur Daten-Verschlüsselung.
Noch einige Jahre bis zur Serienreife
So klaglos die quantentechnisch - über verschränkte Lichtteilchen - verschlüsselte Überweisung auch funktionierte, ein paar Jahre werden die Banken noch auf herkömmliche Verschlüsselungen zurück greifen müssen.

Die Wissenschaftler der ARC Seibersdorf und der Uni Wien schätzen, dass die Serienreife der Innovation noch wenigsten sechs bis acht Jahre dauern wird.
...
Kritik vom Seibersdorf-Geschäftsführer Erich Gornik
Seibersdorf-Geschäftsführer Erich Gornik kritisierte im Rahmen der Präsentation, dass die Weiterentwicklung der Quantenkryptographie mittels verschränkten Photonen nun in einem EU-weiten Projekt unter der Leitung von Zeilinger fortgeführt wird. Um nach einer möglichen Entwicklung der Innovation zur Serienreife auch von der Vermarktung maßgeblich profitieren zu können, hätte man seitens Österreich "ein wenig tiefer in die Tasche greifen" und die Sache ohne internationale Beteiligung betreiben sollen.
...
"Abhörsicherheit als Naturgesetz"
Für Zeilinger ist es nur eine Frage der Zeit, bis etwa Banken auf die Quantenkryptographie zur Verschlüsselung zurück greifen müssten. Alle anderen Verfahren, die derzeit eingesetzt werden, sind nach Ansicht des Physikers theoretisch knackbar und würden somit auch irgendwann unsicher. Nur die Quantentechnologie verspreche Abhörsicherheit als Naturgesetz.

In Japan würden derzeit mehrere Verfahren zur Quantenkryptographie von einzelnen Firmen konkurrierend entwickelt. Allerdings würden diese nicht mit dem von Zeilinger favorisierten Phänomen der verschränkten Photonen, sondern mit primitiveren Verfahren arbeiten.

"Wir arbeiten am Mercedes oder Rolls Royce der Verschlüsselungssysteme", ist der Physiker überzeugt.
->   Institut für Experimentalphysik der Universität Wien
->   ARC Seibersdorf research
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Quantenkommunikation: Erstmals im freien Raum (20.6.03)
->   Verschränkung liegt in der Luft (20.6.03)
->   Weitere Beiträge von science.ORF.at-Host Anton Zeilinger
->   Alles zum Stichwort Quanten in science.ORF.at
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010