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Das Gehirn lernt auch aus den Fehlern anderer  
  Im Allgemeinen gilt "Learning by Doing" als die beste Methode, um sich bestimmte Fähigkeiten anzueignen. Und dabei kann der ein oder andere Fehler durchaus hilfreich sein. Doch das Gehirn lernt offenbar auch durch die reine Beobachtung anderer Personen, denen ein solcher Irrtum unterläuft. Niederländische Forscher haben die Gehirnaktivität von Probanden bei einem Test untersucht und dabei die gleichen "Fehlermuster" gefunden - ganz egal, ob den Testpersonen selbst der Fehler unterlief oder sie anderen dabei zusahen.  
Die Wissenschaftler um Hein van Schie und Rogier Mars vom Institut für Kognition und Information der niederländischen Universität Nijmegen ließen eine Reihe von Probanden Reaktionstests ausführen - und maßen gleichzeitig ihre Gehirnaktivität.

Die Ergebnisse der Forscher sind im Fachmagazin "Nature Neuroscience" erschienen.
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Die Studie ist unter dem Titel "Modulation of activity in medial frontal and motor cortices during error observation" am 25. April 2004 als "Advanced Online Publication" (AOP) von "Nature Neuroscience" erschienen (doi: 10.1038/nn1239).
->   AOP in "Nature Neuroscience"
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Aus Fehlern kann man lernen
Fehler sind völlig alltägliche Ereignisse - und gelten zudem als eine ausgezeichnete Quelle des Lernens.

Obwohl einen Fehler zu begehen im Allgemeinen als negatives Erlebnis betrachtet werde, seien Irrtümer äußerst wichtig für das Lernen und die Anpassung zukünftigen Verhaltens, schreiben denn auch die niederländischen Forscher.
Nicht nur durch "Learning by Doing"?
Dass man selbst also aus den Fehlern lernt, die einem in bestimmten Situationen unterlaufen mögen, scheint einleuchtend. Wie aber sieht es aus, wenn man eine andere Person dabei beobachtet?

Dieser Frage gingen die Wissenschaftler nun mit Hilfe Bild gebender Methoden auf den Grund. Sie ließen die Probanden zunächst eine einfache Aufgabe am Computer ausführen, während sie mit jeweils 47 Elektroden ihre Hirnströme maßen.
Aufgabe: Pfeilrichtung anzeigen
Bild: Nature Neuroscience
Die Testpersonen saßen vor dem Bildschirm, auf dem in kurzen Abständen Pfeile aufleuchteten, die entweder nach rechts oder nach links zeigten. Die Pfeilrichtung musste jeweils durch Druck auf einen Hebel mit der rechten oder linken Hand angegeben werden.

Nach jedem Durchgang wurde den Probanden mitgeteilt, ob sie das Ergebnis richtig oder falsch angezeigt hatten. Im zweiten Teil des Experiments beobachteten die Probanden schließlich andere Versuchsteilnehmer bei der gleichen Aufgabe.

Rechts im Bild die Versuchsanordnung: Der schematische Überblick zeigt den vor dem Bildschirm sitzenden Akteur (unten) sowie seinen Beobachter (oben).
Gehirnströme zeigen gleiche "Fehler-Muster"
Eine falsche Reaktion zeigte sich den Ergebnissen der Wissenschaftler zufolge auch deutlich in der Gehirnaktivität der Probanden - und zwar unabhängig davon, ob sie selbst den Fehler begingen, oder lediglich die anderen dabei beobachteten.

Sobald die Versuchsteilnehmer den Irrtum registrierten, wurde demnach ein unverkennbares elektrisches Signal beobachtet: im Bewegungszentrum des Gehirns ebenso wie im so genannten vorderen cingulären Cortex (anterior cingulate cortex, kurz ACC).
Lernen häufig im sozialen Umfeld
Die Rolle des ACC bei der Verarbeitung von Fehlern im Rahmen von Lernvorgängen (Stichwort "negatives Feedback") wurde zwar zuvor bereits in einer Reihe von Studien nachgewiesen.

Doch wie die Forscher nun in "Nature Neuroscience" schreiben, sei die Rolle des ACC beim Lernen meist unter Bedingungen der individuellen Testleistung untersucht worden. "Lernen erfolgt jedoch häufig in einem sozialen Umfeld", heißt es dazu in der Studie.

Sie verweisen auf die - altbekannte - Tatsache, dass auch Kinder aus Beobachtungen und Imitationen lernen - "Prozesse, die für die Entwicklung ihrer kognitiven motorischen Fähigkeiten als entscheidend erachtet werden".
Beobachtung ähnlich dem "Learning by Doing"
Ihre Ergebnisse würden nun nahe legen, so die Schlussfolgerung der Wissenschaftler, dass bei der Kontrolle der eigenen Handlungen ähnliche neurale Mechanismen involviert seien, wie bei der Beobachtung von anderen Personen.

Mit anderen Worten: Beobachtungen könnten einen ähnlichen Lerneffekt haben wie das klassische "Learning by Doing".
->   Nijmegen Institute for Cognition and Information
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01.01.2010