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Überfischung beeinflusst Evolution des Kabeljaus  
  Der Kabeljau gehört zu den beliebtesten Speisefischen. Durch Überfischung sind die Bestände allerdings an vielen Orten - darunter auch in den EU-Fanggebieten - massiv eingebrochen. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Fischerei, sondern auch auf die Tiere selbst: Sie werden zunehmend kleiner und früher geschlechtsreif.  
Wie aus einer am Laxenburger International Institute for Applied Systems Analyses (IIASA) durchgeführten Studie hervorgeht, greift der Mensch damit massiv in die Evolution ein. Die Untersuchungen des Biologen Esben Olsen, derzeit an der Universität von Oslo tätig, und Kollegen wird in "Nature" veröffentlicht.
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Die Studie ist unter dem Titel "Maturation trends indicative of rapid evolution preceded the collapse of northern cod" in "Nature" (Bd. 428, S. 932, Ausgabe vom 29. April 2004) erschienen.
->   Original-Abstract in "Nature"
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Fische werden kleiner und früher geschlechtsreif
Olsen: "Der 'nördliche' Kabeljau, der Populationen des atlantischen Kabeljau (Gadus Morhua) vor dem südlichen Labrador und dem östlichen Neufundland umfasst, war hunderte Jahre lang die Basis für die Fischerei. Allerdings, in den späten achtziger und neunziger Jahren erlebte er einen der dramatischsten Rückgänge, die in der Geschichte des Fischfangs beobachtet wurden. Die kanadische Regierung verbot den Fang des 'nördlichen' Kabeljau im Juli 1992. Aber auch nach dem ein Jahrzehnt dauernden Moratorium blieb die Populationsgröße auf einem historisch niedrigen Niveau. Wir zeigen, dass sich bis zum Aussetzen des Fanges der Kabeljau-Bestand in Richtung kleinerer und früher geschlechtsreif werdender Exemplare entwickelte."
Deutliche Unterschiede
Die Veränderungen der Evolution der Tiere seien bereits vor diesen drastischen Einbrüchen zu dokumentieren, so Olsen. Im Detail geht es um Veränderungen des Eintritts der Geschlechtsreife der Fische. Kabeljaue (Gadus morhua) vor der Ostküste Kanadas erreichten die Geschlechtsreife im Jahr 1980 mit durchschnittlich sechs Jahren, 1987 mit durchschnittlich fünf Jahren, berichtet der Wissenschaftler.
->   Mehr über Gadus morhua
Evolution begünstigt frühe Geschlechtsreife
Die Erklärung für das Phänomen ist relativ einfach: Durch die starke Befischung des Kabeljaus ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Tiere ein höheres Alter erreichen, drastisch gesunken. Dadurch haben - statistisch gesehen - jene Tiere einen entscheidenden Vorteil, die zufällig in ihrer Genetik zur früheren Geschlechtsreife neigen. Varianten, die später geschlechtsreif werden, sterben aus oder werden jedenfalls zurück gedrängt.
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Ähnliche Entwicklungen auch bei Schafen
Ähnliche Einflüsse menschlichen Handelns wurden in jüngster Zeit durch Wissenschaftler auch bei anderen Tierarten belegt. So erschien im Dezember 2003 eine Studie in "Nature", wonach die nordamerikanischen Dickhornschafe am kanadischen Ram Mountain (Provinz Alberta) immer kleinere Hörner und ein immer geringeres Gewicht aufwiesen. Die offenbare Ursache: Intensive Jagd nach Trophäen durch die Weidmänner hatte zu einer Selektion in Richtung kleinerer Tiere geführt.
->   Evolution: Schafsjagd lässt Hörner kleiner werden (10.12.03)
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Frühwarnsystem für Fischerei-Manager?
Das Faktum, dass die Fischerei offenbar massiv in die Evolution der Arten eingreift, werde in Zukunft in die fischereibiologischen Überlegungen einfließen müssen.

Olsen: "Wir schlagen vor, dass Fischerei-Manager unsere Methode als Frühwarnsystem benutzen, bevor ein Rückgang der Fischpopulationen evident wird." Es gebe immerhin Hinweise dafür, dass sich die katastrophale Entwicklung der Kabeljau-Bestände vor Kanada seit 1993/94 stabilisiert oder eventuell sogar umgekehrt habe.
->   IIASA
->   Mehr über den Kabeljau (lebensmittellexikon.de)
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   EU-Minister beschließen "Kabeljau-Rettungsplan" (19.12.03)
->   Bedrohte Fische: Hotspots der Artenvielfalt entdeckt (5.8.03)
->   Fangmethoden bedrohen die Fischerei (17.2.03)
->   Moderne Fischerei und ihre Folgen für die Evolution (5.7.02)
 
 
 
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01.01.2010