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Die EU-Erweiterung: Ökologisch betrachtet  
  Zehn Länder erweiterten am 1. Mai 2004 die Europäische Union. Aus ökologischem Blickwinkel bedeutet das: Riesige Wälder und die grünen Berge der Karpaten, Sanddünen und Sümpfe, die Baltische See und Inseln des Mittelmeers, Tiefebenen und die Auwälder von March, Donau und Drau sowie die reichhaltige Kulturlandschaft Ostmitteleuropas bringen eine große grüne Vielfalt. Dazu kommen aber auch Altlasten aus Schwerindustrie, Abfallprobleme und Energiewirtschaft.  
Landschaftliche Großzügigkeit
Das Land scheint endlos: Birkenwälder, Kiefern, Teichlandschaften in Schilf und Sanddünen. Es ist die Weite, die Leere, die Abgeschiedenheit der Karpaten, die unberührte Küste Lettlands an der Baltischen See - kurzum die landschaftliche Großzügigkeit, die in die Europäische Union und damit näher zu uns rücken wird. Großzügig war in den vergangenen Jahrzehnten auch der Umgang damit.
Der wilde Osten
Bild: EPA
Baltische See
Im Gegensatz zu der kleinräumig strukturierten Kulturlandschaft Westeuropas, zur dichten Besiedelung a la Niederlande, kommt ein weites, wildes Element in die EU. Wölfe, Bären, Wisente, Luchse - Tiere, die in Westeuropa längst ausgestorben sind und teilweise unter großem Aufwand wieder angesiedelt wurden, sind Sinnbild für den wilden Osten.

So grün die Landstriche der Masuren in Polen und der Sumava in Tschechien, der Auwälder an der Drau im slowenisch-kroatisch-ungarisch-österreichischen Grenzgebiet sind, so grau erscheinen die Plattenbausiedlungen in den Städten, die niedergekommenen Industrieanlagen in Polen und östlich von Kosice (Kaschau) in der Slowakei.
Schwierige Umsetzung der Umweltrichtlinien
Die Umweltbelange gehören zu den 31 verhandelten Punkten, die zuerst erhoben und dann in so genannten "Screenings" verglichen und schließlich verhandelt wurden. Richtlinien sind angenommen, Übergangsbestimmungen ausgehandelt. Aber in vielen neuen Mitgliedsstaaten gibt es eine unzureichende Verwaltungskapazität auf allen Ebenen für die Umsetzung und Durchführung der EU-Umweltrichtlinien.
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Beispiel Slowakei
Vergangenes Jahr wurde beschlossen, 362 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Umweltministerium, -inspektorat sowie Regional- und Bezirksstellen aufzunehmen. Da es im Gegensatz zur Privatwirtschaft keine attraktive Bezahlung gibt, besteht weiterhin das Problem, die Posten mit qualifizierten Kräften zu besetzen. Ein schlecht bezahlter Beamter öffnet die Kanäle der Korruption, wie zum Beispiel bei Genehmigungen von Bauland, Abfall- und Abwasserentsorgung usw.
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Ökologie - ein ökonomischer Luxus
Ökologie wird als Luxus angesehen, der die ökonomische Entwicklung behindert. Und die aktuellen EU-Richtlinien gelten vielen als maximaler Standard, der in weiterer Zukunft nicht verbessert oder hinterfragt werden muss. Die Diskussion über Umweltthemen in der breiten Öffentlichkeit der neuen EU-Mitgliedsländer wird meist im negativen Kontext geführt und generell an ihren Kosten gemessen.

Andererseits ist die Jugend Osteuropas in Umweltfragen höher motiviert, während im Westen Umweltfragen nicht mehr mit dem Engagement behandelt werden wie in den 1980er Jahren.
Verbesserungen der Luft- und Wasserqualität
Die gute Nachricht zuerst: Die EU-Richtlinien werden den neuen Ländern signifikante Verbesserungen der Luft- und Wasserqualität bringen. Davon profitiert Österreich. Österreich "importiert" derzeit einen Großteil der Immissionen. Besonders deutlich wird das beim Schwefel, wo nur fünf Prozent hausgemacht sind. In die EU werden zusätzlich 19 Atomreaktoren kommen, vier von ihnen werden aus Sicherheitsgründen geschlossen.
Gefahr von Pestiziden vor allem in Polen
Pestizid-Altlasten werden weltweit auf einige hunderttausend Tonnen geschätzt, in den Entwicklungsländern sollen es mehr als 100.000 Tonnen sein. Besonders drastisch stellt sich in Europa die Lage in Polen dar: Die Bestände an giftigen Altlasten werden mit 65.000 Tonnen angenommen.
Ölschieferindustrie in Estland
Auch in den baltischen Staaten ist die Belastung mit teils unbekannten toxischen Stoffen hoch. Die Ölschieferindustrie in Estland produziert gefährlichen Müll, wobei nur ein Bruchteil der Abfälle behandelt wird. Der Rest gelangt unbehandelt auf eine der 450 Mülldeponien.

Diese sind nicht viel mehr als einfache Gruben, aus denen Gifte in das Erdreich und Grundwasser gelangen. Das Erfassen und die Entsorgung der Altlasten wird in Zukunft begonnen werden müssen, wobei beim Verbrennen Dioxin entsteht.
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Müll in Malta, Altöl in der Baltischen See
Müllprobleme hat auch Malta. Maghtab heißt der Müllberg von Malta und weist eine beachtliche Höhe auf. Für die baltische See (Ostsee) gehört neben der Verklappung von Altölen die Überdüngung zu den kritischen Punkten. Ein hoher Eintrag von Nährstoffen kurbelt das Algenwachstum an, sodass sich der Anteil an abgestorbener, auf den Meeresboden abgesunkener Materie erhöht. Die Zersetzung braucht mehr Sauerstoff und Schwefelwasserstoff entsteht, der sowohl auf die Bodenorganismen als auch auf den Fischlaich tödlich wirkt. In den letzten 30 Jahren hat sich die Nitratmenge in der zentralen, küstenfernen Ostsee verdoppelt, die Verursacher werden nun durch das EU-Projekt "SIGNAL" wissenschaftlich ausgemacht.
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Grüne Geschenke: Störche ...
Die Europäische Union ist reich. Und sie wird reicher: Ungarn wird mit 500 Arten und Unterarten der Flora der EU beitreten, die nur im pannonischen Raum heimisch sind. Während die Storchenpopulation in Westeuropa zurückgegangen ist, gibt es in Lettland eine beeindruckende Zahl. Es nisten rund 10.000 Brutpaare. Ebenso 1.000 Schwarzstorch-Paare, die immerhin ein Zehntel des Weltbestandes ausmachen.
... unverbaute Küsten, Wanderdünen
Bild: APA
Schwarzstorch
Die Küste Lettlands, die großteils sowjetisches Sperrgebiet war, ist eine Rarität in Europa: Sie ist unverbaut. Wie mit diesem Juwel umgegangen wird, wird die Zukunft weisen. Auf der Kurischen Nehrung in Litauen sind Wanderdünen aktiv und noch nicht vollständig befestigt.

Die Karpaten, die sich von der österreichischen Grenze bis in die Ukraine und Rumänien ziehen, sind neben den Alpen der bedeutendste Gebirgszug Europas. Mit der Karpatenkonvention sollen Schutzmöglichkeiten geschaffen werden. Slowenien repräsentiert einen reizvollen Übergang zwischen hochalpiner und mediterraner Zone und eine eindrucksvolle Karstlandschaft ober- und unterhalb der Erde.
Rückzugsgebiet der Natur im Kalten Krieg ...
Im Schatten des Eisernen Vorhangs, der Europa und zwei Welten voneinander trennte, erhielt die Natur ein Rückzugsgebiet und eine 40-jährige Verschnaufpause. Menschen hatten in der Sperrzone keinen Platz. Sie wurden ausgesiedelt, Dörfer geschleift oder, wie das Beispiel im südböhmischen Grenzraum zeigt, von Holler- und Brombeergestrüpp zurückerobert.
... und in Zukunft?
Die Grenze zwischen West und Ost, die sich auf 6.800 km durch Europa zieht, könnte das größte Biotopverbundsystem werden. Österreich hat einen großen Anteil daran.

Mella Waldstein, Universum Magazin
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Die Langfassung des Artikels erscheint in der aktuellen Ausgabe des "Universum Magazins" am 5.5.2004.
->   "Universum Magazin"
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->   ORF.at-Serie zur EU-Erweiterung
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Geopolitische Herausforderungen der EU-Erweiterung (23.4.04)
->   Nationalparks im Zeichen der EU-Erweiterung (12.1.04)
->   EU-Erweiterung soll auch der Umwelt nützen (13.9.02)
 
 
 
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01.01.2010