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Uni-Zukunft: "Wunderwaffe" Leistungsvereinbarungen?  
  Im Universitätsgesetz 2002 sind sie das Steuerungsinstrument, mit dem die Politik den Hochschulen Vorgaben machen kann: die Ziel- und Leistungsvereinbarungen, die 2007 in Kraft treten sollen. Die Hochschulforscherin Sigrun Nickel hält sie in einem Gastbeitrag für den Ausdruck einer Tendenz, aus den Universitäten ein "Experimentierfeld für Management-Moden" zu machen. In den USA, wo sie bereits vor 30 Jahren eingeführt wurden, hätten sie bereits zu ernüchternden Resultaten geführt.  
Hochschulen als Experimentierfeld für Management-Moden
Von Sigrun Nickel

Die österreichischen Universitäten durchlaufen schon seit Jahren eine Reform von oben. Diverse Gesetzesänderungen, von bösen Zungen auch als "Interventions-Stakkato" bezeichnet, sollten die Hochschulen dem anglo-amerikanischen Vorbild der "entrepreneurial university" näher bringen.

Nachdem sich Ministerium und Universitäten nun genügend warm gelaufen haben, soll es jetzt aber wirklich klappen. Das jüngste Universitätsgesetz (UG 2002) entlässt die Hochschulen in die rechtliche Unabhängigkeit, damit sie Kreativität, Innovationsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit entfalten mögen.
Leistungsvereinbarungen: "Wunderwaffe" der Uni-Steuerung
Doch wenn die "Wissenschaftsunternehmen" zunehmend mehr selbst entscheiden und eigenverantwortlich im Wettbewerb agieren - wird das Ministerium da nicht langsam überflüssig? Mitnichten, denn bei allem Autonomie-Zuwachs, den das UG 2002 zugesteht, sollen die Universitäten zugleich besser und effektiver von der Politik gesteuert werden. Diese schwierige Aufgabe soll mit Hilfe einer neuen "Wunderwaffe" der Hochschulsteuerung gelöst werden - den Leistungsvereinbarungen.
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Die Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung (IFF) veranstaltet gemeinsam mit der Ö1-Wissenschaftsredaktion und dem STANDARD ein "Hochschulpolitisches Forum" zum Thema "Steuerung von Universitäten mit Leistungsvereinbarungen".

Zeit: 6. Mai um 18 Uhr
Ort: ORF KulturCafe, Argentinierstraße 30a, 1040 Wien
->   Mehr zu dem Event
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"Management by Objectives" zur Personalführung
Das Konzept der Ziel- und Leistungsvereinbarungen wurde in den 50er und 60er Jahren in den USA entwickelt und hat seitdem unter dem Begriff "Management by Objectives" (MBO) in der Privatwirtschaft große Verbreitung gefunden.

In den vergangene Jahren hat das Führen mit Zielen im Unternehmensbereich noch einmal eine erhebliche Konjunktur erlebt und gehört, wie der Oldenburger Professor Thomas Breisig feststellt, "mit deutlich wachsender Tendenz zu den am höchsten gehandelten und mit großen Erwartungen verbundenen Instrumenten".

Das MBO wird dort vorwiegend zur Personalführung eingesetzt. Vorgesetzter und Mitarbeiter legen in einer Vereinbarung Arbeits-Ziele fest, deren Erreichung nach einem definierten Zeitraum gemessen und als Maßstab für die Bezahlung genutzt wird.
Arbeitsprogramm an Universitäten, das eher ...
Ganz anders dagegen im Hochschulbereich. An deutschen und schweizerischen Hochschulen, wo bereits seit einigen Jahren mit MBO-Konzepte zum Einsatz kommen, werden Ziel- und Leistungsvereinbarungen zur Steuerung ganzer Organisationseinheiten eingesetzt - entweder auf politischer Ebene zwischen Staat und Hochschulen oder hochschulintern zwischen Rektorat und Fakultäten.

Das Schema ist immer ähnlich: Zentrale und Dezentrale einigen sich auf die Erbringung bestimmter Ziele und Leistungen und fixieren diese in einer Art "Arbeitsprogramm". Nach einiger Zeit berichten die Verantwortlichen der Organisationen bzw. der Organisationseinheiten, wie viele von den im Arbeitsprogramm angekündigten Projekten realisiert werden konnte.
... der Planung als der Leistungsmessung dient
MBO wird also mehr zur gemeinsamen Planung von Innovationsprojekten und weniger zur Leistungsmessung eingesetzt. Erste Studien an deutschen Hochschulen kommen zu dem Schluss, dass Ziel- und Leistungsvereinbarungen eher weiche Steuerungs- und Entwicklungsinstrumente sind, die ihre Wirkung im kommunikativen Bereich entfalten, sich aber nicht zur "harten" Budgetverteilung eignen. Genau dies will aber das österreichische Wissenschaftsministerium auf Basis des UG 2002 tun.
Wird im UG 2002 zum "Eier legenden Wollmilchschwein"
Im Paragraphen 13 des Gesetzestextes erscheinen die Leistungsvereinbarungen als eine Art "Eier legendes Wollmilchschwein" der Steuerung. Nicht nur dass die Universitäten ihre Strategie sowie Schritte zur Profilbildung und Personalentwicklung auf drei Jahre festlegen sollen, vielmehr sollen sie auch Angaben zu Forschungsaktivitäten, zum Studienbetrieb, zur Weiterbildung, zur Erhöhung der Internationalität und Mobilität und sonstigen Beiträgen zur gesellschaftlichen Entwicklung machen.
->   UG 2002, Paragraph 13
Messlatte für die Verteilung des Grundbudgets
Und damit nicht genug. Ergänzend zu den genannten Parametern sollen die Universitäten auch noch so genannte "Wissensbilanzen" vorlegen, in denen sie u.a. ihr intellektuelles Vermögen, differenziert in Human-, Struktur- und Beziehungskapital nachweisen. Diese Daten dienen als Messlatte für die Verteilung des Grundbudgets, welches immerhin 80 Prozent der Finanzmittel ausmacht. Wie genau die Budgetierung vorgenommen werden soll, ist noch nicht geklärt.

Bis 2007 hat das Ministerium Zeit, sich einen geeigneten Modus zu überlegen, dann nämlich sollen die ersten Leistungsvereinbarungen zwischen Staat und Hochschulen in Österreich in Form von Verträgen abgeschlossen werden.
Beispiel USA: Nach Euphorie folgte Ernüchterung
Nach weniger politischer Steuerung klingt das nicht, stattdessen entsteht der Eindruck einer Management-Euphorie. Aber ist diese auch sachlich gerechtfertigt? Die Erfahrungen im Vorbild-Land USA mahnen zur Vorsicht.

Dort ist bereits vor rund 30 Jahren das Konzept der Ziel- und Leistungsvereinbarungen im Hochschulsektor erstmals eingesetzt worden. Nach anfänglicher Euphorie folgte die Ernüchterung, nachdem sich in der Praxis Umsetzungsprobleme und suboptimale Ergebnisse gezeigt hatten.
Vergängliche "Management-Moden im Hochschulbereich"?
Deshalb ordnet der nordamerikanische Hochschulforscher Robert Birnbaum Ziel- und Leistungsvereinbarungen auch in die Kategorie der vergänglichen "Management-Moden im Hochschulbereich" (Management Fads in Higher Education) ein, so der Titel seines gleichnamigen Buches.

Birnbaum rät generell zu einer "skeptischen Neugier" gegenüber neuen Methoden des Hochschulmanagements. Er lehnt sie nicht ab, aber empfiehlt ein vorsichtiges Ausprobieren ohne überhöhte Erwartungen. Die Experimente müssen jederzeit abgebrochen oder korrigiert werden können.

Ein Ratschlag, den der österreichische Hochschulbereich beherzigen sollte, damit die laufenden Reformen nicht in einem Management-Overkill enden, sondern in einer echten Verbesserung für das Schaffen von Wissen.
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Sigrun Nickel ist Mitarbeiterin des IFF/Abteilung Hochschulforschung in Wien.
->   IFF/Abteilung Hochschulforschung, Wien
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01.01.2010