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Zielvereinbarungen: Steuerungsinstrument oder Plauderei?  
  Im Jahr 2007 sollen die österreichischen Universitäten erstmals Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit dem Staat abschließen. Welchen Sinn sie haben werden, und wie sie von den Hochschulen eingehalten werden sollen - darüber diskutierte Donnerstagabend eine hochkarätige Runde von Hochschulexperten im ORF-Kulturcafe.  
Zentrale Frage dabei war: Werden die vordergründig autonomen Universitäten durch Koppelung ihres Budgets an Leistungsvereinbarungen einmal mehr vom Staat abhängig oder gar erpressbar? Es galt, die Leistungsvereinbarungen zwischen ihrer Funktion als Steuerungsinstrument und bloßer konsequenzenloser Plauderei zu positionieren.
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Neben der Ö1-Wissenschaftsredaktion und der Tageszeitung "Der Standard" hatte zu dem "Hochschulpolitischen Forum" am 6. Mai 2004 das Institut für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung (IFF) geladen.
->   Mehr über die Veranstaltung
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Fit für den Wettbewerb oder obrigkeitskonform?
Manche hoffen: Ziel- und Leistungsvereinbarungen machen Unis fit für den Wettbewerb und bringen ihnen gutes Wirtschaften bei. Andere fürchten: Die Ziel- und Leistungsvereinbarungen würden bedeuten, dass solche Unis, deren Professoren die meisten Aufsätze in internationalen Fachzeitschriften unterbringen, vom Staat mehr Geld bekämen, ebenso wie jene, die obrigkeits- und wirtschaftskonform forschen - von der Seifenformel bis zur Zeitgeschichte.

Dass die Sache paradoxerweise weder so einfach, noch so schwierig ist, zeigte die Debatte der Spezialisten.
"Nicht hart mit dem Budget verknüpft"
Der Soziologe Stefan Titscher, einer der Väter des Universitätsgesetzes 2002, ist im Bildungsministerium auch mit den gegenständlichen Vereinbarungen der Unis mit dem Staat befasst. Wie sehr ist nun die wie immer zu definierende Leistung der Unis an die Mittelzuteilung gekoppelt?

"Die Leistungsvereinbarungen sind eine weiche Geschichte, die nicht hart mit dem Budget verknüpft sind." Die Budgetierung sei nur ein Punkt unter anderen - nicht mehr als eine Erdbeere im Obstsalat, wie Titscher kulinarisch ergänzte.
Auch politische Steuerung
Dennoch, so merkte die Hochschulexpertin der IFF Sigrun Nickel an, geht es ja nicht nur um gutes Wirtschaften an den Unis: "Universitäten unterliegen auch einer politischen Steuerung und es gibt ein hierarchisches System, das politisch gesteuert ist, weil Universitäten und Hochschulen eine Berichts- und Rechenschaftssystem haben."
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Unis als Experimentierfeld für Management-Moden
In einem Gastbeitrag für science.ORF.at hielt Sigrun Nickel die neuen Leistungsvereinbarungen für den Ausdruck einer Tendenz, aus den Universitäten ein "Experimentierfeld für Management-Moden" zu machen. In den USA, wo sie bereits vor 30 Jahren eingeführt wurden, hätten sie bereits zu ernüchternden Resultaten geführt, schrieb sie.
->   Gastbeitrag Sigrun Nickel (4.5.04)
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Zurückweisung durch Verfassungsgericht
Dementsprechend herrscht auch mancherorts Freude darüber, dass nach der VfGH- Zurückweisung eine neue Form der Rechtssicherheit in die Leistungsvereinbarungen eingebaut werden muss. Etwa bei Georg Winckler, dem Rektor der Universität Wien und Vorsitzenden der Rektorenkonferenz.

Dass der Verfassungsgerichtshof die Rechtssicherheit auch noch durch einen verpflichtenden, wiederum von der Universität bekämpfbaren Bescheid ergänzt haben wollte, sei ganz in seinem - Wincklers - Sinn.
Bleibt alte Weisungskultur bestehen?
Es würden aber nicht nur zwischen Staat und Unis, sondern darüber hinaus eine Vielzahl von Uni-internen Zielvereinbarungen abgeschlossen werden. Der Rektor mit dem Uni-Rat und dem Vizerektor, die Fakultäten mit dem Rektorat.

Klingt bürokratisch und ist es auch - bei aller Leistungsorientierung -, so argwöhnte der praxisgeprüfte Rektor: "Im Hintergrund gilt ja noch immer die Weisungskultur, über die auf die rationale 'schöne Welt' noch immer eingegriffen werden kann."
80 Prozent der Uni-Budgets nach Zielvereinbarungen
Letztlich geht es trotz allem zunächst einmal um die Mittelvergabe, also ums Geld: Dabei steht nun im Gesetz, dass 80 Prozent der einzelnen Uni-Budgets nach Ziel- und Leistungsvereinbarungen vergeben werden sollen. Das hört sich hart an, doch Stefan Titscher vom Bildungsministerium relativierte ja diesen Punkt - es handle sich um ein weiches Steuerungsinstrument, das die Aufregung gar nicht wert sei.
Zahnloser Tiger?
Verwirrung löste das zunächst bei der Professorin für Bildungsmanagement der Universität Oldenburg Anke Hanft aus: Will man in Österreich nun definieren, welche Leistungen die Unis erbringen sollen und dann keine Konsequenzen setzen - also nur ein bisschen mit dem Ministerium plaudern, was man an den Hohen Schulen so vorhat? Ein zahnloser Tiger, statt eines Wundermittels zur Steuerung der Universitäten?
Koppelung an Strategieentwicklung und Innovation
Jedenfalls, so Anke Hanft, sollten in den Vereinbarungen auch Innovationen, also Neuerungen an den Unis festgeschrieben werden, und das ganze durchaus ans Budget gekoppelt werden, jedoch: "In die Zielvereinbarung darf nicht alles reingepackt werden, was ohnehin in der Universität drin ist. Die Vereinbarung muss mit Strategieentwicklung gekoppelt sein."

Was im Klartext heißt: Nicht Gebäude oder Mitarbeitergehälter - kurz die Kosten für den laufenden Uni-Betrieb - sollten an Leistungsvereinbarungen gekoppelt sein, sondern der Wille zum Neuen, zur Regsamkeit, zur Innovation.
Bei Verfehlung: Maximal zwei Prozent Budgetreduktion
Wobei auch klar sein müsse, so Georg Winckler, dass eine Universität mehr als ein Minus von zwei, drei Prozent im Budget pro Jahr nicht ohne Schaden verkraften könne. Deshalb steht auch im Gesetz: Wenn eine Universität die Vereinbarung mit dem Staat nicht erfüllt, oder wenn gar keine zustande kommt, erfolgt die Budgetreduktion drei Jahre lang nur um jeweils zwei Prozent pro Jahr.
Leistungs- und Budgetverhandlungen zweierlei
Doch diese Gefahr sieht Stefan Titscher vom Bildungsministerium ohnehin nicht: Der Regelfall werde sein, dass die Unis ihre intern beschlossenen Leistungsangebote machen würden, und nicht umgekehrt das Ministerium solche einfordern werde.

Leistungs- und Budgetverhandlungen würden auch nach dem Jahr 2007 zweierlei bleiben: "Das ist kein Überfall oder so etwas. Es geht auch, aber nicht nur ums Geld. Die Wahrnehmung zu den Leistungen der Universität soll verändert werden."

Martin Haidinger, Ö1-Wissenschaft
science.ORF.at
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Uni-Reform: Rektoren sehen VfGH-Urteil positiv (26.1.04)
->   Nach VfGH-Urteil: Hochschulen müssen nichts ändern (23.1.04)
->   Leistungsvereinbarungen erst ab 2007 (5.3.02)
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Ein Beitrag für die Ö1-Dimensionen vom 7. Mai 2004 um 19.05 Uhr.
->   Ö1
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01.01.2010