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Forscher präsentieren die "molekulare Liposuktion"  
  Seit geraumer Zeit versuchen Mediziner, dem ungesunden Körperfett zu Leibe zu rücken - und zwar ohne Diäten oder Sport. Einen völlig neuen Ansatz präsentieren nun US-Forscher: Ihnen ist in der Behandlung von fettsüchtigen Mäusen eine Art "molekulare Fettabsaugung" gelungen. Eine künstlich hergestellte Substanz führt demnach dazu, dass die Blutgefäße der Fettzellen zerstört werden. Letztere sterben ohne die lebenswichtige Versorgung einfach ab - und werden anschließend vom Körper entsorgt.  
Im Rahmen der Studie habe es lediglich einige Wochen gedauert, bis die mit einer besonders fettreichen Kost gefütterten übergewichtigen Nager ihr Gewicht normalisiert hatten, berichten die Wissenschaftler um Mikhail Kolonin vom M.D. Anderson Cancer Center der University of Texas.

Die Ergebnisse des Forscherteams sind im Fachmagazin "Nature Medicine" erschienen.
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Die Studie ist am 9. Mai 2004 unter dem Titel "Reversal of obesity by targeted ablation of adipose tissue" als "Advanced Online Publication" in "Nature Medicine" erschienen (doi:10.1038/nm1048).
->   Abstract der Studie in "Nature Medicine"
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Speck im Visier der Medizin-Forschung
Überflüssige Pfunde in Form von zu viel Körperfett geraten zunehmend ins Visier der medizinischen Forschung.

Nehmen doch weltweit die Gewichtsprobleme vor allem der Bevölkerung in den Industriestaaten rapide zu - und damit eine ganze Fülle von Folgeerkrankungen wie Diabetes und Herzkreislaufkrankheiten.
Fettzellen werden "ausgehungert"
Die US-Forscher haben nun zur Bekämpfung des ungesunden Körperspecks einen ganz neuen Ansatz entwickelt, die Strategie der "molekularen Fettabsaugung", wie sie in einer Aussendung der University of Texas genannt wird.

Ziel ihrer Therapie sind die das Fettgewebe versorgenden feinen Blutgefäße. Denn jede einzelne Fettzelle ist über so genannte Kapillaren mit dieser lebenswichtigen Versorgungsleitung verbunden, die Nachschub an Nährstoffen und vor allem Sauerstoff liefert.

Der Trick: Ähnlich wie in der Krebsbehandlung wird versucht, das Fettgewebe von der Blutzufuhr abzuschneiden - und auf diese Weise schlicht "auszuhungern".
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Weiße Fettzellen als Angriffsziel der Forscher
Im Detail richtet sich die Therapie gegen so genannte weiße Fettzellen. "Weißes Fettgewebe ist einzigartig, denn es ähnelt einem Tumor darin, dass es sich sehr schnell ausbreiten kann", erklärt dazu Mikhail Kolonin vom texanischen Forscherteam in der Aussendung. Für eine solche rapide Expansion brauche es aber eine sehr aktive Produktion von Blutgefäßen, um Sauerstoff zu liefern - "und tatsächlich ist jede einzelne Fettzelle umhüllt von Kapillaren". Nach Angaben der Forscher enthält das Fettgewebe sehr viel mehr Blutgefäße als anderes, normales Gewebe.
->   Vorerst wenig Chancen, Tumore "auszuhungern" (28.11.02)
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Blutgefäß ist nicht gleich Blutgefäß
Der Hintergrund: Blutgefäße unterscheiden sich je nach der Art Gewebe oder Organ, das sie versorgen. Um die Verbindung gezielt anzugreifen, identifizierten die Wissenschaftler daher zunächst ein Peptid, das ganz spezifisch an Rezeptoren jener feinen Blutgefäße im Fettgewebe band.

Der Eiweißstoff erkennt demnach ein Protein namens Prohibitin, das in den die Fettzellen versorgenden Gefäßen gebildet wird.
Auslöser des zellulären Selbstmordes
Der Angriffspunkt war also gefunden: In einem nächsten Schritt musste nun ein Wirkstoff entwickelt werden.

Die Wissenschaftler erzeugten zunächst einen synthetischen Ligand, eine Aminosäuren-Sequenz, die genau in den Rezeptor passen sollte. Das Molekül wurde mit einem Eiweißstoff verbunden, der wiederum als Auslöser des zellulären Selbstmordes bekannt war.
Gezielte Therapie gegen Fettzellen
Der so entstandene Wirkstoff sollte nun ganz gezielt gegen die unerwünschten Fettzellen zum Einsatz kommen.

"Der Ligand - das Leitsystem - bringt den therapeutischen Wirkstoff zu dem Prohibitin-Rezeptor", erläutert Renata Pasqualini, ein Mitglied des Forscherteams, die Idee. "Dort bindet es an und wird dann von den Blutgefäßzellen internalisiert" - um schließlich diese ganz selektiv zu zerstören.
Neuer Wirkstoff erfolgreich im Mäusetest
Getestet wurde die Substanz schließlich an stark übergewichtigen Mäusen, denen sie über vier Wochen hinweg täglich unter die Haut gespritzt wurde. Danach hatten die Nager, die zudem gleichzeitig äußerst fettreich ernährt wurden, rund 30 Prozent an Gewicht verloren. Der Gesundheitszustand der Tiere war laut Studie gut.
Bestehendes Fettgewebe wird entfernt
Die meisten gegenwärtigen Therapien gegen Fettleibigkeit und Übergewicht versuchen, die Anhäufung neuer Fettzellen zu verhindern.

"Das macht unseren Ansatz einzigartig und aufregend, denn er zeigt im Tiermodell, dass wir bereits gebildetes Fett mit einer nicht-chirurgischen Methode entfernen können - eine molekulare Liposuktion", kommentiert Forschungsleiter Mikhail Kolonin die Ergebnisse.
Weitere Studien notwendig
Bislang sei die Therapie zwar nur im Tierversuch getestet worden, dennoch könnte sie nach Angaben der Forscher eines Tages zur Behandlung menschlicher Fettsucht dienen. Die Struktur des menschlichen Prohibitin-Rezeptors soll jedenfalls dem bei den Nagern gefundenen ähneln.

Allerdings seien weitere Studien notwendig, so die Forscher. Vor allem müsse sicher gestellt werden, dass ein gegen den Prohibitin-Rezeptor gerichtetes Medikament nicht auch anderes lebenswichtiges Gewebe schädige.
->   M.D. Anderson Cancer Center der University of Texas
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01.01.2010