News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Lernen im Traum: Forschung bringt Licht ins Dunkel  
  Träume sind seit jeher ein Inbegriff von Rätselhaftigkeit. Neueste Forschungsmittel haben manches Licht in das gebracht, was sich jede Nacht in den Köpfen schlafender Menschen abspielt - Stichwort "Lernen im Traum" -, endgültige Erklärungen stehen aber noch aus.  
Jedenfalls scheint der so genannte REM-Schlaf für das Gedächtnis nützlich zu sein, wie das Magazin "Gehirn & Geist" in seiner neuesten Titelgeschichte, "Expeditionen ins Land der Träume", aufzeigt.
...
Die traumreiche REM-Phase
REM steht für die "rapid eye movements" (schnellen Augenbewegungen), welche die traumreiche REM-Phase begleiten. Diese Träume unterscheiden sich in Inhalt und Form von den NonREM-Träumen. Von der Positronen-Emissionstomographie (PET) gelieferte Gehirnbilder haben gezeigt, dass der Hippocampus im Gehirn, der bei der Speicherung von Gedächtnisinhalten eine bedeutende Rolle spielt, in Phasen des REM-Schlafs überaus aktiv ist.
...
Lernen visueller und motorischer Fähigkeiten
Manches deutet darauf hin, dass der REM-Schlaf besonders wichtig ist für das Erlernen von visuellen und motorischen Fähigkeiten, wie etwa Tennis.

Studiert zum Beispiel jemand einen neuen Bewegungsablauf ein, etwa den Aufschlag, nimmt der REM-Anteil seines Schlafs in der darauf folgenden Nacht deutlich zu. Weckt man ihn in diesen Phasen immer wieder auf, wird das Abspeichern verhindert, und zwar sehr viel nachhaltiger als beim gezielten Stören des NonREM-Schlafs.
PET-Bilder zeigen: Neue Nervenverbindungen
Der Neurologe Pierre Maquet von der Universität Lüttich (Belgien) hat mittels PET-Bildern entdeckt, dass das Gehirn nachts neue Verbindungen zwischen Nervenzellen knüpft - insbesondere in den Regionen, die schon am Tage während des Lernens aktiv sind.

Dieser auf der Produktion von bestimmten Eiweißmolekülen basierende Umbauprozess festigt einen neuen Gedächtnisinhalt dauerhaft.

Maquet stellte auch fest, dass in den Traumphasen jene Hirnareale am stärksten aufleuchteten, die seine Versuchspersonen schon tagsüber zum Erlernen verschiedener Testaufgaben gebraucht hatten.
Argumente gegen wichtige REM-Rolle
Es gibt allerdings auch Argumente gegen die wichtige Rolle der REM-Phasen. So ist die Merkfähigkeit von Menschen, die jahrelang den REM-Schlaf unterdrückende Medikamente einnehmen, nicht beeinträchtigt. Das gilt auch für Patienten, die wegen Hirnschäden keine REM-Phasen haben.
Theorie aus den 80ern: "Träumen, um zu vergessen"
Schon in den achtziger Jahren befanden Francis Crick vom Salk Institute in San Diego (USA) und Graeme Mitchinson von der britischen Universität Cambridge sogar: "Wir träumen, um zu vergessen".

Nach ihrer Theorie nutzt das Gehirn den Schlaf auch, um sinnlose, überflüssige und störende Erinnerungen oder Assoziationen aufzurufen, zu prüfen und dann aus dem Großhirn zu löschen. Nach Crick wären Träume somit aktives Verlernen, um ein Überlaufen des neuronalen Netzes zu verhindern.

Das würde auch erklären, warum wir uns an die nächtlichen Bilder so schlecht erinnern.
Oder: Nachverarbeitung von Erlebnissen
Zu ganz anderen Ergebnissen kam dagegen der Neuropsychologe und Psychoanalytiker Mark Solms von der Universität London. Demnach könne das Gehirn den Traum als Möglichkeit zur Nachverarbeitung und Bewältigung von Erlebnissen nutzen.

Solms schloss aus Feststellungen bei Patienten mit Hirnschäden, dass ein Hauptursprung der Träume im Stirnhirn liegt.

Dieses spielt im Wachzustand für Gedächtnis, Gefühle und Motivation eine entscheidende Rolle. Bei den Patienten war der von primitiveren Regionen im Hirnstamm generierte und gesteuerte REM- Schlaf gestört, aber sie träumten normal.
Verweis auf Sigmund Freud
Solms räumt ein, dass die neuen psychoanalytischen Forschungen kein Beweis für die Richtigkeit der These Sigmund Freuds vom Träumen als symbolische Erfüllung von Wünschen und Bedürfnissen seien. Doch passten die neuen Befunde in seine Libido (Trieb)-Theorie, sagte er im Gespräch mit der Zeitschrift "Psychologie heute".

Nach ihr müssen Menschen lernen, in ihrer Umwelt Objekte ausfindig zu machen, die ihre Triebe befriedigen können. Und die von ihm als Ursprungbereich der Träume ausgemachte Region im Stirnhirn gelte eben auch als
Such-, Erwartungs- und Bedürfnissystem des Gehirns, sagt Solms.

Rudolf Grimm, dpa
->   "Gehirn & Geist"
->   "Psychologie heute"
Mehr zu diesen Themen in science.ORF.at:
->   Studie: Schlafen hilft beim Problemelösen (22.1.04)
->   Gedächtnis: Schlafen für die grauen Zellen (19.1.04)
->   "Vergessenes" Wissen wird nachts gerettet (9.10.03)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010