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Schmerztherapie: Neue Arzneimittel im Zweifel  
  Mediziner widersprechen Aussagen der Pharmaindustrie bezüglich der neuesten Generation der "nichtsteroidalen Antirheumatika". Diese wurden als weitestgehend nebenwirkungsfreie Schmerzmittel eingeführt.  
Doch berichtet wird nun von einer eher schwächeren analgetischen Wirkung und - längerfristig - ähnlichen Nebeneffekten wie "Aspirin & Co."

"Wir haben auch schon Nierenfunktionseinschränkungen und Beinödeme gesehen", erklärte Dienstagabend bei den österreichischen Ärztetagen in Grado Karin Greiner von der Universitätsklinik für Anästhesie und Allgemeine Intensivmedizin in Innsbruck.
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Die österreichischen Ärztetage finden vom 16. bis 22. Mai 2004 im italienischen Grado statt. Sie werden veranstaltet von der Österreichischen Akademie der Ärzte. Neben der Schmerztherapie wird im Rahmen der medizinischen Fortbildung eine Vielzahl weiterer Fachgebiete behandelt.
->   Mehr dazu bei der Österreichischen Akademie der Ärzte
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Aspirin und Co: Risiko von Nierenversagen
Der Hintergrund: Substanzen wie Aspirin (Acetylsalicylsäure; ASS), Ibuprofen, Diclofenac etc. haben Jahrzehnte lang Millionen Schmerz- und Rheumapatienten mit ihren antientzündlichen und schmerzlindernden Effekten geholfen.

Doch bei Langzeitgebrauch hoher Dosierungen kann es zu Nierenversagen kommen. Außerdem steigt das Risiko für Magengeschwüre mit lebensgefährlichen Blutungen.
Enzym-Hemmung als Ursache
Dahinter steckt die Hemmung der beiden Varianten des körpereigenen und entzündungsfördernden Enzyms Cyclooxygenase (COX-1 und COX-2). Während COX-1 als "gesund" vor allem für den Magen und die Nieren angesehen wurde, gab es Hinweise dafür, dass COX-2 nur durch Entzündungen aktiviert wird.

Der Schluss der Wissenschaftler: "Wenn man ausschließlich COX-2 hemmende Wirksubstanzen herstellen könnte, hätte man den Effekt der alten Antirheumatika ohne die schädlichen Nebeneffekte."
Neue Substanzen für weniger Risiken
So wurden in den vergangenen Jahren Substanzen wie Celecoxib, Rofecoxib und andere auf den Markt gebracht.

Die sozialen Krankenkassen in Österreich zahlen sie mittlerweile für bestimmte Patienten (vor allem, wenn sie über 65 Jahre alt sind bzw. schon ein Magengeschwür gehabt haben). Immerhin berichteten Studien von einer zumindest erfolgenden Halbierung der Magengeschwür-Rate.
Unterschiede existieren längerfristig nicht
Doch dem muss nicht mehr so sein. Laut der Innsbrucker Anästhesistin erschien schon 2002 im weltweit angesehenen "British Medical Journal" eine Studie, die klar zeigt, dass gerade dieser Unterschied im Vergleich von Celecoxib mit den alten Antirheumatika Diclofenac und Ibuprofen längerfristig nicht existiert.

Zwar gab es nach sechs Monaten in der Gruppe der Celecoxib-Verwender nur etwa die Hälfte der Geschwüre bei Gebrauch der herkömmlichen Mittel, nach 15 Monaten aber war die Häufigkeit in den drei Gruppen annähernd gleich.
Nierenprobleme: Ähnliche Effekte der neuen Arzneien
Bei den Nierenproblemen dürften sich die alten Präparate kaum von den neuen unterscheiden. Denn wissenschaftlich ist bereits bewiesen, dass das COX-2-Enzym auch in den Nieren "natürlich" gebildet wird und somit seine Blockade negative Effekte haben kann.

Die Innsbrucker Anästhesistin Karin Greiner Dienstagabend bei den österreichischen Ärztetagen in Grado: "Mittlerweile weiß man, dass COX-2 konstitutiv (normalerlweise, Anm.) produziert wird."

Das hat bei längerem Gebrauch durchaus ähnliche Effekte wie die alten Medikamente. Die Anästhesistin: "Die Medikamente führen zu einer Verringerung der Filterrate der Nieren." Sie habe schon Nierenfunktionseinschränkungen gesehen. Die Expertin: "Auch periphere Ödeme (Anschwellen der Beine, Anm.) gibt es."
Vorischt bei Patienten mit Herzschwäche
Das Einsatzgebiet der neueren Medikamente - so die Expertin - würde sich am ehesten auf Patienten mit bekannten bereits erlittenen Magen-Zwölffingerdarm-Geschwüren bzw. Problemen konzentrieren.

Außerdem sei Vorsicht bei Patienten mit Herzschwäche (entwässernde Medikamente) etc. angebracht.

Hinzu komme, dass man erfahrungsgemäß bei den Coxiben ohne die zugelassene Tageshöchstdosis für eine ausreichende Schmerztherapie häufig nicht das Auslangen finde. Bei den herkömmlichen Antirheumatika wären in vielen Fällen auch niedrigere Mengen als die zugelassene tägliche Höchstmenge ausreichend.
->   Österreichische Akademie der Ärzte
Mehr von den Ärztetagen in science.ORF.at:
->   Fernreisen: Vorsorge für die Gesundheit (18.5.04)
->   Die Gesundheit geht "durch den Bauch" (17.5.04)
 
 
 
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01.01.2010