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Forschungsreform kommt Wirtschaft entgegen  
  Die umstrittene Reform der heimischen Forschungsförderungslandschaft durch die Regierung hat am Mittwoch den Ministerrat passiert. Dienstagabend ist es laut Infrastrukturministerium (BMVIT) in letzter Minute gelungen, in strittigen Punkten einen Konsens mit Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung herzustellen. So hat die Wirtschaft nun die Mehrheit im Aufsichtsrat der neuen Forschungsförderungs-Gesellschaft (FFG), in der mehrere Fördereinrichtungen zusammengefasst werden. Während Wirtschaftsvertreter Beifall zollen, kommt von der Opposition heftige Kritik.  
Gorbach: "Größte Reform seit 40 Jahren"
Der Aufsichtsrat muss nun auch der Bestellung der FFG-Geschäftsführer durch BMVIT und Wirtschaftsministerium zustimmen.

Vizekanzler und Infrastrukturminister Hubert Gorbach (FPÖ) bezeichnete nach dem Ministerrat gegenüber der APA das Gesetzesvorhaben gemeinsam mit der Einrichtung der Nationalstiftung für Forschung und dem geplanten "Haus der Forschung" als die "größte Reform der österreichischen Forschungsförderungslandschaft seit 40 Jahren".
Wirtschaft freut sich, Kritik von Opposition
Freude herrscht bei der Wirtschaft über die erreichten Abänderungen bei der Reform. Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl (ÖVP) hob hervor, dass es gelungen sei, "die Vielfalt in einer leistungsfähigen Einheit zu wahren".

SPÖ-Wissenschaftssprecher Josef Broukal ortete hingegen eine "eiskalte Übernahme und eine Zentralisierung der Forschungspolitik durch Industrie und Wirtschaft". Auch die Grüne Wirtschaftssprecherin Michaela Sburny meinte, dass nun die "Wirtschaftslobby die Verfügungsgewalt über den Geldtopf für Forschungsförderung bekommt".
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Jahresbudget von 300 Mio. Euro
Die FFG werde in Zukunft die zentrale Einrichtung zur Förderung der wirtschaftsnahen Forschung, so Gorbach. Im laufenden Jahr verfüge sie über ein Budget von knapp 300 Mio. Euro, das bis 2006 auf rund 350 Mio. Euro steigen soll.
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Die neuen Strukturen
 
Grafik: APA, Quelle: APA, Foto: dpa

In der Gesellschaft werden der Forschungsförderungsfonds für die gewerbliche Wirtschaft (FFF), die Technologieimpulse-Gesellschaft (TIG), die Austrian Space Agency (ASA) und das Büro für internationale Technologiekooperation (BIT) zusammengefasst. Dies bedeutet laut Gorbach "klare und schlanke Strukturen".
Mehrjahresplanung, aber keine Finanzierungssicherheit
So werde es in Zukunft nur noch vier statt wie bisher 15 Gremien geben. Die FFG werde zudem Mehrjahresplanungen erstellen, wodurch "endlich Planungssicherheit gewährleistet wird", so der Minister. Dem in der Begutachtung vielfach geäußerten Wunsch nach mehrjähriger Finanzierungssicherheit ist man seitens der Regierung allerdings nicht gefolgt.
Zugeständnisse an die Wirtschaft
Gegenüber dem Begutachtungsentwurf hat die Regierung in der nun vorliegenden Gesetzesfassung der Wirtschaft deutliche Zugeständnisse gemacht. Diese hatte u.a. kritisiert, im geplanten Aufsichtsrat der FFG nicht die Mehrheit zu haben.

Nun soll der Aufsichtsrat (AR) neun (statt bisher geplant sieben) Mitglieder haben: Das BMVIT bestellt den Vorsitzenden und ein weiteres Mitglied, das Bildungsministerium den stellvertretenden Vorsitzenden, das Wirtschafts- und das Finanzministerium, die Industriellenvereinigung und die Wirtschaftskammer je ein AR-Mitglied. Neu sind zwei Aufsichtsräte, die von Infrastruktur- und Wirtschaftsministerium im Einvernehmen bestellt und genauso wie der AR-Vorsitzende aus der Wirtschaft kommen müssen. "Somit verfügt die Wirtschaft über eine Mehrheit im Aufsichtsrat", sagte Gorbach.
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Aufsichtsrat muss Geschäftsführern zustimmen
Änderungen gegenüber dem Entwurf gibt es auch bei der Bestellung der beiden FFG-Geschäftsführer. Wirtschafts- und Infrastrukturminister berufen zwar weiterhin einen Geschäftsführer, ihre Bestellung bzw. Abberufung bedarf nunmehr aber der Zustimmung durch den Aufsichtsrat. Dieser sollte ursprünglich nur "einbezogen" werden, was - im Hinblick auf die Querelen um die Geschäftsführung bei der Austria Wirtschaft Service (AWS) - zu breiter Kritik geführt hatte.
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Fachliche Entscheidungen trifft Beirat
Um die vielfach geäußerte Befürchtung zu entkräften, dass sich die Politik in die Vergabe von Förderprojekten einmischen will, soll im Gesetz nun explizit festgehalten werden, "dass die fachlichen Entscheidungen im bottom-up-Bereich, ob ein Projekt genehmigt wird oder nicht, weiterhin durch einen Beirat getroffen werden".

Diese Aufgabe übernimmt, zumindest für den Anfang, das bisherige Präsidium des FFF. In schwerwiegenden Einzelfällen kann die Geschäftsführung zwar vom Beirat gutgeheißene Projekte ablehnen, diese müssen dann aber im Aufsichtsrat behandelt werden.
FWF-Präsident aus Dreier-Vorschlag des Aufsichtsrats
Auch bei den Reformplänen für den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), der ja selbstständig bleibt und nicht in die FFG integriert wird, gibt es gegenüber dem Begutachtungsentwurf Änderungen: Der FWF-Präsident, dessen Funktion öffentlich ausgeschrieben werden muss, wird zwar weiterhin durch die - aus Vertretern der Universitäten bestehende - FWF-Delegiertenversammlung gewählt, nun allerdings auf Basis eines Dreier-Vorschlags des FWF-Aufsichtsrats.

Dieser besteht aus sieben Mitgliedern, drei davon werden von der - im Zuge der Reform deutlich verschlankten - Delegiertenversammlung bestellt, zwei vom BMVIT und eines vom Bildungsministerium. Ein weiteres Mitglied wird von den sechs Mitgliedern einvernehmlich bestellt, bei Nichteinigung bestimmt das BMVIT im Einvernehmen mit dem Bildungsressort diesen Aufsichtsrat.

Im Zuge der Reform wird auch der Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFT) eigenständig und in eine juristische Person öffentlichen Rechts umgewandelt.
Wirtschaftskammer: "Ausschließlich im Interesse der Betriebe"
Die Reform der Forschungsförderung wurde von Interessenvertretern der Industrie - Industriellenvereinigung (IV) und Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) - heftig akklamiert.

Im Unterschied zum Begutachtungsentwurf sei nun sichergestellt, dass bei den Vergabeentscheidungen "ausschließlich im Interesse der Betriebe und nicht im Sinn politischer Vorgaben" vorgegangen werde, so Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl in einer Aussendung. Außerdem würden Forschungs- und Wirtschaftsminister dafür Sorge tragen, dass auch künftig mehr als 50 Prozent der von der Nationalstiftung ausgeschütteten Mittel der wirtschaftsnahen Forschung zur Verfügung stehen.
IV: Einbindung des FWF "noch nicht möglich"
Der IV-Generalsekretär Lorenz Fritz begrüßte, dass es erstmals in der Forschung zu einem öffentlich-privaten Partnerschaftsmodell (PPP) komme, in welches der FFF eingebunden werde. Damit sei die industrienahe Forschungsförderung unter einem Dach.

Den für Grundlagenforschung zuständigen Wissenschaftsfonds FWF auch einzubinden, sei "im ersten Schritt noch nicht möglich gewesen".
Kritik der Opposition: Unis werden zu "Bittstellern"
Auf einem "gefährlichen Weg" sieht hingegen SPÖ-Wissenschaftssprecher Broukal die Forschungspolitik. Regierung und Wirtschaft würden die Forschung an die Leine nehmen. So sei etwa das Bildungsministerium im neunköpfigen FFG-Aufsichtsrat mit nur einer Stimme vertreten, während die Unis sowie die bisherigen Forschungsförderungsfonds "zu Bittstellern degradiert" würden, so Broukal in einer Aussendung.

"Kurzerhand entsorgt" habe die Regierung ihre politische Verantwortung für die Fördermittel, kritisierte die Grüne Wirtschaftssprecherin Sburny in einer Aussendung. Sie meinte, dass nun die "Wirtschaftslobby die Verfügungsgewalt über den Geldtopf für Forschungsförderung bekommt".
Gehrer und Bartenstein zufrieden
Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) sprach in einer Aussendung von einer modernen, effizienten und kundenorientierten Struktur der Forschungsförderung. Der Wissenschaftsfonds FWF bleibe ein wichtiger Partner für die Unis, die alle in der FWF-Delegiertenversammlung vertreten seien.

"Kürzere Wege, optimierte Abläufe und Transparenz sind die Eckpunkte", betonte Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) ebenfalls in einer Aussendung. Klare Strukturen und straffe Abläufe seien berechtigte Anliegen der Wirtschaft.
->   FWF
->   FFF
->   Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFT)
->   Infrastrukturministerium
->   Bildungsministerium
Aktuelle Meldungen zu dem Thema in science.ORF.at:
->   FFF hält Förderungsreform für problematisch (17.5.04)
->   Forschungsreform: Opposition kritisiert Polit-Einfluss (7.5.04)
->   FWF-Chef weiter von Delegierten gewählt (20.4.04)
->   Mehr zu den ursprünglichen Reformplänen (15.4.04)
 
 
 
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01.01.2010