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Food-Forensik: Lebensmittelbetrügern auf der Gen-Spur  
  Wenn "Original Basmati-Reis" auf der Packung steht, aber nicht drin ist: Falsch gekennzeichnete Lebensmittel werden zu einem immer größeren Problem. In der Lebensmittelbranche bedient man sich daher - wie etwa auch in der kriminalistischen Forensik - zunehmend genetischer Analysen. So kommen Methoden aus der Grundlagenforschung nun auch im Dienste der Supermarkt-Konsumenten zur Anwendung.  
Wie Mark Woolfe von der Food Standards Agency in London mit seiner Kollegin Sandy Primrose berichtet, können mit DNA-Analysen Verunreinigungen von Reis, Fisch, Fleisch, Olivenöl u.a.m. festgestellt werden. Die Schlüpflöcher für Betrügereien werden zusehends kleiner.
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Der Artikel "Food forensics: using DNA technology to combat misdescription and fraud" von Mark Woolfe und Sandy Primrose erschien in der Fachzeitschrift "TRENDS in Biotechnology" (Band 22, S. 222-6, Mai 2004).
->   Zum Original-Abstract
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Recht auf korrekte Produktangaben
Konsumenten haben ein Anrecht auf korrekte Lebensmittelbezeichnungen. Nicht zuletzt deshalb, weil die Produktinformationen die Kaufentscheidung zu Gunsten oder auch gegen ein bestimmtes Lebensmittel maßgeblich beeinflussen.

Dies ist besonders bei Menschen der Fall, die einen veganen oder vegetarischen Ernährungsstil pflegen oder ihre Wahl aus religiösen bzw. gesundheitlichen Motiven getroffen wird.
Strategien des Schwindelns
Leider stimmen die zu Lebensmitteln angegebenen Daten nicht immer mit der Realität überein: Wie Woolfe und Primrose in ihrem aktuellen Artikel ausführen, gibt es verschiedene Arten von Fehlbezeichnungen.

Beliebt (freilich nur auf Produzentenseite) sind etwa der Ersatz von hochwertigen Zutaten durch billigere Austauschprodukte, simple Beimengungen von Wasser, Ölen u.ä. - oder auch die fehlende Deklaration gewisser Verarbeitungsprozesse, wie z.B. Frieren oder Bestrahlung.

Gemein ist diesen Fehlern, dass die Rechnung vom Konsumenten bezahlt werden muss. Sei es in finanzieller oder in gesundheitlicher Hinsicht - etwa im Fall von Allergien.
Nachweis schwierig - Beispiel Basmati
Wie kompliziert die Situation für Prüfer ist, zeigt das Beispiel Basmati-Reis: Die Pflanzen dieses Namens stammen ursprünglich aus den Vorbergen des Himalaya und liefern Reis von außerordentlicher Qualität.

Nun weist aber die Originalsorte einige landwirtschaftliche Nachteile auf, wie etwa das Nicht-Ansprechen auf Düngemittel und Empfindlichkeit gegenüber geänderten Licht- und Klimaverhältnissen.

Aus diesem Grund hat man die ursprüngliche Sorte mit modernen Züchtungen gekreuzt, aus denen der Hybrid-Basmati entstand. Zudem gibt es Reissorten, die oberflächlich wie Basmati aussehen, jedoch keine seiner charakteristischen Eigenschaften aufweisen.

Daher ist es notwendig, die Varianten verlässlich unterscheiden zu können, zumal die Originalsorte am Markt den mit Abstand höchsten Preis erzielt.
Qualitätsstandards bei Olivenöl
Ein weiteres Beispiel ist Olivenöl: Der Beiname "nativ" bzw. "vergin" zeigt an, dass das Produkt keinen anderen Verarbeitungsschritt als Pressen, Waschen, Dekantieren, Zentrifugieren und Filtrieren durchlaufen hat.

Gleichzeitig schließt dieser Qualitätsstandard die Verwendung von Lösungsmitteln, Geruchsstoffen und anderen Raffinierungstechniken aus.
Chemische Methoden unzureichend
An diesem Punkt erreichen die bisher üblichen Techniken ihre Leistungsgrenze. Oliven- und Haselnussöl sind einander chemisch so ähnlich, dass Beimengungen von letzterem mit analytisch-chemischen Methoden kaum zu entdecken sind.

Außerdem kann man auf diese Weise auch nicht das Land, geschweige denn die Region feststellen, wo das Öl produziert wurde.
DNA-Technologie: Schritt eins - Vervielfältigung
Demgegenüber bedeuten solche Fragestellungen für moderne DNA-Techniken kein Problem, zumindest kein prinzipielles. In diesem Zusammenhang schwören Food-Forensiker - die Spurensucher im Lebensmittelbereich - auf drei Kürzel, die schon wegen ihrer Kryptik eine gewisse Wissenschaftlichkeit suggerieren. Sie lauten: PCR, SNPs und SSLPs.
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PCR
Das Kürzel "PCR" steht für "polymerase chain reaction" und bezieht sich auf eine Vervielfältigungsmethode, mit der sich feinste Spuren genetischen Materials innerhalb von Stunden in beliebigen Mengen anreichern lassen. Der Entwickler dieser Technik, der US-amerikanische Chemiker Kary Banks Mullis, erhielt dafür 1993 den Nobelpreis für Chemie.

Mittlerweile kann man mittels neuerer PCR-Varianten ("competitive PCR") Genmaterial nicht nur beliebig vervielfältigen, man vermag auch die DNA-Menge in der ursprünglichen Probe exakt zu bestimmen. Das ist deswegen wichtig, weil man auch das Ausmaß von Verunreinigungen festhalten möchte - beispielsweise bei Spuren von GM-Pflanzen in Sojaprodukten.
->   Mehr zur PCR bei Wikipedia
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Schritt zwei - genetischer Fingerabdruck
Der zweite Schritt der Spurensuche besteht in der eigentlichen Identifizierung des gesuchten Materials. Dabei geht es um die Ermittlung des berühmten genetischen Fingerabdrucks - also jene Information, mit der auch Straftäter in der kriminalistischen Forensik überführt werden.
Genetischer Buchstabensalat
Die Kürzel SNPs ("single nucleotid polymorphisms") und SSLPs ("small sequence length polymorphisms") beziehen sich auf feinste Unterschiede im genetischen Alphabet, mittels derer sich nicht nur verschiedene Arten, sondern auch eng verwandte Züchtungen und Varianten unterscheiden lassen.

So kann man mit Hilfe der DNA-Technologie etwa problemlos Pastaprodukte von Weich- und Hartweizen erkennen, wobei nur letztere exzellente Qualität garantieren und daher einen hohen Preis rechtfertigen.
Creutzfeld-Jakob: Suche nach Nervengewebe
Aus gesundheitlicher Sicht ist u.a. die Identifizierung von Nervengewebe in Fleischproben (Stichwort: Creutzfeld-Jakob-Krankheit) von besonderer Relevanz. Hier stoßen die Genetiker auf die Schwierigkeit, dass Gewebe von ein und dem selben Tier die idente DNA-Sequenz aufweisen.

Allerdings sind in Muskeln völlig andere Gene aktiv, als etwa im Gehirn. Und diese unterschiedlichen Aktivitätsmuster werden durch subtile chemische Modifikationen bei gewissen DNA-Abschnitten ausgelöst, die Fachleute auch als epigenetischen Code bezeichnen.

In Tests mit Ratten konnten auf diese Weise Verunreinigungen mit Rückenmarksgewebe von 0,01 Prozent nachgewiesen werden.
->   Epigenetik bei Wikipedia
Spin off der Forschung im Dienste der Konsumenten
Auf methodische Probleme stoßen die DNA-Detektive im Supermarkt noch bei all jenen Lebensmitteln, die stark erhitzt bzw. industriell verarbeitet wurden, sowie bei solchen, deren genetisches Material erst mühsam von anderen Substanzen getrennt werden muss.

Gleichwohl sind auch diese Hürden prinzipiell zu meistern, wie Mark Woolfe und Sandy Primrose in ihrem Übersichtsartikel betonen. Mit anderen Worten: Das genetische Nachweisnetz bei Lebensmittelbetrug wird - zur Freude der Konsumenten - zusehends engmaschiger.

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Food Standards Agency
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Biologischer Landbau auf dem Prüfstand (22.4.04)
->   Die Sicherheitsbewertung von Gentech-Lebensmitteln (16.2.04)
->   Wie gesund sind probiotische Lebensmittel? (22.1.04)
->   Das Stichwort Lebensmittel im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010