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Inselgröße beeinflusst Immunsystem von Darwinfinken  
  Die diversen Finkenspezies auf den Galapagosinseln gelten seit Darwins Zeiten als Lehrbuchbeispiel von Evolutionsprozessen. US-amerikanische Forscher haben die geschichtsträchtigen Vögel nun in einer ganz speziellen Hinsicht unter die Lupe genommen. Sie gingen der Frage nach, ob das Immunsystem von unterschiedlichen Umweltbedingungen geprägt werden kann. Das Ergebnis: Die natürliche Selektion fördert - je nach Größe der Insel - verschiedene Strategien, um mit den unerwünschten Effekten von Parasiten fertig zu werden.  
Wie Karin Lindström von der Princeton University mit ihren Kollegen berichtet, ist die Abwehr von Erregern nicht in jedem Lebensraum gleich. Vögel auf kleinen Inseln bedienen sich vor allem des so genannten zellulären Immunsystems, während jene auf großen Inseln vermehrt auf die schützende Wirkung der Antikörper zurückgreifen.
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Der Artikel "Immunological investments reflect parasite abundance in island populations of Darwin's finches" von Karin Lindström et al. erschien als Online-Publikation auf der Website der Fachzeitschrift "Proceedings of the Royal Society London B" (DOI:10.1098/rspb.2004.2752).
->   The Royal Society Publications Website
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Darwinfinken - Klassiker der Evolutionsforschung
Die Darwinfinken verdanken ihren Namen einer Vermutung Charles Darwins, die er im Zuge seiner von 1831 bis 1836 dauernden naturkundlichen Studienreise auf dem Forschungsschiff Beagle entwickelt hat.

Damals fiel Darwin auf, dass die 13 auf den Galapagos-Inseln beheimateten Singvogelarten einander sehr ähnlich sind, sich jedoch in charakteristischen - von der jeweiligen Ernährungstechnik abhängigen - Merkmalen unterschieden.

Darwin schloss daraus, dass die unterschiedlichen Spezies von einer Grundart abstammen und sich erst im Lauf der Evolution auseinanderentwickelt haben.

Diese als Lehrbuchbeispiel der so genannten adaptiven Radiation geltende These wurde vor einigen Jahren auch durch genetische Studien bestätigt.
->   Mehr zu den Darwin-Finken (www.eduvinet.de)
Immunsystem von Lebensraum geprägt?
Ein Team um Karin Lindström hat die geschichtsträchtigen Untersuchungsobjekte nun erneut für evolutionsbiologische Forschungen herangezogen.

Die US-amerikanischen Biologen gingen der Frage nach, ob die Architektur des Immunsystems durch die ökologischen Bedingungen verschiedener Lebensräume verändert werden kann.

Die Grundüberlegung der Biologen: Da die Galapagos-Inseln aus etwa 60 Inseln völlig unterschiedlicher Größe bestehen, sollten sich diese auch in Bezug auf ihre Arten- und Individuen-Vielfalt unterscheiden.

Aus biogeografischen Studien ist z.B. bekannt, dass große Inseln mehr Spezies beherbergen als das bei kleineren der Fall ist.
->   Mehr zu den Galapagos-Inseln bei Wikipedia
Parasitendruck nimmt mit Inselgröße zu
Lindström und ihre Mitarbeiter dehnten diese Regel nun auf die Welt der Parasiten aus. Ihre Untersuchungen an Viren und Milben ergaben jedoch, dass die Artenvielfalt der Schmarotzer - entgegen der Erwartungen - auf allen Inseln gleich war. Nicht so die Zahl der Erreger: Hier fanden die Forscher, dass der Parasitenbefall mit der Größe der Insel klar zunahm.
Strategien der Immunantwort
Diesen Trend untersuchten die Forscher wiederum in immunologischer Hinsicht. Sie prüften, inwieweit sich die Strategien zur Parasitenabwehr des Kleinen Grundfinken ("Geospiza fuliginosa") in Abhängigkeit des Lebensraumes unterscheiden.

Diese Frage ist deswegen berechtigt, weil eine Immunantwort auf körperfremde Substanzen und Erreger auf zwei ganz unterschiedliche Arten zustande kommen kann.
->   Mehr zu Geospiza fuliginosa
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Zwei mögliche Immunreaktionen
Um in den Körper eingedrungene Mikroorganismen oder Fremdstoffe unschädlich zu machen, bedient sich der Körper zweier Subsysteme der Abwehr. Zum einen die so genannte humorale Immunität, d.h. die Produktion von Antikörpern, die von den B-Lymphocyten abgegeben werden und als lösliche Proteine im Blutplasma und in der Lymphflüssigkeit zirkulieren; das zweite Subsystem wird zellvermittelte Immunität genannt und beruht v.a. auf der direkten Wirkung von Zellen (etwa von T-Lymphocyten).
->   Details zum Immunsystem bei Wikipedia
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Große Inseln fördern Antikörper-Reaktion
Karin Lindström und ihre Kollegen fanden heraus, dass sich die Immunsysteme der Finken tatsächlich in Abhängigkeit ihrer Herkunft unterscheiden.

Vögel von größeren Inseln hatten nicht nur eine höhere Konzentration von Antikörpern im Blut, sie konnten auch schneller eine spezifische Immunantwort ausbilden. Die Finken der kleineren Inseln bedienten sich im Gegensatz dazu verstärkt der so genannten zellvermittelten Immunität.

Um Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wurden die Messungen durch Injektion einer immunstimulierenden Substanz (und nicht etwa mit natürlich vorkommenden Erregern) vorgenommen.
Beispiel eines evolutionären "trade offs"
Die Forscher interpretieren die Ergebnisse dahingehend, dass die Lebensräume auf großen und kleinen Inseln einen unterschiedlichen Selektionsdruck auslösen.

Dass die Vögel auf den großen Inseln trotz des höheren Parasitenbefalls vermehrt in die Antikörper-Reaktionen - jedoch weniger in die zelluläre Immunantwort - investieren, deute auf einen Kompromiss ("trade off") hin, der die evolutionären "Kosten" möglichst gering halte, so die Forscher in ihrer Publikation.
->   Website von Karin Lindström (Princeton University)
->   Mehr zum Stichwort Darwin im science.ORF.at-Archiv
->   Mehr zum Immunsystem im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010