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Gentech-Virus lässt Krebszellen explodieren  
  Ein gentechnisch modifiziertes Erkältungsvirus könnte sich als schlagkräftige und vor allem selektive Methode erweisen, um bösartige Tumoren zu zerstören. Der Erreger macht sich das spezielle Verhalten von Krebszellen zunutze - und führt letztlich dazu, dass die "Krankheitsherde" explodieren.  
Wie eine Studie von Forschern des britischen Cancer Research sowie der Queen Mary's School of Medicine and Dentistry an der University of London zeigt, kann das Ausschalten eines Schlüsselgens das Virus dazu bringen, Krebszellen zu infizieren und zu zerstören.

Normales Körpergewebe bleibt hingegen unbeschädigt, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin "Molecular Therapy".
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Die Studie erscheint unter dem Titel "An E1B-19 kDa gene deletion mutant adenovirus demonstrates tumor necrosis factor-enhanced cancer selectivity and enhanced oncolytic potency" in einer kommenden Ausgabe von "Molecular Therapy" (doi:10.1016/j.ymthe.2004.03.017).
->   Abstract des Originalartikels
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Viren unterlaufen zelluläres Selbstmord-Programm
Viren bedienen sich einiger perfider Methoden, um die Zellen ihres Wirtes zu infiltrieren: Normalerweise sollte etwa die Entdeckung eines solchen Eindringlings die Zellen veranlassen, den Prozess der Apoptose einzuleiten.

Dieser veranlasst eine Art zellulären Selbstmord - und verhindert so, dass sich das Virus im Körper immer weiter ausbreiten kann. Doch Viren tragen mitunter in ihrem eigenen Erbgut Gene mit sich, die es ihnen erlauben, jenen Prozess in gesunden Zellen zu unterlaufen.
Genmanipulation macht Viren angreifbar
Die britischen Forscher schalteten nun eines dieser Gene in einem einfachen Erkältungsvirus, einem so genannten Adenovirus aus.

Damit aber wurde der Erreger sogleich von den normalen Zellen entdeckt, via Apoptose unschädlich gemacht und solchermaßen an seiner Verbreitung - zumindest im gesunden Körpergewebe - gehindert.
Krebszellen ignorieren Zelltod-Signale
Im Gegensatz zu normalen Zellen zeichnen sich Krebszellen allerdings häufig durch eine Besonderheit aus: In vielen Tumoren ignorieren sie den biologisch vorprogrammierten Zelltod - und können so unkontrolliert weiter wachsen.

Und genau hier setzten die Forscher mit dem Gentech-Virus an. Denn dieses wuchs und gedieh in den bösartigen Wirtszellen ganz nach Wunsch - und replizierte sich dabei so stark, dass es die Krebszellen gleichsam zum Explodieren brachte.
Krebszellen übernehmen die ganze Arbeit
"Das Großartige an dieser Strategie ist, dass die Krebszelle die ganze harte Arbeit übernimmt", kommentiert Forschungsleiter Nick Lemoine von Cancer Research UK die Ergebnisse seines Teams gegenüber dem Wissenschaftmagazin "New Scientist".

"Sie produziert mehr und mehr Viren, um die benachbarten Krebszellen zu infizieren. Wird aber eine normale Zelle infiziert, dann begeht sie Selbstmord, bevor sie ein neues Virus herstellen kann - und die Virusverbreitung wird aufgehalten."
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Unerwarteter Vorteil: Replikation viel schneller als normal
Der von den Wissenschaftlern entfernte Erbgutfaktor trägt den klingenden Namen E1B-19kD. Mit ihrer Wahl haben die Forscher ganz offensichtlich Gespür bewiesen - denn sie stellten auch einen unerwarteten Effekt fest (abgesehen von der Tatsache, dass damit der Schutzmechanismus des Erregers außer Kraft gesetzt wurde): Das Virus replizierte sich nämlich sehr viel schneller als normal, was wiederum die "Explosion" der Krebszellen unterstützte.
->   Informationen zu Adenoviren (Virologie der Vet. Med. Wien)
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Erste Tests zeigten Wirkung
Das Forscherteam hat die Wirkung der Gentech-Viren bereits in vitro und in vivo getestet: Demnach zeigte sich der Erreger wirksam gegen Zellkulturen etwa von Bauchspeicheldrüsen-, Lungen-, Eierstock- und Leberkrebs, sowie bei der Behandlung von lebenden, an Krebs erkrankten Mäusen.

Den Angaben zufolge sollen kommendes Jahr klinische Versuchsreihen am Menschen mit dem modifizierten Virus folgen.
Bereits weitere Modifikationen angedacht
Wie Robert Souhami von Cancer Research UK erklärt, habe das Virus sich in den Versuchen bisher sowohl wirksam als auch selektiv gezeigt, doch nur klinischen Studien könnten klären, ob die Behandlung auch beim Menschen funktioniere.

Forschungsleiter Lemoine wiederum sieht bereits weitere Möglichkeiten der Modifikation: Er denkt an zusätzliche "Anti-Krebs-Waffen", mit denen man das Virus ausstatten könnte - etwa in Form von Genen, die toxische Substanzen produzieren.
->   Molecular Oncology Unit (Cancer Research UK)
->   Queen Mary's School of Medicine and Dentistry
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01.01.2010