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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Urzeitlicher Treibhauseffekt vor Aufklärung  
  Das Besondere des derzeit festgestellten Treibhauseffekts ist weniger sein Ausmaß als das Tempo seines Wachstums. Erdgeschichtlich lösten sich Wärme- und Kälteperioden immer schon ab - vor 55 Millionen Jahren etwa gab es eine "Hitzeperiode", die rund 200.000 Jahre andauerte. Ursache dafür dürfte die plötzliche Freisetzung von in den Weltmeeren gespeichertem Methan gewesen sein - riesige Unterwasserschlote lösten einen Treibhauseffekt aus.  
Henrik Svensen vom Institut für Geologie der Universität Oslo in Norwegen und seine Kollegen beschreiben diese urzeitliche Szenerie in der aktuellen Ausgabe von "Nature". Anhand seismischer Profile entdeckten sie Hunderte so genannter Hydrothermal-Quellen am Grund des Norwegischen Meeres.

Sie gehen davon aus, dass organische Sedimente, in die aus dem Erdmantel stammendes Gas-Wasser-Gemisch eindrang, große Mengen an Methan produziert haben könnten. Das Methan gelangte ins Meer, zerfiel zu Kohlendioxid und löste so den Treibhauseffekt im Eozän aus.
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Die Studie ist unter dem Titel "Release of methane from a volcanic basin as a mechanism for initial Eocene global warming" in "Nature" (Bd. 429, S. 542, Ausgabe vom 2. Juni 2004) erschienen.
->   "Nature"
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Das Tertiär: Ein kühles Zeitalter ...
Nach den Temperaturmaxima der Kreidezeit (ab 135 Millionen Jahren) mit einer rund zehn Grad höheren Weltmitteltemperatur als heute hatte eine markante Abkühlungsphase begonnen, die sich das ganze Tertiär (ab 65 Mio. Jahren) über fortgesetzt hat.

Man vermutet an der Kreide-Tertiär-Grenze einen besonders starken Abkühlungsschub, der von einem enormen Meteoriteneinschlag hervorgerufen worden sein könnte und zum Aussterben der Dinosaurier geführt hat.
... mit kurzen "Hitzephasen"
Dennoch kam es im Tertiär auch zu - erdgeschichtlich sehr kurzen - Phasen globaler Erderwärmung. Für Geologen ist das "initial Eocene thermal maximum" (IETM) vor rund 55 Millionen Jahren das Musterbeispiel für Erderwärmung und massiven Treibhauseffekt.

Innerhalb eines "erdklimatischen Augenblicks" stiegen die Temperaturen der Erdoberfläche zu Beginn des Eozän, dem mittleren Alttertiär (Paläogen), um fünf bis zehn Grad Celsius an.
->   Mehr über das IETM (englisches Wikipedia)
735 Hydrothermalquellen westlich von Norwegen
Zur gleichen Zeit gelangten riesige Mengen an Kohlendioxiden in den globalen Kohlenstoffkreislauf - vermutlich durch die Oxidation von Kohlenwasserstoffen. Svensen und seine Kollegen sehen als Auslöser dafür die Wirkung von Methan-freisetzenden Hydrothermalquellen tief in den Weltmeeren an.

Sie haben zwei sedimentäre Meeresbecken westlich von Norwegen untersucht - und dabei auf einer Länge von Zigtausenden Kilometern 735 dieser Quellen entdeckt, die in einer rund 55 Millionen Jahre alten Gesteinsschicht enden. Ihre tatsächliche Anzahl schätzen sie drei- bis fünffach so hoch ein.
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Hydrothermalquellen
Hydrothermalquellen ("hydrothermal vents") - heiße, mineralreiche Quellen des Meeresbodens in mehreren tausend Metern Tiefe - wurden erstmals 1977 in der Nähe der Galapagosinseln entdeckt. Die Unterwasser-Quellen aus Vulkanschloten bilden sich meist an aneinander grenzenden Kontinentalplatten. Durch Ritzen dringt Wasser in die knapp unter dem Meeresboden liegenden heißen Basalt- und Magma-Zonen ein, wird erhitzt und mit Mineralien angereichert. Danach wird es wieder mit hoher Temperatur durch kaminartige Öffnungen in das Seewasser ausgestoßen.
->   Mehr dazu in: Riesige Unterwasser-Kamine entdeckt (13.7.01)
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1.500 Gigatonnen Kohlendioxid in der Atmosphäre
Vorangegangene Untersuchungen zum Anteil der Kohlenstoffisotope C12 und C13 in Sedimenten belegen, dass zu Beginn des Eozäns mindestens 1.500 Gigatonnen Kohlendioxid in kürzester Zeit - in 10.000 Jahren - in die Atmosphäre gelangt sein müssen.

Als einzige dafür in Frage kommende Quelle werden große Reservoirs organischer Materialien angenommen.
Aus Methan wird Kohlendioxid
 
Grafik: Nature

Das Bild zeigt die Freisetzung des Methans vor 55 Millionen Jahren samt begleitender chemischer Prozesse. Sedimente mit ausreichend organischem Kohlenstoff (CH2O) wurden von den heißen Hydrothermalquellen durchdrungen, was zur Freisetzung von Methan führte (CH4). Durch die Kanäle der Quellen gelangte das Gashydrat an den Meeresgrund und das Methan oxidierte im Meer und in der Atmosphäre zu Kohlendioxid (CO2) - dem Treibhausgas Nummer Eins.

Nachweisbar ist der Prozess durch die Entdeckung feiner Schichten von Sedimenten, die vom Beginn des Eozäns stammen und völlig karbonatfrei sind.
Vergleichbarkeit mit heute?
Bislang, so schreibt der Geowissenschaftler Gerald Rice von der Rice University in Houston in einem Begleitartikel des aktuellen "Nature", hätte sich die Kollegenschaft gegen einen direkten Vergleich dieser prähistorischen Vorgänge mit jenen der Gegenwart ausgesprochen - in erster Linie da es keine direkten Beweise für den Mechanismus der Kohlenwasserstoff-Freisetzung gegeben hätte.

Mit den Beobachtungen von Svensen und seinem Team könne sich dies nun aber ändern. Sie könnten in Zukunft als Modell für Klimaprognosen verwendet werden.
->   Institut für Geologie, Universität Oslo
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Genaueste Datierung der Erdzeitalter (17.5.04)
->   Methan: Tickende Zeitbombe auf dem Meeresgrund? (18.2.03)
->   Neue Methoden zur Entsorgung der Treibhausgase (14.2.03)
 
 
 
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01.01.2010