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Klarträume: Esoterik oder Psychotherapie-Technik?  
  Es klingt absonderlich - und könnte doch eine neue Technik der Psychotherapie werden: Mittels so genannter Klarträume sollen sich quälende Albträume behandeln lassen. Der Schlafende realisiert demnach bewusst, dass er träumt - und kann somit den Verlauf seiner Albträume auch positiv verändern. Die Wiener Psychologin Brigitte Holzinger will nun mit einer Studie den wissenschaftlichen Beweis für die esoterisch anmutende Therapiemethode antreten.  
Eine Studie der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung hat 1993 in einer repräsentativen Umfrage gezeigt, dass rund vier Prozent der Österreicher regelmäßig unter Albträumen leiden.
Luzide Träume gegen nächtliche Monster
Wie aber geht man gegen die belastenden Albträume vor? Die Wissenschaftlerin Brigitte Holzinger will geplagten Menschen mittels Klarträumen - im Fachjargon: luzide Träume - helfen, die nächtlichen Geister und Monster aus dem Schlaf zu verbannen.
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Klarträume oder luzide Träume
Der Begriff des luziden (bewussten) Träumens - erstmals 1913 aufgetaucht - geht auf den niederländischen Psychiater Frederik Willems van Eeden zurück. Im deutschsprachigen Raum nannte der Psychologe Paul Tholey (1987) diesen Zustand Klartraum. Die Kurzdefinition: Der Schläfer ist sich beim Träumen bewusst, dass er träumt - und kann zudem laut Theorie die Klarträume bewusst provozieren sowie ihren Verlauf beeinflussen.
->   Informationen zu Klarträumen (private Homepage)
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"Nahe an der Esoterik-Ecke"
Brigitte Holzinger beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit diesem Phänomen - und gibt durchaus zu, dass Klarträume recht absonderlich anmuten mögen: "Es ist nahe an der Esoterik-Ecke", sagt sie.

"Das ist ja der Grund, warum ich seit Jahren versuche, das streng wissenschaftlich zu verifizieren."
Vielzahl von Studien hat Klarträume nachgewiesen
Wer grundsätzlich an der Existenz der luziden Träume zweifelt, sei allerdings eines Besseren belehrt. Tatsächlich hat bereits eine ganze Reihe von Studien ihr Auftreten während des so genannten REM-Schlafes nachgewiesen, wie der deutsche Sportwissenschaftler Daniel Erlacher gegenüber science.ORF.at erläutert.

Das Kürzel REM steht für "rapid eye movements" - zu Deutsch: schnellen Augenbewegungen -, welche die als traumreich bekannte REM-Phase begleiten. Ein weiteres Charakteristikum: Der restliche Körper ist "gelähmt".
Augenbewegungen als Nachweis
Die Nachweismethode ist relativ simpel: Wie Erlacher, der dies selbst bereits im Schlaflabor überprüft hat, erklärt, müssen die Probanden in ihrem Klartraum zuvor vereinbarte spezifische Augenbewegungen machen.

Und tatsächlich bewegen sich bei der Untersuchung die Augen der ansonsten "gelähmten" und schlafenden Versuchsteilnehmer mit. Diese Bewegungen aber lassen sich von den spontanen "rapid eye movements" gut unterscheiden.
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Verbesserung motorischer Abläufe möglich?
Erlacher geht am Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Heidelberg der Frage nach, ob sich etwa motorische Bewegungsabläufe durch Übungen in Klarträumen verbessern lassen. Die Ausgangsfrage seiner Studien: Kann man im Traum motorisch lernen? Bislang gebe es dazu nur wenige Ergebnisse, sagt der Forscher.

Er konnte aber bereits nachweisen, dass bei Probanden, die während ihres Klartraumes Kniebeugen absolvieren sollten, tatsächlich die Herz- und Atemfrequenz stieg. Ein Hinweis darauf, dass die motorischen Zentren im Gehirn angesprungen sein könnten. Ähnliche Ergebnisse brachte eine Studie, bei der Handbewegungen gemacht werden sollten.
->   Forschungssite von Daniel Erlacher (www.klartraum.de)
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Psychotherapie gegen Albträume?
Brigitte Holzinger will nun in Zusammenarbeit mit dem Wiener AKH mit einer Studie ihres Instituts für Bewusstseins- und Traumforschung den wissenschaftlichen Beweis dafür antreten, dass luzide Träume psychotherapeutisch gegen Albträume eingesetzt werden können.

"Der Klartraum benötigt zwei Kriterien. Erstens muss der Träumer wissen, dass er träumt. Zweitens muss er sich bewusst sein, dass er frei entscheiden kann, zu tun, was immer er möchte", erklärt sie.

Diese mentale Technik setzt sie für ihre seit Anfang des Jahres laufende Untersuchung zur Albtraumforschung ein. Insgesamt 20 Probanden nahmen an der Studie teil, die mindestens ein bis zwei Mal im Monat einen Albtraum hatten und - subjektiv - darunter litten, wie Holzinger gegenüber science.ORF.at erläutert.
Positive Veränderung der Albträume
Der erste Teil der Untersuchungen ist bereits abgeschlossen, ein Zwischenbericht liegt vor. Demnach hat zumindest ein Teil der Klartraumgruppe mit Hilfe des luziden Traums die Albträume zum Positiven hin verändern können.

Neben psychologischen Tests und der Dokumentation der Krankengeschichte wurden zudem laufend mittels Fragebogen subjektive Daten über Schlaf und Traum der Versuchspersonen erhoben worden.
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Parallel begleitet von einer Gestalttherapie
Das Herzstück der Studie, so Holzinger, bestehe aus einer Validierung des Klarträumens: Die Teilnehmer der Studie wurden dafür in zwei Gruppen eingeteilt, wobei beide Gruppen eine Gestalttherapie (wöchentlich 90 Minuten) erhielten - aber nur die zweite wurde im Klarträumen (50 Minuten pro Woche) unterrichtet.

Doch auch die erste Gruppe konnte gute Ergebnisse erzielen: "Insgesamt hat ein ganz großer Teil der Versuchspersonen enorme Erleichterung erfahren. Der Schrecken der Albträume hat sich verringert", so Holzinger zu den ersten Ergebnissen - "die Angst wird relativiert."
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Endgültige Ergebnisse für 2005 erwartet
Mit den für das Frühjahr 2005 erwarteten endgültigen Daten will die Psychologin die Wissenschaft davon überzeugen, dass Klarträumen ebenso eine psychotherapeutische Technik wie die Gestalttherapie ist.

"Ich glaube, dass es eine gute Methode ist, um Albträume in den Griff zu bekommen", sagt die Wissenschaftlerin.
Wie sich Klarträume hervorrufen lassen
Doch wie provoziert man bewusst luzide Träume? Laut dem "Klartraum-Forscher" Paul Tholey gibt es grundsätzlich zwei Wege, einen Klartraum herbeizuführen. Erstens, indem man Klarheit im Traum zu gewinnen oder zweitens, indem man sie beim Einschlafen zu bewahren sucht.

Wie Brigitte Holzinger allerdings anmerkt, ist es nicht ganz einfach, das Klarträumen zu erlernen. Es erfordere einige Mühen, sagt sie. Die Psychologin stellt es ihren Probanden im Übrigen frei, welcher Technik sie sich bedienen möchten.
Mittels "reality checks" im Traum aufwachen
Die Klarheit gewinnende Technik beispielsweise - auch KLG-Technik genannt - ermöglicht es, während gewöhnlicher Träume zur Erkenntnis des Traumzustande zu kommen. Zentraler Bestandteil dieser Technik sind so genannte "reality checks".

Dafür stellt man sich fünf bis zehn Mal am Tag die ernsthafte Frage: "Wache oder träume ich?" Dabei wird ausführlich der eigene Bewusstseinszustand überprüft. So untersucht man etwa die augenblickliche Situation auf Sonderbares, Unrealistisches oder Bizarres.

Nach einiger Zeit sollte man diese "reality checks" laut Theorie auch in den Traum übernehmen - und eines Tages in seinem eigenen Traum "aufwachen".
Die Konfrontation mit dem Albtraum-Verfolger
Den möglichen Therapieeffekt könnte man sich laut Holzinger im Übrigen etwa folgendermaßen vorstellen:

Leidet der Betroffene beispielsweise - durch Stress oder andere Ursachen bedingt - unter wiederkehrenden Albträumen, in denen er vor einem Verfolger flüchtet, könnte er mittels Klartraum-Technik den Ablauf beeinflussen - und durch das Zurückblicken herausfinden, wer oder was ihn eigentlich verfolgt.

Oft, so Holzinger, erscheine jener Verfolger schon alleine durch diese Konfrontation viel weniger bedrohlich.
->   Institut für Bewusstseins- und Traumforschung
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Für einen zweiten Untersuchungsdurchlauf im Herbst 2004 sucht das Institut für Bewusstseins- und Traumforschung derzeit noch Teilnehmer, die regelmäßig unter Albträumen leiden.
->   Informationen und Kontakt in www.traum.ac.at
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->   Informationen zu Paul Tholey
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Lernen im Traum: Forschung bringt Licht ins Dunkle (12.5.04)
->   Studie: Schlafen hilft beim Problemelösen (22.1.04)
->   Alles zum Stichwort Schlaf im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010