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Forscher rücken Quantencomputer einen Schritt näher  
  Mit Hilfe der Prinzipien der Quantenmechanik soll die Datenverarbeitung in Zukunft wesentlich leistungsfähiger werden, als dies derzeit mit den modernsten Supercomputern möglich ist. Noch ist so ein Quantencomputer allerdings Zukunftsmusik, gegenwärtig sind Physiker damit beschäftigt, die experimentellen Grundlagen dieses Forschungsgebiets zu erarbeiten. Ein solches Kunststück gelang soeben einer Gruppe von Innsbrucker Forschern, die einen wichtigen Vorgang für die zukünftige Fehlerkorrektur von Quantencomputern verwirklicht haben.  
Die Arbeitsgruppe um Rainer Blatt vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck erzeugte zu diesem Zweck eine aus drei Calcium-Ionen bestehende Minimalversion eines Quantencomputers.

Diese bildete einen verschränkten Zustand von drei Quantenbits - dem Gegenstück zu den Nullen und Einsen eines klassischen Rechners -, der im Experiment gezielten Manipulationen unterworfen wurde.
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Der Artikel "Control and Measurement of Three-Qubit Entangled States" von Christian F. Roos et al. erschien Im Fachjournal "Science" (Band 304, S.1478-80, Ausgabe vom 4.6.04).
->   Science
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Klassischer Rechner und Quantencomputer
In einem klassischen Computer (wie etwa jener des Lesers dieses Online-Artikels) werden Informationen in Form von Bits gespeichert und verarbeitet. Jedes einzelne Bit nimmt dabei entweder den Wert 0 oder 1 an.

Im Quantencomputer ist das anders: Quantenbits, die elementaren Träger von Quanteninformation, können auch alle zwischen 0 und 1 liegenden Werte annehmen. Gemäß der Quantentheorie bewirkt erst die Messung, dass ein Quantenbit in einen der klassischen Werte 0 oder 1 übergeht.
->   The Quantum Computer (Caltech)
Verschränkte Quantenbits
Die Forschungen der Innsbrucker Physiker betreffen die Verschränkung von drei Quantenbits - man hat es also bei den Quantencomputern der Gegenwart noch mit relativ bescheidenen Rechenkapazitäten zu tun.

Das Geheimnis für die atemberaubende Schnelligkeit eines Quantenrechners besteht im Prinzip darin, dass damit eine Vielzahl möglicher Rechenschritte parallel ausgeführt werden kann - und genau das ermöglicht erst das wundersame Phänomen der Verschränkung.
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Was ist Verschränkung?
Als Verschränkung bezeichnet man die Abhängigkeit der Zustände von zwei (oder mehr) Teilchen, die räumlich getrennt sind. Ein bekanntes Beispiel dafür ist etwa der Spin von einem Teilchen, dessen Messung auch bei seinem verschränkten Partner augenblicklich dessen Zustand bestimmt - und zwar unabhängig davon, wie weit die beiden voneinander entfernt sind.
Diese - aus Sicht der klassischen Physik - paradoxe Beeinflussung hat Albert Einsdtein als "spukhafte Fernwirkung" bezeichnet. Der Begriff "Verschränkung" stammt vom österreichischen Physiker Erwin Schrödinger, er wurde von ihm bereits in den 1930er Jahren eingeführt.
->   Quantenverschränkung bei Wikipedia
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Miniatur-Computer: Calcium in der Ionenfalle
Im Experiment wurden von den Innsbrucker Physikern Calcium-Atome in einer Ionenfalle gespeichert und durch eine Sequenz von Laserpulsen in einen verschränkten Zustand gebracht.

Die Physiker bestimmten daraufhin den Zustand eines Teilchens und untersuchten, wie sich dieser Vorgang auf die verbleibenden Quantenbits auswirkt.
Verschiedene Klassen von Verschränkungen
Interessanterweise gibt es zwei grundlegend verschiedene Klassen der Verschränkung - einerseits die so genannten Greenberger-Horne-Zeilinger-Zustände (kurz: GHZ-Zustände) und andererseits die W-Zustände.

Wie einer der Autoren der Studie, Ferdinand Schmidt-Kaler, im Gespräch mit science.ORF.at erklärt, habe man weltweit erstmals die Voraussage der Theoretiker bestätigen können, dass bei Messung eines Teilchens die GHZ-Verschränkung der verbleibenden Partner sofort zusammenbricht, während die W-Verschränkung deutlich länger bestehen bleibt.
Der Trick für die Fehlerkorrektur
Die Messungen zeigten weiterhin, dass man auf das Messergebnis reagieren und an den restlichen Quantenbits weitere Rechenoperationen durchführen kann.

Diese Ergebnisse sind deswegen von Belang, weil man somit einem Quantencomputer ein Programm zur Fehlerkorrektur einbauen könnte, ohne dass dabei der eigentliche Rechenvorgang gestört wird.
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Literatur-Tipp
Zu diesem Thema erschien in der Fachzeitschrift "Science" auch ein Begleitartikel von D.G. Cory und T.F. Havel mit dem Titel "Ion Entanglement in Quantum Information Processing" (Band 304, Ausgabe vom 4.6.04).
->   Science
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Blick in die Zukunft
Die neuen Experimente eröffnen die Möglichkeit, weit kompliziertere Rechenprozesse zu verwirklichen.

Dazu zählt nicht nur die erwähnte Fehlerkorrektur in einen Quantencomputer, sondern auch die so genannte Teleportation von materiellen Quantenbits.

Außerdem zeigen die Resultate, in welcher Weise sich einzelne, gefangene Atome für den Bau eines Quantencomputers eignen, der die Informationsverarbeitung der Zukunft revolutionieren soll.
->   Institut für Experimentalphysik (Uni Innsbruck)
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Verschränkte Teilchen überwinden Gesetze der Optik (13.5.04)
->   Weltweit erste Banküberweisung mit Quantenkryptographie (21.4.04)
->   Mit kalten Gasen zum Quantencomputer (11.7.03)
 
 
 
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01.01.2010