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Sozialer Status entscheidend für Lebenserwartung  
  Die richtige Ernährung, Umwelteinflüsse, genetische Veranlagung und Einkommensverhältnisse werden zumeist als die Gründe dafür genannt, warum manche Menschen älter werden als andere. Ein britischer Mediziner verweist seit Jahren auf einen anderen Faktor - ihm zufolge bestimmt der soziale Status unsere Lebenserwartung. Je höher wir in der "sozialen Pyramide" stehen, desto älter werden wir.  
Die Auswirkungen dieses grundlegenden Faktors unterscheiden sich aber stark nach Ort und Zeit, meint Sir Michael Marmot, Epidemiologe am University College in London (UCL). Am Montag hielt er am "International Centre for Health and Society" einen Vortrag, seine Thesen fasste er auch in einem kürzlich erschienen Buch zusammen.
->   Abstract des Vortrags (7.6.2004)
->   "Status Syndrome" (Verlag Bloomsbury)
"Whitehall study": Kleine Beamte werden herzkrank
Bekannt wurde Marmot mit der "Whitehall study", bei der er den Gesundheitszustand britischer Beamter seit den 1970er Jahren verfolgte. Dabei zeigte sich, dass einfache Beamte einem weit höheren Risiko ausgesetzt sind, an Herzkrankheiten zu erkranken, als Spitzenbeamte.
->   Whitehall II Study
Feine Unterschiede bei Titeln und Oscars
Schon geringe Unterschiede des sozialen Status können laut Marmot große Auswirkungen auf die Gesundheit haben. So leben Menschen mit einem Doktorat länger als jene mit einem Magistertitel, Magister wiederum länger als Menschen mit Matura etc.

Und selbst unter Filmschauspielern gebe es feine Unterschiede: Oscar-Gewinner würden im Schnitt drei Jahre älter als ihre Kollegen, die für die größte Auszeichnung im Filmgeschäft lediglich nominiert worden sind.
Einkommen nicht entscheidend
Zwar bezweifelt Marmot selbstverständlich nicht den Einfluss von richtiger Ernährung und anderen klassischen Faktoren für die Gesundheit. Für entscheidend hält er aber den sozialen Status - was nicht zu verwechseln sei mit den finanziellen Möglichkeiten.

In den westlichen Ländern, in denen absolute Armut selten ist, sei dafür "Einkommen an sich kein Maßstab".
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Beispiel Kuba, Japan und USA
Die relativ geringe Aussagekraft des bloßen Einkommens für die Gesundheit illustriert Marmot an den Beispielen von Kuba, Japan und den USA. Während letztere ein Bruttosozialprodukt von 34.000 Dollar pro Einwohner aufweisen, liegt die Lebenserwartung ihrer Einwohner bei 76,9 Jahren. Kuba mit einem Bruttosozialprodukt von nur 5.200 Dollar kommt dem mit 76,5 Jahren sehr nahe. Und Japan hat schließlich die weltweit höchste Lebenserwartung mit 81,3 Jahren - bei einem Bruttosozialprodukt von 25.000 Dollar pro Einwohner. Zum Vergleich: In Österreich liegt die Lebenserwartung bei 78,4 Jahren.
->   Lebenserwartung leicht gestiegen (19.4.04)
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Der Einfluss der Politik
Dass der Einfluss des sozialen Status auch innerhalb des gleichen Landes in relativ kurzer Zeit variieren kann, untermauert Marmot anhand seiner Heimat.

So sei der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen den obersten und niedrigsten Schichten der Gesellschaft von fünfeinhalb Jahren in den 1970er Jahren auf neuneinhalb Jahren in den 1990er Jahren angewachsen - nach Jahren konservativer Regierung um Margaret Thatcher.

Nach mittlerweile sieben Jahren Regierung durch die Labour Party sei bereits eine Trendwende zu bemerken: Der Unterschied in der Lebenserwartung habe sich wieder auf acht Jahre reduziert, berichtet Marmot in der Online-Ausgabe des "New Scientist".
Geringere soziale Partizipation ...
Der Grund für die schlechtere Gesundheitsqualität für Menschen mit geringerem Status liege in der geringeren sozialen Beteiligung und Partizipation. Der vermeintliche Stress für Menschen in Führungspositionen mag sich also gar nicht so negativ auswirken, solange er vorhersehbar und unter Kontrolle ist.
... und mehr Stresshormone
Marmont bentot auch die Rolle des Stresshormons Cortisol, dessen Anteil im Blut mitentscheidend für das Risiko von Herzerkrankungen ist.

Die meisten Menschen schütten davon in der Früh nach dem Aufstehen große Mengen aus - wie die "Whitehall Study" belegte, Menschen mit niedrigem Status aber weit mehr als andere. Stress wiederum beeinflusst das Nervensystem und die Adrenalinausschüttung, so Marmot.
->   Michael Marmot, (UCL)
->   Publikationen von Michael Marmot (PubMed)
->   science.ORF.at-Archiv zum Thema "Lebenserwartung"
 
 
 
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01.01.2010