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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
"Warmzeit" wird noch 15.000 Jahre andauern  
  Eisbohrkerne sind ein zuverlässiges Klimaarchiv: Mit ihrer Hilfe können Wissenschaftler den Wandel des Klimas und die Zusammensetzung der Atmosphäre im erdgeschichtlichen Maßstab ablesen. Nun gibt die tiefste Bohrung aller Zeiten in der Antarktis einen Überblick über die vergangenen knapp 750.000 Jahre. Die derzeitige Warmzeit wird demzufolge noch mindestens weitere 15.000 Jahre andauern.  
Dies ist eines der Ergebnisse der Untersuchungen eines europäischen Forscherteams am ältesten Eis der Antarktis, die in "Nature" veröffentlicht wurden. Ihre Prognose beruht freilich auf Einschätzungen ohne menschlichen Einfluss, der von vielen Fachleuten als hauptverantwortlich für die globale Klimaerwärmung gemacht wird.
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Die Studie ist unter dem Titel "Eight glacial cycles from an Antarctic ice core" in "Nature" (Bd. 429, S. 632, Ausgabe vom 10. Juni 2004) erschienen.
->   Original-Abstract in "Nature"
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Älteste kontinuierliche Klimaaufzeichnung
In einem drei Kilometer langen Eisbohrkern werden die Geheimnisse der Klimageschichte der Erde enthüllt. Der Eisbohrkern setzt sich aus den Schneefällen der letzten 740.000 Jahren zusammen und ist derzeit die älteste vorhandene kontinuierliche Klimaaufzeichnung.

Gebohrt wurde der Kern während eines achtjährigen Projekts von Wissenschaftlern und Technikern aus zehn europäischen Ländern auf Dome C, hoch auf dem östlichen antarktischen Eisschild.
->   Mehr über Dome C
Acht Eiszeiten in den letzten 740.000 Jahren
Die ersten Resultate bestätigen laut Eric Wolff vom "British Antarctic Survey", dass in den letzten 740.000 Jahren acht Eiszeiten (Glaziale) aufeinander folgten, während denen das Klima auf der Erde sehr viel kälter war als heute.

Die Eiszeiten wurden jeweils von acht wärmeren Phasen abgelöst, so genannten Warmzeiten (Interglaziale).
Warmzeiten werden kürzer, aber wärmer
In den letzten 400.000 Jahren waren die Temperaturen dieser Warmzeiten vergleichbar mit heute. Davor waren diese Zwischeneiszeiten nicht ganz so warm, dauerten jedoch länger.

Aus dem Vergleich des Klimamusters in der Vergangenheit mit den gegenwärtigen globalen Umweltbedingungen folgern die Forscher, dass die gegenwärtige Warmzeit ohne menschlichen Einfluss noch mindestens weitere 15.000 Jahre dauern würde. Unsere Zwischeneiszeit hält bereits seit rund 10.000 Jahren an.
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EPICA: Europäisches Eisbohr-Projekt
Das Projekt EPICA (European Project for Ice Coring in Antarctica) wird von einem Konsortium aus zehn europäischen Ländern (Belgien, Dänemark, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Niederlande, Norwegen, Schweden, Schweiz) durchgeführt. EPICA wird unter dem Dach der European Science Foundation (ESF) koordiniert und durch die beteiligten Länder und die Europäische Union finanziert. Ziel von EPICA ist es, im Inlandeis der Antarktis zwei Eiskerne zu erbohren, die bis zum Felsuntergrund reichen. Neben der Bohrung an Dome C wird auch an der Kohnen-Station in Dronning Maud Land eine Bohrung durchgeführt, die mittlerweile eine Tiefe von 2.565 Metern erreicht hat.
->   Mehr über EPICA
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Zusammensetzung der Atmosphäre untersucht
Am Eisbohrkern werden auch kleinste Blasen aus dem Eis extrahiert, um herauszufinden, wie sich die Zusammensetzung der Atmosphäre verändert hat. Vorausgegangene Analysen zeigten bereits, dass die Kohlendioxid-Konzentration in den letzten 440.000 Jahren nie so hoch war wie heute.

Sobald die Forscher verstehen, welche Parameter die Klimaveränderung beeinflusst haben, erwarten sie bessere Voraussagen über das Klima.
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Klimaarchiv in den Eiskernen
Eiskerne sind Zylinder mit einem Durchmesser von zehn Zentimetern, die im Bohrvorgang stückweise in Längen von bis zu drei Metern gefördert werden. Dieses Eis geht letztlich zurück auf Schneeflocken, die in den vergangenen Hunderttausenden von Jahren gefallen sind und dabei im Fallen Aerosolpartikel aus der Luft gesammelt haben. Aus den Schneeflocken entwickelten sich im Laufe der Zeit Eiskristalle, die die zwischen ihnen gelegene Luft mitsamt kleinsten Schwebteilchen in Bläschen einschließen. Aus der Analyse der chemischen Zusammensetzung und der physikalischen Eigenschaften des Eises und der darin eingeschlossenen Luft können die Wissenschaftler die Zusammenhänge zwischen Prozessen in der Atmosphäre und Klimaänderungen in der Vergangenheit studieren.
->   British Antarctic Survey
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Ziel: Erbohrung von 900.000 Jahre altem Eis
Das Forscherteam war während den Bohrungen Sommertemperaturen von minus 40 Grad ausgesetzt. Die Feldstation Dome C befindet sich mehr als tausend Kilometer entfernt von der nächsten Forschungsstation.

Das EPICA-Konsortium wird im Dezember 2004 mit der Tiefbohrung fortfahren, in der Hoffnung, das Felsbett unter dem Eis zu erreichen. Bis dorthin sind es nur noch 100 Meter. Läuft alles nach Plan, wird die Forschungsgruppe am Grund über 900.000 Jahre altes Eis "erbohren".
Untersuchung des Urzeit-Klimas
Und genau das veranlasst den Geologen James White von der University of Colorado in der aktuellen Ausgabe von "Science", seinen Kommentar "Do I hear a million?" zu nennen. Er geht darin den aufregenden Perspektiven nach, die das "bis zu einer Million Jahre" zurückreichende Klimaarchiv liefern könnte.

Denn davor habe die Erde keinen vergleichbaren Wechsel von Eis- und Warmzeiten gekannt, das Klima war gleichmäßiger und von der Sonne bestimmt. Danach müsse etwas passiert sein, dass das Klima zu mehr Variationen veranlasst hat, so White. Das neue Eisarchiv könnte darauf die Antworten geben.
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Der Kommentar "Do I hear a million?" von James White erscheint in "Science" (11. Juni 2004).
->   "Science"
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Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   "Klimakick aus dem Südpolarmeer" beendete Eiszeit (31.7.03)
->   Eiszeit: Dramatische Erwärmungen mit Regelmäßigkeit (21.5.03)
->   Archiv zum Thema "Eiszeit"
 
 
 
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01.01.2010