News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Unterschätzte Gerinnungsstörung: Faktor XI-Mangel  
  An der so genannten Bluterkrankheit (Hämophilie A oder B) leiden österreichweit rund 500 Menschen. Mit dem Faktor XI-Mangel gibt es eine weitere - bislang unterschätzte - Blutgerinnungsstörung, die Männer und Frauen gleichermaßen betrifft.  
Dies zeigen nun auch österreichische Forschungsergebnisse, die auf dem aktuellen Symposium für Molekulare Diagnostik in Graz präsentiert wurden. Die Frequenz dieser Gerinnungsstörung liegt demnach in etwa gleich hoch wie jene von Hämophilie B.
...
Details zu Hämophilie A und B
Für die normale Blutgerinnung sind neben den Blutplättchen in erster Linie eine Reihe von im Blut zirkulierenden Proteinen, die Gerinnungsfaktoren, verantwortlich. Einer von rund 6.000 Männern trägt genetische Störungen, die zu einem Mangel am Gerinnungsfaktor VIII führen, in sich (Hämophilie A). Die Frequenz der Hämophilie B, die durch einen Mangel des Gerinnungsfaktors IX ausgelöst wird, beträgt etwa 1 : 25.000.
...
XI-Mangel deutlich häufiger als angenommen
Mangelt es am Gerinnungsfaktor XI, kann es zu einer Blutgerinnungsstörung kommen. Sie wurde bisher auf eine Häufigkeit von 1: 500.000 bis 1:1.000.000 geschätzt.

Doch wie die Zahlen der Blutuntersuchungen der Zentrallabors und der Blutbank der Krankenanstalt Rudolfstiftung zeigen, tritt der Faktor-XI-Mangel deutlich öfter auf. "Seine Frequenz liegt mindestens in der Größenordnung jener der Hämophilie B", so der Vorstand der Blutbank, Primar Pierre Hopmeier, beim Pressegespräch in Graz.
Zahlen ähnlich der Hämophilie B
"Wir haben in den vergangenen viereinhalb Jahren rund 1,1 Mio. verschiedener Blutproben auf den Faktor XI untersucht und sind auf 100 Fälle gestoßen. Damit kommen wir auf Zahlen ähnlich denen der Hämophilie B", so Hopmeier.

Das zeige, dass es an der Zeit sei, den Faktor-XI-Mangel bei Patienten mit Blutungen oder ungeklärter Blutungsanamnese als sehr reale Möglichkeit in die medizinischen Überlegungen einzubeziehen.
"Faktor-XI-Mangel durchaus ernst zu nehmen"
"Von seiner Häufigkeit her ist der Faktor-XI-Mangel durchaus ernst zu nehmen", so Hopmeier. Zur Zeit sind über 80 Genmutationen bei Faktor-XI-Mangel beschrieben, so Hopmeier.

Alleine an seinem Institut hat man neun bisher unbekannte Mutationen und zwei weitere, bis dahin nur ein einziges Mal beschriebene Mutationen nachgewiesen.
Unterschiedliche klinische Erscheinungsbilder
Die klinischen Erscheinungsbilder bei Hämophilie A und B sind nahezu identisch: Dabei finden Blutungsereignisse vor allem in den Extremitätengelenken statt, Blutungen können aber auch in Muskeln und Weichteilen bzw. inneren Organen auftreten.

Männer sind von Hämophilie A oder B in erster Linie betroffen, da sie x-chromosomal vererbt werden und Männer ja nur über ein x-Chromosom verfügen, Frauen dagegen über zwei.

Der Faktor XI-Mangel unterscheidet sich davon deutlich: Zunächst ist das Gen, mit den verantwortlichen Mutationen nicht an ein Geschlechtschromosom gebunden, sondern auf Chromosom 4 lokalisiert. Somit sind Frauen und Männer gleichermaßen betroffen.
Vor allem Sicker- oder Nachblutungen
Falls es zu Blutungen kommt, handelt es sich überdies fast nie um spontane Blutungen, sondern um Sickerblutungen oder Nachblutungen infolge operativer Eingriffe.

Typisch sind Blutungen nach Zahnextraktionen oder urologischen Operationen. Bei Frauen sind weiters verstärkte Regelblutungen oder Blutungen nach einer Geburt häufig.
->   5. Internationales Symposium für Molekulare Diagnostik
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Schlüsselprotein der Blutgerinnung entdeckt (5.2.04)
->   Warum Blutplättchen zusammenklumpen (29.12.03)
->   Ask Your Scientist: Wie Blutgerinnung unter Wasser funktioniert (31.3.03)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010