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Ursprung der Bienensprache: Spionageabwehr?  
  Bienen können auf zweierlei Arten kommunizieren. Zum einen mittels Signalstoffen: Die Insekten erkennen ihre Genossen aus dem Bienenstock am Geruch und versehen auch Fressbares mit Duftmarken. Diese Strategie kann aber von konkurrierenden Insekten unterwandert werden, indem sie die fremden Duftmarken für ihre eigene Futtersuche verwenden. Das sei, wie ein US-Forscher ausführt, der Grund, warum manche Bienen eine alternative Kommunikationsform entwickelt haben: den berühmten Schwänzeltanz, mit dem Ort und Entfernung von Futterquellen symbolisiert werden.  
Wie ein Team um James Nieh von der University of California in San Diego berichtet, spioniert die in Brasilien lebende, agressive Bienenart Trigona spinipes eine andere Spezies bei ihrer Futtersuche anhand ihrer olfaktorischen Signale aus. Schluss der Forscher: Die Bienensprache hat sich als "abhörsichere" Alternative zu den klassischen Duftmarken entwickelt - sie stellt gewissermaßen eine biologische Form der Spionageabwehr dar.
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Die Studie "Olfactory eavesdropping by a competitively foraging
49 stingless bee,Trigona spinipes" von James C. Nieh et al. erschien am 16. Juni 2004 auf der Website der "Proceedings of the Royal Society of London Series B" und wird im August im Printformat erscheinen.
->   Zum Original-Abstract
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Nobelpreis für Entschlüsselung der Bienensprache
Der Zoologe Karl von Frisch war - gemeinsam mit Konrad Lorenz - der letzte österreichische Nobelpreisträger. Frisch wurde für seine Forschungen zur Sinnes- und Verhaltensphysiologie von Tieren, insbesondere der Bienen ausgezeichnet.

Neben seinen Arbeiten über den Geruchs-, Geschmacks- und Sehsinn der Bienen gilt vermutlich die Aufklärung des so genannten Schwänzeltanzes als seine berühmteste und wichtigste Leistung. Diesem Thema widmete er auch seine lesenswerte "Nobel Lecture", die er im Dezember 1973 in Stockholm hielt.
->   Nobel Lecture: Decoding the Language of the Bee
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Schwänzeltanz
Mittels ihres Schwänzeltanzes übermittelt die Honigbiene Apis mellifera ihren Stockgenossinnen die Entfernung und Lage einer Futterquelle. Dabei durchläuft die tanzende Biene eine Achterfigur, wobei die Tanzgeschwindigkeit von der Entfernung der Futterquelle abhängt. Die Richtung wird von den Insekten durch die Ausrichtung der Schwänzelstrecke symbolisiert.
->   Mehr dazu (digitalefolien.de)
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These: Duftmarken können missbraucht werden
Folgt man der Argumentation von James Nieh, dann ist die - für wirbellose Tiere - erstaunliche Kommunikationsform der Bienen in Anpassung an eine Art Betriebsspionage entstanden.

Bereits im Jahr 1999 wies der US-amerikanische Biologe in einer Veröffentlichung darauf hin, dass die unter vielen Insekten üblichen Duftmarkierungen für Futterquellen missbräuchlich verwendet werden könnten.

Mit anderen Worten, listige Arten könnten sich die mühselige Futtersuche ersparen, wenn sie die geruchlichen "Signalfahnen" anderer Spezies für sich selbst verwenden.
Gewaltsamer Nahrungsraub
Bislang blieb es jedoch bei der These, die empirische Bestätigung lieferte nun Nieh mit brasilianischen Fachkollegen nach. Die Zoologen untersuchten zu diesem Zweck zwei stachellose Spezies, die in Süd- und Mittelamerika vorkommen:

Die aus Afrika stammende Honigbiene, Melipona rufiventris, sowie Trigona spinipes, eine schwarze, räuberische Biene. Erstere wird auch als "Killerbiene" bezeichnet, doch entgegen dieses populären Namens spielt sie in der Interaktion der beiden Arten den friedlichen Part.

Trigona spinipes ist nämlich eine außerordentlich aggressive Zeitgenossin, die der Afrika-stämmigen Honigbiene auf ihrem Weg zu Futterplätzen folgt: "In unserer Studie stellten wir fest, dass sie die Nahrungsquellen durch den Gebrauch einer Reihe von aggressiven Verhaltensweisen übernahm. Diese reichten von Drohungen bis hin zu körperlichen Attacken mit regelrechten Enthauptungen", so Nieh in einer Aussendung.
Attacke auf der Blüte
 
Bild: James Nieh, UCSD

Trigona spinipes attackiert eine Honigbiene.
Experiment: Düfte sind Wegweiser
Die Forscher vermuteten, dass die räuberische Spezies ihren Opfern deswegen zu folgen vermochte, weil sie sich an fremden Duftmarkierungen orientierte.

Das Experiment bestätigte diese Hypothese: Versuche mit Zuckerwasser-Schälchen, die mit den Duftbouquets der beiden Arten versehen worden waren, zeigten, dass beide Arten zwischen markierten und unmarkierten Futterquellen unterscheiden können.

Unterschiedlich war jedoch ihre Präferenz: Die afrikanische Honigbiene bevorzugte vor allem solche Futterquellen, die mit dem arteigenen Bouquet versehen worden waren - und vermied jene, die nach der räuberischen Art rochen.
Bienensprache als Spionageabwehr?
Bei Trigona spinipes war es umgekehrt: Für sie waren die Futterquellen mit dem Geruch ihrer Opfer am attraktivsten. Dieses Verhalten mache aus Sicht der Räuber-Opfer-Interaktion für beide Arten durchaus Sinn, schreiben die Forscher in ihrer Arbeit.

In allgemeiner Hinsicht gebe dieses Ergebnis einen guten Hinweis auf die Ursprünge der Bienensprache, die - im Gegensatz zur olfaktorischen Kommunikation - durchaus "abhörsicher" ist. Ihrer Meinung nach sei sie deswegen entwickelt worden, um dieser Form der - zumal von Gewalt begeleiteten - Spionage einen Riegel vorzuschieben.
->   Website von James Nieh
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01.01.2010