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Die Mona Lisa "lächelt" nur mit dem Mund  
  Die Mona Lisa von Leonardo da Vinci zählt zu den berühmtesten Gemälden der Welt. Bereits zu Lebzeiten des italienischen Renaissance-Malers soll sie ihre Betrachter in Entzücken versetzt haben. Vor allem das Lächeln der dargestellten Frauenfigur - gerne mit Begriffen wie "mysteriös" oder "geheimnisvoll" beschrieben - beschäftigt bis heute die Fachwelt ebenso wie kunstliebhabende Laien. US-Neurowissenschaftler haben nun anhand des Porträts einen Test durchgeführt. Das Ergebnis: Die Emotionen der Mona Lisa - mithin also ihr Lächeln - werden nur über ihren Mund transportiert.  
Dabei sind die beiden Neurowissenschaftler Leonid L. Kontsevich und Christopher W. Tyler vom Smith-Kettlewell Eye Research Institute in San Francisco eigentlich der menschlichen Fähigkeit, subtilste Veränderungen im Gesichtsausdruck ihres Gegenübers zu lesen, auf der Spur.

Ihre Studie ist unter dem schönen Titel "What makes Mona Lisa smile?" im Fachmagazin "Vision Research" erschienen.
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Der Artikel "What makes Mona Lisa smile?" von Kontsevich und Tyler ist erschienen in "Vision Research", Bd. 44, Nr. 13, Seiten 1493-1498, Ausgabe vom Juni 2004 (doi:10.1016/j.visres.2003.11.027)
->   Abstract des Artikels in "Vision Research"
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Emotionen zeigen sich im Gesicht
"Das Lesen von Gesichtsausdrücken ist von großer Bedeutung für die Menschen als soziale Wesen", leiten die beiden Forscher ihre Studie ein. Unser Mienenspiel ist demnach sehr viel subtiler, als man meinen könnte - und daher immer wieder auch Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen.

Tatsächlich ist es gar nicht so einfach, die jeweilige "Quelle" der emotionalen Information auszumachen.

Eine Technik, die mitunter von Forschern verwendet wird: Man zeigt Probanden nur Teile eines Gesichts und fragt sie, welche Emotionen sie erkennen können. Eine zweite Methode ist ausgefeilter - die verschiedenen Ausdrücke "entwickeln" sich auf dem Bild und zeigen somit das gesamte ablaufende Mienenspiel.
Visuelles "weißes Rauschen"
Um nun zu bestimmen, welche Merkmale Menschen traurig oder glücklich aussehen lassen, bedienten sich Kontsevich und Tyler der Technik Nr. zwei (genannt reverse correlation), wie der Online-Nachrichtendienst des Fachmagazins "Science" berichtet.

Die beiden Wissenschaftler führten für ihre Studie einen Test durch, bei dem Probanden den emotionalen Ausdruck der dargestellten Gesichter beurteilen sollten. Teile der Porträts wurden dabei mithilfe einer Art visuellem "weißen Rauschen" (random visual noise) verändert, der Effekt gleicht einem flimmernden Fernsehbildschirm.
"Flimmernde Mona Lisa" im Test
 
Bild: Vision Research

Visuelles weißes Rauschen über dem Mund der Mona Lisa

Bild ihrer Wahl: Das wohl berühmteste Porträt der Welt, die Mona Lisa des florentinischen Renaissance-Malers Leonardo da Vinci (1452-1519). Sie soll schon zu Lebzeiten des Künstlers alle Betrachter in Entzücken versetzt haben.

Als Gegenstand einer Untersuchung der menschlichen Emotionen im Gesichtsausdruck scheint sie sich zudem geradezu perfekt zu eigenen. Denn über kein anderes Bild wurde wohl so viel gerätselt.
Geheimnisvoll, verführerisch, abweisend, spöttisch ...
Bild: EPA
Da wird etwa vom "geheimnisvollen", "einzigartigen" oder auch "spöttischen" Lächeln geschrieben, vom "verführerischen und zugleich abweisenden" oder "faszinierend-melancholischen" Blick. "Das Porträt der Mona Lisa wurde ausgewählt, weil es das bekannteste Beispiel für einen Ausdruck ist, der uneindeutig zwischen glücklich und traurig angesiedelt ist", heißt es dazu in der Studie.

Wie auch immer man den Ausdruck des Porträts beschreiben will, das Zusammenspiel von Rätsel - auch die dargestellte Frauenfigur war immer wieder Gegenstand unterschiedlichster Spekulationen - und Gemälde zieht jedenfalls jährlich Millionen von Besuchern an, die den Star des Pariser Louvre-Museums einmal in echt sehen möchten.
->   Informationen zu Leonardo da Vinci (wikipedia.org)
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Unterhaltsame Theorien rund um die Mona Lisa
Die Mona Lisa von Leonardo da Vinci beschäftigt seit Jahrhunderten Kunsthistoriker und Wissenschaftler ebenso wie Laien. Immer wieder will man weitere Details des Porträts entschlüsselt haben. So meinte etwa ein japanischer Mediziner vor einigen Jahren, anhand eines gelben Knötchens zwischen linkem Augenlid und Nasenansatz als Todesursache der Dargestellten die "Ferndiagnose" Herztod stellen zu können. Eine weitere Theorie besagt, die dargestellte Damenfigur sei schwanger.

Und auch das Lächeln der Mona Lisa - gerne mit Begriffen wie "mysteriös" oder "geheimnisvoll" belegt - war immer wieder Gegenstand von diffusen Spekulationen und wurde beispielsweise mit rechtsseitigem Muskelschwund erklärt. Der französische Kunstexperte Jacques Franck schlug 1995 eine andere Lösung des Rätsels vor: Das "berühmteste Lächeln der Welt" habe sich durch feine Risse in der Farbe und Firnis des Gemäldes - so genannte Krakelüren - im Laufe der Jahrhunderte von "lieblich" zu "spöttisch" gewandelt.
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"Skala der Emotionen": Traurig oder glücklich?
In ihrer Studie ließen die US-Neurowissenschaftler ihre 12 Probanden in jeweils rund 100 Versuchsdurchgängen die verschiedenen Gesichtsausdrücke der Mona Lisa sowie einer weiteren weiblichen Porträtfotografie auf einer "Skala der Emotionen" beurteilen - gegeben waren vier Punkte von glücklich bis traurig.

Um zu klären, wie stark bei der Darstellung von Emotion Mund und Augenpartie zusammen spielten, wurde jeweils nur die untere oder die obere Hälfte des Bildes mit dem Rauschen unterlegt und verändert.
Ergebnis: Nur die Mundwinkel lächeln
Das Ergebnis: Bei beiden Bildern hatten Veränderungen der Augen keinen Effekt, wohl aber im Mundbereich. Interessantes Detail: Änderte sich die Krümmung der Mundwinkel, so glaubten die Probanden häufig, auch eine Veränderung in der Augenpartie festzustellen.

Der Studie zufolge weist die statistische Analyse darauf hin, dass lediglich die Mundwinkel "konsistent in Verbindung stehen" mit emotionalen Ausdrücken, die zwischen den beiden Polen Glück und Trauer angesiedelt sind.
Augen als emotionaler Verstärker?
Zur Überraschung der Autoren: "Die Augen sind bekannt als 'Fenster zur Seele', daher erwarteten wir, einen Effekt der Augen zu beobachten", wird Studienautor Christopher Tyler in "Science Now" zitiert.

Stattdessen könnten die Augen die Intensität beeinflussen, spekulieren die beiden Forscher in ihrer Studie. "Dieses Ergebnis bedeutet nicht, dass die Augen bei der Wahrnehmung menschlicher Emotion keine Rolle spielen. Sie könnten als emotionaler Verstärker für einen Ausdruck dienen, dessen Stimmung durch den Mund bestimmt wird."

Was im Übrigen die Mona Lisa angeht, ist wohl auch mit dieser Studie längst nicht das letzte Wort gesproche. Die mittlerweile rund 500 Jahre alte Dame wird sicherlich auch weiterhin ein "rätselhaftes Massenphänomen" bleiben.
->   Smith-Kettlewell Eye Research Institute
->   "Science Now"
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01.01.2010