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Saturn-Sonde Cassini: Beginn der kritischen Phase  
  Nach dem Besuch beim Saturnmond Phoebe Mitte Juni tritt die Raummission "Cassini-Huygens" nun in die entscheidende Phase. Am 1. Juli wird die NASA-Sonde Cassini - nach fast siebenjähriger Reise - in eine Umlaufbahn um den Saturn einschwenken und mit den wissenschaftlichen Beobachtungen des Ringplaneten beginnen.  
Ein halbes Jahr später, am 25. Dezember, wird dann das Landegerät Huygens von Cassini abgetrennt und startet seinen Landeanflug auf den Saturnmond Titan, am 14. Jänner 2005 soll Huygens in dessen Atmosphäre eintreten.

Die wissenschaftlichen Messungen dabei werden mit Instrumenten durchgeführt, an denen auch österreichische Forscher und Unternehmen beteiligt sind.
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Planetare Schwerkraft für genügend Reise-Schwung
Die von der US-Weltraumorganisation NASA entwickelte Sonde wurde bereits 1997 gestartet. Sie musste mehrmals die Schwerkraft von Planeten nutzen, um genügend Schwung für ihre Reise zum zweitgrößten Planeten unseres Sonnensystems zu bekommen. Vor allem wegen dieses Swing-by-Manövers um die Erde stand Cassini-Huygens mehrfach im Zentrum von Kritiken. Stein des Anstoßes war die Plutonium-Batterie des Raumschiffs, welche im Falle eines Absturzes zu einer radioaktive Verseuchung geführt hätte.
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Groß, schwer und äußerst komplex
Bild: ESA
Cassini und Saturn in einer künstlerischen Darstellung
Gemeinsam mit dem von der europäischen Weltraumorganisation ESA gebauten Lander Huygens zählt Cassini zu den größten, schwersten und komplexesten jemals gebauten Raumfahrzeugen. Die Masse beträgt insgesamt 2.500 Kilogramm (mit Treibstoff ergab das ein Startgewicht von 5,8 Tonnen), die Sonde ist fast sieben Meter hoch und hat einen Durchmesser von rund vier Metern.

Eine teure Angelegenheit ist es noch dazu: Die NASA hat sich Cassini 2,1 Mrd. Euro kosten lassen, die ESA investierte in Huygens 360 Mio. Euro. Dazu kommen noch Beiträge von Universitäten und Forschungsinstituten zu den wissenschaftlichen Instrumenten des Landers in Höhe von 100 Mio. Euro und 145 Mio. Euro von der italienischen Weltraumagentur ASI.
Vier Jahre der Saturn-Umrundungen
Vier Jahre lang soll Cassini den Saturn umrunden und ihn sowie sein aus Hunderten Einzelringen zusammengesetztes Ringsystem mit zwölf wissenschaftlichen Instrumenten untersuchen.
Die offenen Fragen rund um den Saturn
Die Wissenschaftler erhoffen sich dabei Antworten auf Fragen wie: Warum strahlt der Saturn 87 Prozent mehr Energie ab als er von der Sonne erhält und woher nimmt der Planet diese zusätzlich abgestrahlte Wärme?

Wie entstand das Ringsystem des Planeten und woher stammen die zarten Farben der einzelnen Ringe?

Gibt es mehr als die bisher bekannten 18 Monde mit gesicherten Bahnelementen? Warum hat der Mond Enceladus eine so ungewöhnlich glatte Oberfläche? Woher stammt das dunkle, organische Material, das eine Seite des Mondes Iapetus bedeckt?
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Österreichische Beteiligung an Cassini
Eines der Experimente, das diese Fragen beantworten helfen soll, ist das "Radio and Plasma Wave Science Experiment" (RPWS).

Helmut Rucker vom Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist daran als "Co-Investigator" beteiligt. Er hat mit seinem Team das RPWS-Antennensystem - bestehend aus drei rund zehn Meter lange Antennenstäbe - hinsichtlich seiner Empfangseigenschaften kalibriert. Mit dem Gerät soll die Radiostrahlung in der Saturnmagnetosphäre untersucht werden. Die Wissenschaftler sind auch an der Datenauswertung beteiligt.
->   Institut für Weltraumforschung der ÖAW
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Huygens: Maximal zweieinhalb Stunden aktiv
Bild: ESA
Trennung von Cassini und Huygens
Deutlich kürzer als die Lebensdauer der Muttersonde Cassini ist jene des Landegeräts Huygens, das nur einige Stunden aktiv sein wird. Seine Instrumente werden erst kurz vor Erreichen der äußeren Atmosphärenschichten des Saturnmondes Titan eingeschalten.

Während des zwei Stunden dauernden Abstiegs durch die Atmosphäre kommen die verschiedenen Messinstrumente zum Einsatz. Sollten sie auch nach der Landung noch intakt sein, können sie auch noch weitere Messungen an der Oberfläche durchführen, allerdings nur für rund eine halbe Stunde. Spätestens dann reißt der Funkkontakt mit der Muttersonde ab.
Eintritt wird eine "heiße Angelegenheit"
Der Eintritt Huygens wird im wahrsten Sinn des Wortes eine heiße Angelegenheit. Beim Abbremsen der Sonde durch die Atmosphäre von 18.000 auf 1.400 Kilometer pro Stunde heizt sich das Plasma vor dem Schutzschild auf bis zu 12.000 Grad auf.

Der weitere Abstieg wird durch einen Fallschirm gebremst. Gemessen wird in dieser Zeit die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre, ihre Temperaturverteilung, ihre Wechselwirkung mit dem anströmenden Sonnenwind sowie akustische und elektrische Phänomene.

Welche chemische Reaktionen treten in der Titan-Atmosphäre auf? Woher stammt das reichlich vorkommende Methan, eine Verbindung, die auf der Erde mit biologischer Aktivität verbunden wird? Gibt es Ozeane auf Titan? Existieren komplexere organische Moleküle auf dem Mond? - das sind nur einige Fragen, die die Wissenschaftler mit Hilfe Huygens beantworten wollen.
Österreich an drei Experimenten beteiligt
An drei der insgesamt sechs Experimente Huygens sind auch heimische Wissenschaftler und Unternehmen beteiligt.

Das Instrument ACP (Aerosol Collector and Pyrolyser) sammelt während des Flugs durch die Atmosphäre rund 20 Minuten Staubteilchen und Tröpfchen in einem Filter, der anschließend in einem Mini-Ofen in drei Stufen erhitzt wird. Die dabei entstehenden Gasprodukte werden zur chemischen Analyse an das Instrument GCMS (Gas Chromatograph and Mass Spectrometer) weitergeleitet.

Die Steuer- und Messelektronik des ACP wurde von der Weltraumfirma Austrian Aerospace in Kooperation mit Joanneum Research unter Federführung des Instituts für Weltraumforschung (IWF) entwickelt.
->   Austrian Aerospace
->   Joanneum Research
Komplexere organische Moleküle?
Das IWF ist auch an der Auswertung der von GCMS gesammelten Daten beteiligt. Wichtigste Aufgabe dieses Instruments ist die chemische Analyse der Titanatmosphäre, wobei es möglich sein wird, neben den Hauptbestandteilen Stickstoff und Methan auch Spurenbestandteile wie Argon und komplexe organische Moleküle zu detektieren.

Schließlich ist das IWF noch an einem Teilprojekt des Experiment HASI (Huygens Atmospheric Structure Instrument) beteiligt, mit dem erstmals direkte Messungen elektrischer Größen in der Atmosphäre des Saturnmondes möglich sind. Damit sollen u.a. Blitze nachgewiesen werden, die für die Entwicklung organischer Moleküle notwendig sind.
Rückschlüsse auf die Erdgeschichte
Die Wissenschaftler erhoffen sich von diesen Experimenten Aufschlüsse nicht nur über die Entstehungsgeschichte von Titan, sondern auch über die Vorgänge in der frühen Erdatmosphäre. Schließlich gleicht die stickstoffreiche, sauerstofffreie Atmosphäre des Titan jener der Erde, bevor sich dort Leben entwickelt hat.

Nach den gängigen Theorien haben sich auf der Erde komplexe organische Moleküle, die Voraussetzung für die spätere Entstehung von lebenden Organismen waren, aus Kohlenwasserstoffen oder Cyanverbindungen entwickelt. Für deren Entstehung war wiederum Zufuhr von Energie in Form ultravioletter Strahlung, hochenergetischer Teilchen oder Blitzschlag notwendig.
Weitere Bestandteile "made in Austria"
Austrian Aerospace hat für Huygens zudem die elektrische und mechanische Bodentestausrüstung sowie die Thermalisolation für die Sonde geliefert.

Außerdem hat das Unternehmen jenen Mechanismus entwickelt und gebaut, der einen Ausgleich der Drehbewegung der Sonde ermöglicht, wenn diese am Fallschirm der Titanoberfläche entgegenschwebt. Das Auftragsvolumen betrug insgesamt rund zehn Millionen Euro.
->   Die Cassini-Huygens-Mission bei der ESA
->   Die Cassini-Huygens-Mission bei der NASA (JPL)
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Raumsonde "Cassini" besuchte Saturnmond Phoebe (14.6.04)
->   Sondenpaar Cassini-Huygens steuert Saturn an (4.6.04)
->   Das Stichwort Cassini im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010