News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 
Fußball-EM: Idealer Schauplatz für globale Marken  
  Die Fußball-Europameisterschaft in Portugal ist nicht nur ein Treffen der besten Teams und ihrer Fans. Bei den großen Festspielen der weltweit beliebtesten Sportart trifft sich auch aus Sicht der Wirtschaft (fast) alles, was Rang und Namen hat. Für global agierende Unternehmen bietet sich hier der beste Schauplatz, um ihre Marken zu bewerben und mit der Emotion des Sports "aufzuladen".  
Krise führte zu neuen Marktstrategien
Mitte der 1970er Jahre geriet die seit mehr als zwanzig Jahren boomende Wirtschaft der Industrienationen ins Wanken. Die wichtigsten Märkte der Konsumgüterindustrie begannen sich zu sättigen, die Ölkrise ließ die Preise für die wichtigsten Energierohstoffe in die Höhe steigen. Eine der Reaktionen auf die geänderten Bedingungen waren neue Marktstrategien der Konsumgüterproduzenten.
Diversifizierung und Ästhetisierung der Produkte
Die wichtigsten Bestandteile dieses Prozesses lauteten: Entstandardisierung der Konsumgüter, also Produktion kleiner Serien in Richtung einer Fertigung des "individuellen Industrieprodukts", die Diversifizierung der Produktpalette, die Ästhetisierung der Warenwelt sowie die Schaffung von "Marken".
...
Teil einer Ringvorlesung der Uni Wien
Der Text beruht auf dem Vortrag "Marketingstrategien im Fußball", der im Rahmen der Ringvorlesung "Global Players. Ökonomie, Politik und Kultur des Fußballs" am 24. Juni 2004 an der Universität Wien zum Thema gehalten wurde. science.ORF.at bringt in diesem Artikel einen Ausschnitt.
->   Programm der Ringvorlesung
...
Entstehung von Marken
Im Modebereich beispielsweise kam es zum Aufstieg der Designermode, relativ preisgünstige Kleidung in kleinen Serien kam auf den Markt, wobei das Prestige jeweils vom Markennamen herrührte. Im Sport setzte in den 1970er Jahren ein ähnlicher Prozess der Ausdifferenzierung und Wertsteigerung ein.

"Bis in die 60er Jahre waren Sportbekleidung und -schuhe Zweck- und Gebrauchsgegenstände", schreibt etwa der Soziologe Bero Rigauer, danach wurde das Design immer wichtiger. Produktlinien wurden funktional aufgefächert und Markennamen marktbeherrschend.
Erlebniswert statt Nützlichkeit
Die neuen Strategien zielten auf die Steigerung des "Erlebniswerts" von Waren und die Emotionalisierung des Konsumverhaltens ab, "Nützlichkeit" allein verlor an Bedeutung. Zudem stiegen damit die Möglichkeiten der individuellen Unterscheidung stark an, Individualität konnte inszeniert werden wie nie zuvor.
Globale Botschaften durch ebensolche Siegermarken
Die großen internationalen Sportwettkämpfe - wie Fußballwelt- und -europameisterschaften sowie Olympische Spiele - sind ideale Vehikel für die Eroberung von Märkten durch diese Marken - und zwar auf globaler Ebene.

Siegermarken, so die Sprache der Werber, haben eine globale Perspektive: Daher gälte es die Brands "märkte- und länderübergreifend zu betreuen, um Synergien, Effizienz und strategische Klarheit zu erzielen", wie es in einem Buch der entsprechenden Managerliteratur heißt. Nike nannte das Ziel einmal "ein Management, ein Thema, ein Wert, eine Ethik rund um die Welt".
...
2002: Marketing-Traumfinale Nike gegen Adidas
Deutschland gegen Brasilien war 2002 auch das "Traumfinale der Marketing-WM" Adidas gegen Nike. Während Adidas als offizieller Sponsor des Weltfußballverbands nach wie vor eher traditionellen Strategien des Marketings anhängt, ist der amerikanische Weltmarktführer seit Jahren Vorreiter einer Ökonomie, der es mehr um die Produktion von Sinn als von Produkten geht.
->   Nike-Adidas: Traumfinale der Marketing-WM (30.6.02)
...
Emotionale Aufladung der Marken durch Sport
Das beste Schmiermittel zur Erlangung der Ziele des Sportmarketings ist die "emotionale Aufladung" der Marken mit sportiven Werten oder Assoziationen. "Emotion ist der Motor der Marke", schreibt Stefan Mohr in einer Studie zur Vermarktung im Profisport.

"Hohe Emotionalisierung lässt sich vor allem durch sportliche Erfolge erreichen. Aber auch durch gezielte Einbindung sportlicher Helden aus vergangenen Tagen in die Markenstrategie kann der Emotionalisierungsgrad gesteigert werden."
Beispiel NBA: Thrill and Fun
Als hervorragendes Beispiel für ein glückliches Gelingen dieser Strategie kann die amerikanische Basketball-Liga NBA dienen. In ihr wurden nach Stefan Mohr zusammen mit den "Sponsoren ein mehrdimensionales 'Brand-Net' aufgebaut", das es ermöglicht, "Marken über 'Basketball' emotional aufzuladen".

Im Gegenzug wirken die Sponsoren an der "Image- und Markenbildung der NBA und deren Klubs durch ihre darauf abgestimmten Werbekampagnen kräftig mit. Coca Cola und Nike werden mit Leidenschaft assoziiert und können sich als Marken positionieren, die eine 'Thrill and Fun'-Gesellschaft ansprechen."
Werbekreisläufe im heutigen Mediensport
Es kommt zu einer Auflösung der Grenzen zwischen der Promotion von Sportarten und jener von anderen Produkten mit Hilfe von sportlichen Veranstaltungen oder Sportstars. Ob Nike und Michael Jordan den Wert der Marke NBA, der amerikanischen Basketballmeisterschaft, gesteigert haben oder umgekehrt, die NBA den Wert von Nike und Michael Jordan, kann man nicht mehr klären.

In diesen Werbekreisläufen im heutigen Mediensport ist ein Ausgangs- oder Endpunkt kaum mehr auszumachen. Feststellbar sind aber sich gegenseitig verstärkende öffentliche Texte, die mehr Sichtbarkeit und - im besten Fall - mehr Profit für alle Beteiligten generieren.
Weltweiter Konsum
Selbstverständlich profitiert auch der Fußball, als vielleicht wichtigster Teil des Medien-Sport-Komplexes, von derartigen Synergieeffekten: Der Aufstieg der FIFA oder der UEFA zu einem global player wäre ohne die Partnerschaft und finanzielle Unterstützung verschiedener Marken und Konzerne und die damit einhergehende Botschaft des weltweiten Konsums kaum möglich gewesen.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
...
Literaturtipps
Michael Fanizadeh, Gerald Hödl and Wolfram Manzenreiter (Hg.): Global Players. Kultur, Ökonomie und Politik des Fußballs. Frankfurt/Wien: Brandes&Apsel/Südwind 2002
Georg Spitaler, Lukas Wieselberg (Hg.): Ideologien und Ökonomien des Sports. Kurswechsel 02/04, Sonderzahl Verlag Wien
Stefan Mohr: Neue Regeln für ein neues Spiel. Die zentralen Stellhebel erfolgreicher Vermarktung von Profisportvereinen. Roland Berger-Strategy, München 2001
...
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Unwichtiger Fußball: Der Sonderweg der USA (28.5.04)
->   ''J.League'': Musterbeispiel einer Produkteinführung (21.6.02)
->   Fußball: Wie ein englisches Spiel die Welt eroberte (29.5.02)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010