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Explosionsforschung mit Eierschalen  
  Ob Gasexplosion oder Autobombe - nach einer Detonation müssen Kriminalisten und Unfallforscher aus zahllosen Überresten mühsam die Ursache der Explosion rekonstruieren. Wissenschaftler der Universität Stuttgart haben nun eine Methode entwickelt, mit der sie das Sprengverhalten verschiedenster Gegenstände simulieren. Die Basis dafür liefern äußerst zerbrechliche Forschungsobjekte - leere Eierschalen.  
Idee mit Knalleffekt

Am Anfang stand eine ungewöhnliche Idee: Für ihre Forschungsarbeit bliesen Falk Wittel und Henry Gerhard vom Institut für Statik und Dynamik der Universität Stuttgart mehr als 200 Dotter aus ihrer fragilen Hülle.

Um die dünnen Kalkhüllen gezielt zum Bersten zu bringen, wurden die leeren Eierschalen mit Knallgas gefüllt und anschließend gezündet. Die Explosion filmten die Forscher mit einer Hochgeschwindigkeitskamera.

Aus ihren ¿Eiersprengversuchen¿ entwickelten die beiden Wissenschaftler ein Computermodell. Dieses liefert Aussagen über den exakten Zeitpunkt der Explosion, die Bildung von Rissen und die Zersplitterung der Hülle in zahllose Fragmente.
Crashtest für Eierschalen

Neben Explosionen interessierten sich die Wissenschaftler auch dafür, wie Hohlkörper bei einem Aufprall zertrümmert werden.

Dazu bauten sie mit Kollegen der ungarischen Universität Debrecen ein einzigartiges Eier-Katapult.

Die Eierschalen werden mit mehreren hundert Kilometern pro Stunde zerschmettert. Beim Aufprall entstehen schlagartig Tausende von Bruchstücken unterschiedlichster Größe.
Fragmentgröße gibt Hinweis auf Explosion

Diese müssen die Stuttgarter ¿Eixperten¿ mühsam einsammeln - und das möglichst vollständig. Die Schalenfragmente wurden auf einen Scanner verfrachtet und digitalisiert.

Nach hundertfachem Ausmessen und Bestimmen der einzelnen Bruchstücke kamen die Forscher zu einem erstaunlichen Ergebnis: die Daten ihrer Eier-Experimente deckten sich genau mit den mathematischen Vorhersagen.

"Wenn wir zum Beispiel das größte Fragment kennen und die durchschnittliche Größe aller Fragmente, dann können wir sagen, ob es sich um eine Explosion gehandelt hat oder um einen Aufprall", erläutert Falk Wittel. "Wir können sogar die Energien bestimmen, mit denen die Zersplitterung vonstatten gegangen ist."
Modell unabhängig vom Material
Darüber hinaus entdeckten die Wissenschaftler, dass es gleichgültig ist, um welches Material es sich handelt - vorausgesetzt, es ist zerbrechlich.

Ob mit ihren Erkenntnissen künftig Unfälle oder Attentate bis ins letzte Detail rekonstruiert werden können, scheint dennoch fraglich.

Häufig sind die Mischung und Anzahl unterschiedlichster Splitter für eine endgültige und eindeutige Analyse zu umfangreich.
Mögliche Anwendung in der Industrie
Die Computermodelle aus den Eierversuchen könnten in Zukunft jedoch in der Industrie eingesetzt werden - etwa bei der Konstruktion von Sicherheitsbehältern, Kesseln oder Tanks.

Auch die Hüllen von Raumfahrzeugen ließen sich auf diese Weise künftig besser gegen Einschläge von Weltraumschrott schützen.

Beim Ausblasen der Eier für ihre Laborversuche haben Falk Wittel und Henry Gerhard jedenfalls nicht nur Geduld bewiesen, sondern auch einen langen Atem.

Ivo Filatsch, Modern Times
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Mehr Informationen zu diesem Thema erhalten Sie in der Sendung "Modern Times" am Freitag, 25.6.2004 um 22.35 Uhr in ORF 2.
->   Modern Times
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->   Inst. f. Luft- und Raumfahrtkonstruktionen, Uni Stuttgart
 
 
 
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01.01.2010