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Uralte Galaxien stellen kosmologisches Modell in Frage  
  Licht, das die Erde aus den Tiefen des Universums erreicht, hat mitunter eine Milliarden Jahre dauernde Reise hinter sich gebracht. Das ermöglicht es Astronomen, mit ihren Teleskopen weit in die Vergangenheit zu blicken. Zwei internationale Forscherteams machten nun auf diese Weise eine überraschende Entdeckung. Sie fanden große und uralte Galaxien, die offensichtlich schon drei Milliarden Jahre nach dem Urknall entstanden. Das Problem dabei: Gemäß der gängigen Theorie dürften zu dieser Zeit noch gar keine Galaxien dieses Typus existiert haben.  
Damit ist das - bis dato allgemein anerkannte - hierarchische Modell der Galaxienbildung in Frage gestellt. Nun sind wieder die Theoretiker am Wort, die den offensichtlichen Widerspruch zwischen Modell und Beobachtung ausräumen müssen.
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Zu diesem Thema erschienen in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature" (8.Juli 2004) zwei unabhängige Studien: "Old galaxies in the young Universe" von A. Cimatti et al. (Band 430, S.184-7; doi:10.1038/nature02668) sowie "A high abundance of massive galaxies 3-6 billion years after the Big Bang" von Karl Glazebrook et al. (Band 430, S.181-4; doi:10.1038/nature02667).
->   "Nature"
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Blick in die Vergangenheit
Um die Geschichte des Universums zu erforschen, müssen Astronomen nur einen Blick in den Sternenhimmel werfen. Dort sehen sie nämlich nicht nur, was in unserem Zeitalter passiert, sondern auch längst vergangene Ereignisse.

Der Grund: Elektromagnetische Wellen - wie z.B. Licht - bewegen sich im Vakuum mit 299.792.458 Metern pro Sekunde zwar ungeheuer schnell, aber nichts desto trotz ist dieser Wert endlich. Daher benötigt selbst Licht für die Durchmessung extrem großer Distanzen seine Zeit.

Für die Astronomen ist dieser Nebeneffekt der Naturgesetze nicht unwillkommen. Sie können mit ihren Teleskopen gewissermaßen in die Vergangenheit blicken.
->   Mehr zur Lichtgeschwindigkeit (Uni Bonn)
Schwaches Licht von weit her
Allerdings ist die Sache nicht ganz so einfach wie sie klingt: Das von fernen Galaxien ausgesandte Licht ist, wie der US-Astronomen Edwin Powell Hubble im Jahr 1929 entdeckte, in den Rotbereich verschoben.

Dieses Phänomen wird für gewöhnlich als Hinweis auf die Expansion des Universums gewertet. Leider überdecken die Emissionen der Erdatmosphäre diese spektralen "Fingerabdrücke" von Galaxien, zumal die Intensität der Signale mit der Entfernung der Quelle immer schwächer wird.

Daher hat man bis dato vor allem solche Galaxientypen entdeckt, die nach wie vor neue Sterne hervorbringen und dementsprechend viel Strahlung abgeben.
->   Mehr zur Rotverschiebung bei Wikipedia
"Oldies" eignen sich gut zur Altersbestimmung
Diese eignen sich allerdings nicht besonders gut, um zu bestimmen, wann Galaxien im Lauf der Geschichte des Kosmos erstmals aufgetreten sind.

Daher sucht man zur Beantwortung dieser Frage vor allem nach massiven, entwickelten Galaxien, die gewissermaßen ihre Sturm-und-Drang-Periode hinter sich gebracht haben. Bisheriger Haken daran: Gerade solche Objekte sind im Himmelszelt ziemlich schwer zu entdecken.
Das hierarchische Modell: Aus Klein mach Groß
Bild: Gemini Observatory Illustration
Grafische Darstellung der hierarchischen Galxienbildung.
Was die theoretische Seite dieses Problems betrifft, berufen sich Astronomen für gewöhnlich auf das so genannte hierarchische Modell der Galaxienbildung:

Dieses geht davon aus, dass kleine Dichteschwankungen in der Frühzeit des Universums später zu kleinen Aggregationen von Massen führten, die sich ihrerseits dann schrittweise zu größeren Strukturen zusammengefunden haben.

Das bedeutet, dass große Galaxien in der Evolution des Kosmos erst relativ spät entstanden sind.
->   Mehr zur hierarchischen Galaxienbildung (GalICS Project)
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Das hierarchische Modell geht auf den Aufsatz "Formation of galaxies and large-scale structure with cold dark matter" von George Blumenthal und Mitarbeitern aus dem Jahr 1984 in "Nature" (Band 311, S. 517-25) zurück.
->   Zum Abstract der Studie (Harvard University)
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Zwei Funde widersprechen der Lehrmeinung
Bild: Gemini Observatory Illustration
Vom Urknall bis heute: Die Evolution des Kosmos im Überblick.
Zwei Forscherteams haben nun unabhängig voneinander Himmelsobjekte entdeckt, die die bisher akzeptierte Lehrmeinung gehörig durcheinander bringen.

Eine Gruppe von Forschern um A. Cimatti fand mit Hilfe des "European Southern Observatory" in Chile vier Galaxien, die weiter von der Erde entfernt sind als die bisherigen Rekordhalter. Zusätzliche Bilder des Hubble-Teleskops zeigen, dass diese nicht nur massereich, sondern auch sehr alt sind.

Und ein Team um Karl Glazebrook von der John Hopkins University fand unter Verwendung des "Gemini Observatory" massive Galaxien, die bereits rund drei Milliarden Jahre nach dem Urknall voll ausgebildet waren.
Schwergewichte gab es bereits vor zehn Milliarden Jahren
Anhand dieser Daten konnten die Astronomen auch abschätzen, wie viele solcher Galaxientypen in der "Jugendzeit" des Universums existierten. Das Ergebnis: Echte Schwergewichte unter den Galxien waren schon vor mehr als zehn Milliarden Jahren weit verbreitet.
Scylla und Charybdis der Astronomen
Wie Gregory D. Wirth vom W. M. Keck Observatory auf Hawaii in einem Begleitkommentar ausführt, können die Theoretiker unter den Astronomen nun gewissermaßen zwischen Scylla und Charybdis wählen:

Sie müssen nun entweder zeigen, dass Galaxien viel schneller entstehen können, als es vom hierarchischen Modell vorhergesagt wird. Oder aber sie ziehen in Erwägung, dass die Sterne der ersten Galaxien auf eine Weise gebildet wurden, die den gängigen Vorstellungen klar widerspricht.

Robert Czepel, science.ORF.at
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Der Artikel "Old before their time" von Gregory D. Wirth erschien in "Nature" (Band 430, S. 159-50; doi:10.1038/430149a).
->   Zum Original-Artikel (kostenpflichtig)
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->   The Gemini Observatory
->   European Southern Observatory
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Geburt des Kosmos: Urzischen statt Urknall (14.6.04)
->   Was geschah vor dem Urknall? (18.3.04)
->   Am weitesten entferntes Himmelsobjekt entdeckt (17.2.04)
 
 
 
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01.01.2010