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Warum der Toast auf die Butterseite fällt  
  Der kanadische Wissenschaftsjournalist Jay Ingram geht in seinem neuesten Buch Alltagsphänomenen auf den Grund - und zwar auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse. Wer also immer schon wissen wollte, warum flache Steine über das Wasser hüpfen, wie man Papier möglichst klein zerknüllt oder was es mit der "Small World-Hypthese" wirklich auf sich hat, greife zu Ingrams jüngst übersetzter Essaysammlung "Die Geschwindigkeit des Honigs". Eine Strandlektüreempfehlung.  
Warum wir für Gelsen attraktiv sind
Beginnen wir mit den beiden im Hochsommer vielleicht dringlichsten Problemen, denen der preisgekrönte Alltagsforscher nachgeht: Wie spüren uns Stechmücken auf? Und wie können wir uns dagegen wappnen?

Grundsätzlich gilt, dass nur die weiblichen Blutsauger stechen, die Opfer der Gelsen tendenziell aber eher Männer sind und die Quälgeister eine Vorliebe für Füße, Hände und Gesicht (in dieser Reihenfolge) haben.
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Jay Ingram
Jay Ingram zählt zu den bekanntesten Wissenschaftsvermittlern im anglo-amerikanischen Raum. Der kanadische Journalist moderiert ein täglich ausgestrahltes TV-Wissenschaftsmagazin und ist Kolumnist des Toronto Star. Er gewann mehrere Journalistenpreise und ist außerdem Ehrendoktor der McGill und der Carleton University.
->   Mehr über Jay Ingram (Discovery Channel Kanada)
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Verlockend: Kohlendioxid, Wärme, Schweiß
Doch die Wissenschaft hat, wie Jay Ingram weiß, noch wichtigere Dinge herausgefunden. Stechmücken verfügen über hochkomplexe Rezeptoren, mit denen sie uns und andere Säugetiere orten. Dabei fliegen sie auf dreierlei: das von uns ausgeatmete Kohlendioxid, unsere Wärmeabstrahlung und die im Schweiß enthaltene Milchsäure.

Dieses Gespür für Milchsäure lässt sich mit DEET (N,N-Diethyl-3-Methylbenzamin), dem zurzeit wirksamsten Antimückenmittel, für rund fünf Stunden wirkungsvoll durcheinander bringen. Wie das genau funktioniert, weiß die Wissenschaft allerdings noch nicht.
Das Geheimnis der hüpfenden Steine

Das gilt im Übrigen für viele der von Ingram untersuchten Alltagsphänomene. So hat die Forschung nach wie vor keine exakten Beschreibungen für das Hüpfen von Steinen über der Wasseroberfläche, obwohl der erste wissenschaftliche Aufsatz zu diesem Thema bereits über 250 Jahre alt ist. Im Text "De Lapidipus Ab Aqua Resilientibus" hat Lazzaro Spallanzani um 1750 bereits das meiste von dem vorweggenommen, was die zeitgenössischen Steinhüpfforscher wissen.

So ahnte der italienische Forscher bereits, dass ein hüpfender Stein auf der von ihm erzeugten Vertiefung im Wasser hinauf gleitet, eher er sich wieder in die Luft erhebt, was Hochgeschwindigkeitsaufnahmen bestätigten. Immerhin konnte man erst kürzlich berechnen, dass ein Stein mit rund 40km/h und einer Eigendrehungsrate von 14 Umdrehungen pro Sekunde theoretisch 38 Mal springen kann. Das ist zufällig auch der Weltrekord.
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Jay Ingram: Die Geschwindigkeit des Honigs. Ungewöhnliche Erkenntnisse aus der Physik des Alltags. Aus dem Englischen von Ingrid Fischer-Schreibner. Frankfurt/New York 2004 (Campus). 220 S., Euro 20,50.
->   Mehr über das Buch (Campus Verlag)
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Zwischen Physik und Psychologie
Ingram nimmt sich in seinem Buch aber noch viele andere Phänomene vor, die uns allen vertraut sind und die zumeist irgendwie mit Physik oder Psychologie zu tun haben. Er recherchiert über das möglichst kleine Zusammenknüllen von Papier und findet heraus, dass es dabei weniger auf die Kraft als auf die Dauer des Zusammenpressens ankommt.

Er beschäftigt sich mit der Frage, warum die meisten Frauen ihr Baby links halten und muss erkennen, dass man es schlicht nicht genau weiß. (Es könnte etwas mit den Gehirnhälften zu tun haben).
Kritische Überprüfung von Alltagswissen
Ingram begnügt sich aber nicht allein damit, Alltagsphänomene unter die wissenschaftliche Lupe zu nehmen. Er knöpft sich auch Behauptungen vor, die längst zum Alltagswissen geworden sind und unterzieht sie einer kritischen Nachprüfung.

So wie zum Beispiel die beliebte Sechs-Ecken-Theorie ("Small World-Hypothese"), gemäß der wir über nur sechs Menschen mit jedem beliebigen Menschen dieser Welt verbunden sind, wobei jede Person die ihr nächste Person in der Kette kennt.
Spider-Man bestätigt Small World-Hyptohese
Aufgestellt wurde sie bereits im Jahr 1967 vom berühmten US-Psychologen Stanley Milgram. Seine Kollegin Judith Kleinfeld von der University of Alaska hat vor ein paar Jahren bei der Durchsicht von Milgrams Unterlagen herausgefunden, dass dessen Experimente keineswegs eindeutige Beweise lieferten und auf empirisch äußerst schwachen Beinen stehen.

Dennoch wurde die Theorie erst vor kurzem quasi "bestätigt": Spanische Wissenschaftler untersuchten die fiktiven Netzwerke der Marvel-Comics rund um Spider-Man und kamen zum Schluss, dass die größte Distanz zwischen den insgesamt 6.500 Comic-Figuren in den 13.000 Comics fünf beträgt.
->   "Small World": Jeder kennt jeden via sechs E-Mails (8.8.03)
Unterhaltsam und lehrreich
Im Gegensatz zu seinem Kollegen Len Fisher ("Die Reise zum Mittelpunkt des Frühstückseis") betätigt sich Ingram bei alldem nur in seltenen Fällen selbst als Alltagsforscher. Er hat aber die einschlägige wissenschaftliche Literatur zum jeweiligen Thema gesichtet und versteht es wunderbar, diese gleich lehrreich wie unterhaltsam zusammenzufassen.

Und er lässt dabei seine Leser immer wieder staunen, "wie wenig wir von dem wissen, das sich gerade von unseren Augen abspielt".
Auf die Butterseite fallen
Ziemlich zweifelsfrei erforscht ist immerhin die Frage, warum Toastscheiben fast immer auf der Butterseite landen, wenn sie vom Tisch fallen. Das hat schlicht mit der ungünstigen Rotation beim Fallen zu tun, die bei herkömmlichen Toastscheiben und Tischen nur in seltenen Fällen weniger als 90 Grad bzw. mehr als 270 Grad beträgt.

Vermeiden ließe sich das nur, so Ingram, wenn unsere Toastscheiben einen Durchmesser von 2,5 Zentimetern hätten. Oder unsere Tische drei Meter hoch wären.

Klaus Taschwer, heureka
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Klaus Taschwer ist Redakteur von "heureka", der Wissenschaftsbeilage des "Falter".
->   "heureka"
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01.01.2010