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28. Juli 1914: Wie die Welt in den Krieg rutschte  
  Mittwoch vor 90 Jahren - am 28. Juli 1914 - erklärte Österreich-Ungarn dem Königreich Serbien den Krieg. Der 28. Juli 1914 markiert somit den Beginn des Ersten Weltkriegs - die "Urkatastrophe des 20 Jahrhunderts", wie ihn Historiker nennen.  
Kriegsrüstung seit längerer Zeit
Manche meinen, der Weltkrieg wäre so oder so ausgebrochen: Die Europäischen Mächte hätten allesamt bereits seit längerer Zeit zum Krieg gerüstet, und es sei nur ein Zufall gewesen, dass gerade Österreich-Ungarn quasi den Startschuss dazu gegeben hat. Faktum ist jedenfalls, dass Österreich Serbien am 28. Juli 1914 den Krieg erklärte.
Hartes Ultimatum an Serbien
Exakt ein Monat zuvor hatte ein serbischer Attentäter den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajewo ermordet. Österreich bereitete ein Monat lang die Vergeltung vor. Am 23. Juli stellte es dem Königreich Serbien ein Ultimatum von 48 Stunden mit harten Bedingungen.

Der Deutsche Kaiser Wilhelm II. hatte die Österreicher zu einem möglichst harten Ultimatum ermuntert. Serbien lehnt prompt eine der Bedingungen ab, nämlich österreichische Organe zur Untersuchung des Sarajewo-Attentats ins Land zu lassen, will aber mit Österreich verhandeln.
Doppelstrategie Österreichs
Der Wiener Historiker und Jurist Günther Steinbach hat in seinem Buch "Schicksalstage Europas" unter anderem dieses verhängnisvolle Ultimatum analysiert: "Die österreichische Regierung verfolgte eine Doppelstrategie. Wäre das an sich unannehmbare Ultimatum erfüllt worden, wäre das Prestige wiederhergestellt gewesen, und wenn nicht, womit zu rechnen war, läge endlich ein Kriegsgrund vor", meinte Steinbach im ORF-Radio.

Dass das Ultimatum nur ein Vorwand war, habe man auch daran gesehen, dass der österreichische Botschafter vom Außenministerium die Weisung bekam, Belgrad binnen einer halben Stunde zu verlassen, wenn die Serben das Ultimatum ablehnen. An Verhandlungen sei also gar nicht gedacht worden, so Steinbach.
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Literaturhinweis
Günther Steinbach: Europas unruhiges Herz, Ueberreuter-Verlag Wien
->   Mehr zu dem Buch (Ueberreuter-Verlag)
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An Weltkrieg dachte (noch) niemand
So hatte sich in Österreich die Kriegspartei durchgesetzt. An einen Weltkrieg dachte aber auch sie wohl nicht, eher an einen dritten Balkankrieg gegen das Königreich Serbien. Für einen solchen begrenzten Feldzug war die k. u .k-Armee auch durchaus gerüstet, nicht aber für einen jahrelangen Stellungskrieg, für eine Gewaltleistung an mehreren Fronten.
Der Mechanismus der Bündnissysteme
Doch die Schutzmacht Serbiens war das russische Zarenreich und es griff jener teuflische Mechanismus widerstrebender Bündnissysteme, in die alle Großmächte eng eingewoben waren.

Und dieses Risikos hätten sich die Verantwortlichen bewusst sein müssen, sagt Günther Steinbach: "Alle haben gewusst, dass Europa in zwei Bündnisblöcke geteilt ist: auf der einen Seite Deutschland und Österreich mit dem unsicheren Verbündeten Italien, der ja dann auch auf der anderen Seite in den Krieg eingetreten ist, und die alliierten Bündnispartner Russland, Frankreich und Großbritannien. Und alle wussten auch, dass Russland die Schutzmacht Serbiens war."
Wechselseitige Kriegserklärungen
Was folgte, waren wechselseitige Kriegserklärungen. Dreibundmitglied Italien erklärte sich für neutral, dafür schloss sich das Osmanische Reich den Mittelmächten Österreich und Deutschland an. Zuvor hatte es noch russische und britische Vermittlungsversuche gegeben, schildert Günther Steinbach.

Aber auch eine andere Seite schien auf einmal nicht mehr kriegsbegeistert zu sein: "Der deutsche Kaiser Wilhelm II. war plötzlich der Ansicht, dass die serbische Antwort auf das österreichische Ultimatum durchaus zufrieden stellend sei, und kein unmittelbarer Kriegsgrund mehr vorliege," so Steinbach.
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Ö1-Programmhinweis
Dem Beginn des Ersten Weltkriegs widmet sich auch ein Ö1-Journal-Panorama: Dienstag, 27. Juli 2004, 18:25 Uhr
->   Mehr dazu
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Zehn Millionen Tote, Zerfall der Monarchien
Doch es half alles nichts mehr. Sowohl der deutsche Kaiser als auch der Zar wurden von ihren Militärs daran gehindert, die Mobilisierung im letzten Moment rückgängig zu machen. Von 1914 bis 1918 fanden zehn Millionen Menschen den Tod, die Kaiserreiche Österreich-Ungarn, Deutschland und Russland und das Osmanische Reich zerfielen, und die USA kamen als Weltmacht ins Spiel.
Schmutziger Krieg
Es war entgegen anderer Meinungen kein sauberer Krieg. Giftgas, U-Bootkrieg, erstmals der Krieg in der Luft, Massenmord und Folter waren die grausamen Phänomene des Völkerringens.

Die Urkatastrophe Erster Weltkrieg war aber nur ein gewaltiger Paukenschlag am Beginn dessen, was Charles de Gaulle später den 30-jährigen Krieg des 20. Jahrhunderts nennen sollte: die Zeit bis 1945.

Martin Haidinger, Ö1-Wissenschaft
->   Themenportal 1. Weltkrieg
->   Der Weltkrieg 1914-1918 (Deutsches Historisches Museum Berlin)
->   World War One (BBC)
->   The World War I Document Archive
->   firstworldwar.com
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Österreichische Kriegsfotografie 1914-1918 (14.5.04)
 
 
 
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01.01.2010