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"Acceleronen" sollen Dunkle Energie erklären  
  Neutrinos sind recht exotische Mitglieder des physikalischen Teilchenzoos. Eine Gruppe von US-Forschern bringt die mysteriösen Elementarteilchen nun in Verbindung mit der rätselhaften Dunklen Energie, die dafür verantwortlich sein soll, dass sich das Universum nach wie vor und zudem immer schneller ausdehnt. Dafür postulieren die Wissenschaftler die Existenz von bislang unentdeckten Elementarteilchen, die sie "Acceleronen" nennen. Sie sollen, so die Theorie, mit den Neutrinos wechselwirken und so die Ausdehnung des Universums antreiben.  
Das Szenario mag bizarr klingen. Doch die Forscher um Ann Nelson von der University of Washington glauben, dass es zumindest teilweise durch existierende Teilchendetektoren nachweisbar sein sollte.
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Ein Artikel zum Thema von Ann Nelson, David Kaplan und Neal Weiner wird unter dem Titel "Neutrino oscillations as a probe of dark energy" in einer der kommenden Ausgaben des Fachmagazins "Physical Review Letters" erscheinen.
->   Abstract des Artikels in den PRL
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Geisterhaften Neutrinos auf der Spur
Neutrinos sind wahrlich geisterhafte Teilchen: Sie sind elektrisch neutral, verfügen über eine sehr geringe Masse, bewegen sich annähernd mit Lichtgeschwindigkeit und haben dabei eine äußerst schwache Wechselwirkung mit anderen Elementarteilchen.

Als Folge sind sie recht schwer zu fassen, obwohl jede Sekunde Millionen bis Milliarden dieser lange auch als "Geisterteilchen" bezeichneten Partikel den menschlichen Körper durchdringen. Weltweit versucht man, den Neutrinos mithilfe von Teilchendetektoren auf die Spur zu kommen.
Keine Ladung, aber - geringe - Masse
Erst vor wenigen Jahren sorgte schließlich der Nachweis, dass Neutrinos über eine - wenn auch sehr geringe - Masse verfügen, für Aufregung im Kreise der Physiker. Bis dahin war man davon ausgegangen, dass die Teilchen weder Ladung noch Masse besitzen.
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Nahezu ungehindertes Durchdringen von Materie
Neutrinos entstehen unter anderem in der Sonne und bei Sternenexplosionen. Auf Grund ihrer hohen Durchdringungsfähigkeit sind sie nur sehr schwer zu fassen. Im Standardmodell der Elementarteilchenphysik bilden Neutrinos zusammen mit den drei geladenen Fermionen Elektron, Myon sowie Tau die Gruppe der so genannten Leptonen.

Neutrinos unterliegen nur einer der vier fundamentalen Wechselwirkungen, die heute der Physik bekannt sind. Die für die Neutrinos relevante schwache Wechselwirkung ist für den radioaktiven Beta-Zerfall und ähnliche Prozesse verantwortlich. Da Neutrinos zudem sehr kleine Reaktions-Wirkungsquerschnitte besitzen, können sie nahezu ungehindert Materie durchdringen.
->   Mehr über Neutrinos und Neutrinooszillation (Uni Heidelberg)
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Dunkle Energie treibt das Universum auseinander
Ähnlich groß war der Aufruhr unter den Wissenschaftlern, als man in den 90er Jahren feststellte, dass die Expansionsgeschwindigkeit des Universums immer mehr zunimmt, statt - wie eigentlich erwartet - langsamer zu werden.

Dies wiederum wird auf die so genannte Dunkle Energie zurück geführt, die Berechnungen zufolge etwa 70 Prozent der gesamten Masse im Kosmos ausmachen soll.
->   Mehr Informationen in wikipedia.org
Verbindung von Ausdehnung und Neutrinos
An einer Verbindung zwischen beiden Phänomenen - Neutrinos und Ausdehnung - versuchen sich nun Ann Nelson und Kollegen.

Das Problem dabei: Die Theorie fußt auf einem bislang noch unentdeckten Mitglied des atomaren Teilchenzoos. Jener "Acceleron" getaufte Neuzugang würde demnach mit den Neutrinos wechselwirken - und zwar weitaus stärker, als es letztere sonst zu tun pflegen.

Noch schwächer wäre demnach die Wechselwirkung von Acceleronen mit anderer Materie, weswegen - so argumentieren die Wissenschaftler - man diese bislang auch mit den modernsten Detektoren noch nicht entdeckt habe.
Antriebskraft für die kosmische Ausdehnung
Jene Kraft, die zwischen Acceleronen und Neutrinos wirksam wird und laut Theorie die Ausdehnung des Universums antreibt, sollte sich allerdings nach Ansicht der US-Forscher mithilfe von bereits existierenden Neutrino-Forschungsprojekten und Experimenten nachweisen lassen.

Bislang gebe es zwar viele Modelle zur Dunklen Energie, wird Ann Nelson in einer Aussendung ihrer Universität zitiert. Doch diese seien zumeist auf kosmologische Beobachtungen beschränkt. Ihr Modell jedoch böte den Vorteil, dass man konkrete Versuche auf der Erde durchführen könnte.
Oszillation, Massenänderung und Co
Im Detail geht es darum, dass Neutrinos - wie man seit einigen Jahren annimmt - oszillieren bzw. verschiedene Zuständen annehmen können. Mit ein Grund, warum der Nachweis via Detektoren schwierig ist.

Und in der Theorie der US-Physiker schließlich ändert sich die Masse der Elementarteilchen je nach Umgebung.

Als "Bestandteil" der Dunklen Energie jedoch fehlt dann laut Argumentation von Nelson und Kollegen wiederum eine Kraft, die gewisse daraus resultierende Unregelmäßigkeiten ausgleichen soll. Hier schließt sich der Kreis, denn diese Kraft soll die Wechselwirkung zwischen Acceleronen und Neutrinos sein.
Expansionsgeschwindigkeit könnte zurück gehen
Für die Expansion des Universums hieße dies im Übrigen, dass ihre Geschwindigkeit nur bis zu einem bestimmten Punkt anwachsen könnte. Danach ginge sie langsam zurück.
->   Homepage von Ann Nelson (University of Washington)
->   Department of Physics der University of Washington
Mehr zu Neutrinos im science.ORF.at-Archiv:
->   Wie Neutrinos ihre Zustände wechseln (16.7.04)
->   Südpol-Teleskop liefert ersten Neutrino-Sternen-Atlas (15.7.03)
->   Neutrino-Teleskop schaut Richtung Erdmittelpunkt (18.3.03)
->   Neutrinos - Botschafter aus dem All (29.5.02)
 
 
 
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01.01.2010