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Neuartiger Stickstoff mit viel Energie hergestellt  
  Stickstoff ist aufgrund seines chemischen Bauplans üblicherweise ein besonders reaktionsträges Molekül. Nun haben deutsche Forscher eine künstliche Variante mit ganz anderen Eigenschaften hergestellt: Sie verfügt über einen Energieinhalt, der fünfmal größer ist als der der stärksten nichtnuklearen Sprengstoffe. Der neue Stickstoff könnte als Energiespeicher zum Einsatz kommen.  
Polymere kubische Form
Normal sind beim Stickstoff zwei Atome dreifach aneinander gebunden. Wie ein Forscherteam um Mikhail Eremets vom Max-Planck-Institut für Chemie berichtet, konnte nun erstmals eine polymere kubische Form hergestellt werden, in der alle Stickstoffatome mittels kovalenter Einfachbindungen aneinander gebunden sind - ähnlich wie Kohlenstoff im Diamanten.

Diese kubische Form habe man bisher bei keinem anderen Element gefunden.
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Die Studie "Single-bonded form of nitrogen" ist in "Nature Materials" (Bd. 3; S. 558, August 2004) erschienen.
->   Original-Abstract in "Nature Materials"
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Bereits seit 20 Jahren vorhergesagt
Bereits seit zwei Jahrzehnten haben Wissenschaftler vorausgesagt, es gebe auch einfach gebundenen Stickstoff. Danach würde der molekulare Stickstoff bei hohem Druck einen atomaren Festkörper mit der Struktur eines kubischen Gitters bilden.

Seither hat man intensiv nach diesem polymeren Stickstoff gesucht, bei hohem Druck und in verschiedenen Temperaturbereichen. Man fand zwar verschiedene neue Stickstoffphasen, darunter auch eine nichtmolekulare Halbleiterphase, doch niemand konnte bisher polymeren Stickstoff herstellen.
Temperaturen von mehr als 1.700 Grad Celsius
Bild: Max-Planck-Institut für Chemie
Schematischer Querschnitt einer
Diamantstempel-Apparatur
Laut einer Aussendung der Max-Planck-Gesellschaft ist es nun Wissenschaftlern der Hochdruckgruppe am Max-Plack-Institut für Chemie gelungen: Sie synthetisierten polymeren Stickstoff direkt aus zweiatomigem Stickstoff bei Temperaturen oberhalb von 2.000 Grad Kelvin (1.727 Grad Celsius) und Drücken von über 110 Gigapascal (1,1x106 atm).

Dazu nutzten die Forscher eine neue Anordnung einer laserbeheizten Diamanthochdruckzelle (siehe Bild rechts).
"Stickstoff-Diamant"
 
Bild: Max-Planck-Institut für Chemie

Röntgenbeugungsuntersuchungen und so genannte Raman-Spektren des transparenten Kristalls belegten, dass sich tatsächlich polymerer Stickstoff mit der theoretisch vorhergesagten kubischen Gitterstruktur gebildet hatte (siehe Abbildung).

Diese Phase mit dem Kompressionsmodul von 300 Gigapascal sei charakteristisch für stark kovalent gebundene Festkörper. "Wir nennen sie deswegen Stickstoff-Diamant", erklärte Mikhail Eremets, einer der Mainzer Max-Planck-Forscher.
Hohe Energiedichte
Zweiatomiger Stickstoff ist ein reaktionsträger Stoff, weil seine Dreifachbindung eine der stabilsten chemischen Bindungen ist, die wir kennen. Im Gegensatz dazu bilden Stickstoffatome, die mit Einfachbindungen in ein polymeres Netz gebunden sind, ein Material mit hoher Energiedichte.
Fünfmal höher als bei Sprengstoffen
Dies liegt daran, dass bei Stickstoff eine einzigartig große Energiedifferenz zwischen einer Einfachbindung und dem Drittel einer Dreifachbindung besteht. Deshalb wird beim Übergang von der einfach zur dreifach gebundenen Form sehr viel Energie freigesetzt, etwa fünfmal mehr als bei den gefährlichsten Sprengstoffen.
Als Treibstoff verwendbar?
Da das einzige Endprodukt dieser Umwandlung gewöhnlicher, umweltfreundlicher Stickstoff ist, wollen die Forscher untersuchen, ob man polymeren Stickstoff als Treibstoff oder Sprengstoff gebrauchen könnte.

"Zunächst müssen wir aber versuchen, die Verbindung bei Umgebungstemperatur und -druck zu erhalten", so Eremets.
->   Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz
->   Mehr über Stickstoff (Wikipedia)
 
 
 
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01.01.2010