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B-Zell-Lymphome: Bösartig bis in die Blutgefäße  
  Wiener Wissenschaftler haben einen möglichen neuen Ansatz für gezielte Blutkrebs-Therapien entdeckt. Bestimmte Formen - so genannte B-Zell-Lymphome - sind demnach "bösartig" bis in ihre Blutgefäße hinein.  
Auch jene Zellen in den Tumoren, welche die Neubildung von Blutgefäßen zu ihrer Blutversorgung voran treiben, weisen genetisch zu einem erheblichen Teil Charakteristika der bösartigen Zellen auf.

Das haben die Wiener Pathologen und Hämatologen entdeckt. "Wir stehen am Anfang. Aber wenn wir hier einen selektiven Entwicklungsmechanismus für B-Zell-Lymphome entdeckt haben, könnte man eventuell gezielte Therapiestrategien entwickeln", erklärte Berthold Streubel vom AKH Wien gegenüber der APA.
Aushungern von Tumoren: Suche nach Strategien
Der Hintergrund: Seit langer Zeit wird - mit bisher mäßigem Erfolg - versucht, Strategien zu schaffen, mit denen man bösartige Tumoren von ihrer Blutversorgung abschneiden kann. Doch die Angelegenheit ist sehr diffizil.

"Man hat bisher angenommen, dass die Neubildung von Blutgefäßen in B-Zell-Lymphomen durch bestimmte Zytokine (Botenstoffe, Anm.) angeregt wird", erklärt Hämatologe Ulrich Jäger von der Universitätsklinik für Innere Medizin I am AKH, einer der Co-Autoren der vor kurzem im "New England Journal of Medicine" erschienenen Studie.
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Die Studie von Streubel und Kollegen ist unter dem Titel "Lymphoma-Specific Genetic Aberrations in Microvascular Endothelial Cells in B-Cell Lymphomas" im "NEJM", Bd. 351, Seiten 250-259, Ausgabe vom 15. Juli 2004 erschienen.
->   Abstract des Artikels im "NEJM"
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Annahme: Endothelzellen gutartigen Ursprungs
Gleichzeitig wurde bisher vermutet, dass die für die Gefäß-Neubildung entscheidenden Zellen - die Endothelzellen, welche die Blutgefäße innen auskleiden - bei solchen Lymphomen völlig gutartigen Ursprungs wären.

Die Tumorzellen seien bösartig wachsende Tumorzellen, die Gefäßzellen aber eben gutartige, die bloß durch Wachstumsfaktoren zum Sprießen gebracht würden, lautete die Vermutung.
Wiener Studie zeigt anderes Bild
Die von dem Wissenschaftlerteam der Medizinuniversität Wien am AKH durchgeführte Arbeit zeigt aber ein anderes Bild:

"Wir haben Endothelzellen von 27 B-Zell-Lymphomen untersucht. Im Mittel zeigten etwa 40 Prozent dieser Zellen genetische Merkmale des Tumors", so Streubel. Der Prozentsatz lag zwischen 15 und 85 Prozent. Das ist ein völlig neuer Befund beim B-Zell-Lymphom.
Verschiedene Theorien dazu
Es gibt allerdings vier verschiedene Theorien, wie es zu der Entstehung der Endothelzellen mit Tumor-Merkmalen kommen könnte. Am ehesten neigen die Wiener Wissenschaftler zwei von ihnen zu:

Eine sehr frühe pluripotente Stammzelle aus dem Knochenmark könnte der Vorläufer für die Tumor- und die Gefäßzellen sein oder aus Tumorzellen bzw. unmittelbaren Vorläuferzellen entwickeln sich als "Seitenzweig" auch die Endothelzellen mit bösartigem "Einschlag".
Hoffnung auf gezielte Wachstumshemmer
Jedenfalls könnte die Arbeit am Beginn der Entwicklung ganz selektiver Wachstumshemmer gegen B-Zell-Lymphome stehen, weil sie - wie jeder Tumor - ab einer gewissen Größe auf jeden Fall ein eigenes Gefäßsystem benötigen.

Doch auch schon für die derzeitige Behandlung könnten sich Konsequenzen ableiten. Hämatologe Jäger: "Bisher wartet man bei 'gutartigen' Lymphomen mit der Behandlung zu, bis die Patienten wirklich krank sind. Wenn sich der Tumor aber sein Gefäßsystem wirklich selbst macht, könnte das bedeuten, dass man eventuell frühzeitiger behandeln sollte."
->   Medizinische Universität Wien
->   Mehr zum Thema Blutkrebs in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010