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Lernfähigkeit des Gehirns nach Schlaganfall besser  
  Gehirnverletzungen nach einem Schlaganfall führen oft zu geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen. Wie Forscher herausfanden, verfügt das Gehirn kurz danach aber auch über eine höhere Lernfähigkeit.  
Diese Erkenntnis gelte es nun für die Rehabilitation der Betroffenen zu nutzen, so Studienautor Otto Witte von der Universität Jena.
Bildung neuer Verbindungen, zum Teil neuer Zellen
Die Jenaer Neurologen, die ihre Ergebnisse jüngst in der Fachliteratur publiziert haben, fanden heraus, dass auch das Gehirn nach einem Schlaganfall wieder neue Verbindungen zwischen Gehirnzellen aufbaut, in Einzelfällen gar neue Zellen bildet.

Diese Erkenntnisse, die durch Experimente und dank verbesserter Bildgebungsmethoden möglich wurden, sind vom unverletzten Hirn bekannt.

Die Studie von C. Frahm, C. Haupt and O. W. Witte ist unter dem Titel "GABA neurons survive focal ischemic injury" im Fachjournal "Neuroscience", Bd. 127, Seiten 341-346 (doi:10.1016/j.neuroscience.2004.05.027) erschienen.
Abstract der Studie in "Neuroscience"
Geschädigtes Gehirn: Erregbarer und lernfähiger
Wenn der Mensch lernt, passieren diese Vorgänge üblicherweise im Gehirn - selbst bei Erwachsenen. Diese Prozesse finden aber auch im gesamten Gehirn nach einem Schlaganfall statt. Das so geschädigte Hirn zeigt insgesamt ein verändertes Verhalten. Es weist eine erhöhte Erregbarkeit auf, was im ärgsten Fall zu Anfällen führt.

Es offenbart aber zugleich eine erhöhte Lernfähigkeit, die medikamentös und durch spezifische Trainings genutzt werden kann, um die aufgetretenen körperlichen und geistigen Einschränkungen - zumindest zum Teil - zu kompensieren.
GABA-Rezeptoren ändern sich einige Monate lang
Ursache für dieses Verhalten sind so genannte GABA-Rezeptoren, deren Zusammensetzung im Gehirn sich nach einem Schlaganfall verändert, wie die Jenaer Neurologen entdeckt haben.

Diese Botenstoffe, die in einem Drittel des Gehirns die Nachrichten weitergeben, gehen nach einem Schlaganfall "in ein jugendliches Muster zurück", so Witte. Das Gehirn falle für wenige Monate in ein jugendliches und damit lernfähigeres Stadium seiner Entwicklung zurück. Einher gehe damit "eine veränderte Repräsentation im Gehirn".
Andere Gehirnareale übernehmen Funktionen
 
Bild: Neurologie der FSU

Der Schlaganfall im MRT-Bild. Links: Weiß das Hirngewebe, das geschädigt ist; Rechts: Rot ist der Bereich, der nicht genug Blut enthält.

Das Hirn reagiere auch in den Teilen, die nicht verletzt sind, anders. "Bestimmte Lernmechanismen sind für eine gewisse Zeit - bis etwa sechs Monate nach dem Schlaganfall - verbessert", fasst Witte zusammen. Daher können gewisse Funktionen aus den betroffenen Gehirnarealen durch benachbarte Gehirnregionen übernommen werden.
Schläge auf den Hinterkopf helfen nicht
Das verletzte Gehirn, so das Fazit der Jenaer Forscher, erhält für eine gewisse Zeit Fähigkeiten, die es vorher nicht hatte. "Es gibt ein Zeitfenster, das man nutzen sollte", plädiert Witte für den raschen Beginn von Reha-Maßnahmen.

Allerdings betont der Neurologe auch, dass diese verletzungsbedingte Lernfähigkeit nicht künstlich hervorgerufen werden sollte. Der regelmäßige Schlag auf den Hinterkopf fördert nicht, sondern schädigt.
->   Universität Jena
->   science.ORF.at-Archiv zum Thema Schlaganfall
 
 
 
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01.01.2010